Treibhausgas Zu viel CO2 lässt Ackerpflanzen verkümmern

Gibt es Gewinner des Treibhauseffekts? Pflanzen müssten von steigenden CO2-Werten in der Atmosphäre profitieren - weil Photosynthese und Wachstum auf Trab kommen, heißt es oft. Doch jetzt stellt sich heraus: Den meisten Pflanzen können höhere Kohlendioxidkonzentrationen sogar schaden.
Reisfeld in Indien: Mehr Kohlendioxid in der Atmosphäre kann kontraproduktiv sein

Reisfeld in Indien: Mehr Kohlendioxid in der Atmosphäre kann kontraproduktiv sein

Foto: DESHAKALYAN CHOWDHURY/ AFP

Die Fieberkurve ist von brutaler Eindeutigkeit: Die Konzentration von Kohlendioxid in der Erdatmosphäre steigt und steigt. Derzeit liegt sie bei rund 390 Teilchen pro eine Million Teile Luft (ppm). Für das Klima in großen Teilen der Welt wird das Hasten von einem CO2-Rekord zum anderen voraussichtlich dramatische Folgen haben.

Während es für viele Menschen und Tiere künftig ungemütlich zu werden droht, sollte das Treibhausgas für Pflanzen eigentlich eine segensreiche Wirkung haben. Denn sie können das CO2 bei der Photosynthese für sich nutzen - und so zum Beispiel in der Landwirtschaft bessere Erträge bringen. Gerade Klimaskeptiker verweisen gern auf diesen Effekt: Wie, so argumentieren sie, kann ein Gas schlecht sein, das der Menschheit mehr Nahrung bescheren könnte? Außerdem würden die mit Kohlendioxid "gedüngten" Pflanzen auch größere Mengen Kohlenstoff binden, also aus der Atmosphäre entfernen.

Doch neue Forschungsergebnisse machen eindrücklich klar, dass diese Rechnung wohl in den meisten Fällen nicht aufgehen wird.

Denn steigende CO2-Konzentrationen in der Luft helfen längst nicht allen Pflanzen beim Wachsen. Viele Arten können in einer von Kohlendioxid geschwängerten Atmosphäre weniger Stickstoff aus dem Boden aufnehmen. Fehlt aber dieser wichtigste Wachstumsförderer, bekommt das Gewächs Schwierigkeiten, etwa beim Aufbau von Kohlenhydraten. Von steigenden Kohlendioxidwerten können diese Pflanzen also gar nicht profitieren, berichten Forscher um Arnold Bloom von der University of California in Davis im Fachmagazin "Science" .

Leider machen diese sogenannten C3-Pflanzen den größten Teil der pflanzlichen Biomasse auf der Erde aus. Bei ihnen kommt der Grundtypus der Photosynthese zum Einsatz: Energiearme Stoffe werden unter dem Einfluss von Licht in energiereichere Verbindungen umgewandelt. Allerdings funktioniert das in diesem Fall nur dann, wenn es nicht zu heiß oder zu trocken ist. Ansonsten schließen die C3-Pflanzen die Spaltöffnungen ihrer Blätter. Das verringert zwar die Verdunstung, stoppt aber auch die CO2-Zufuhr - und damit die Photosynthese.

"Stark abhängig von Nitraten als Stickstoffquelle"

Um ihre Photosyntheseprodukte aufbauen zu können, brauchen Pflanzen unbedingt Stickstoff. Normalerweise kommt der in Form von Nitrat- und Ammonium-Ionen aus dem Boden. Über die Wurzeln werden die kleinen, in Wasser gelösten Stärkungspakete aufgenommen - und wo die segensreichen Substanzen fehlen, können Landwirte und Gärtner mit Dünger nachhelfen. Bloom und seine Kollegen konnten nun aber zeigen, dass zumindest für Weizen (eine einkeimblättrige Pflanze) und Schaumkresse (eine zweikeimblättrige Pflanze) die Weiterverarbeitung von Nitrat-Ionen durch steigende CO2-Werte behindert wird.

Das Problem ist gravierend. "Pflanzen in gemäßigten Klimazonen sind normalerweise stark abhängig von Nitraten als Stickstoffquelle", sagt Bloom im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Doch genau diese Pflanzen litten unter steigenden CO2-Werten. In manchen Fällen würden sie bei höheren Kohlendioxidkonzentrationen gar schrumpfen. "Außerdem gehen die Proteinmengen in Nahrungsmitteln zurück", sagt Bloom.

Um sicher zu gehen, setzten die Forscher fünf verschiedene Messverfahren ein. Doch das Ergebnis war immer gleich - jedenfalls in Bezug auf die Stickstoffaufnahme aus Nitrat-Ionen, die in der Landwirtschaft von großer Bedeutung ist. Bei vielen Kulturpflanzen könnten die steigenden CO2-Werte in der Atmosphäre deswegen früher oder später zu Problemen führen. Die Bauern wiederum könnten versuchen, das durch höheren Düngereinsatz zu kompensieren. Doch Bloom hält das für den falschen Weg: "Einfach mehr Dünger einzusetzen, wäre wirtschaftlich und ökologisch schlecht."

Immerhin: Bei Pflanzen, die sich ihre Nährstoffe aus Ammonium-Ionen holen, zeigten sich auch positive Effekte durch mehr Kohlendioxid in der Atmosphäre. Und bei sogenannten C4-Pflanzen, die eine schnellere Photosynthese bei mehr Wärme und Licht durchführen, hatten Bloom und seine Kollegen vor Jahren schon nachgewiesen, dass die CO2-"Düngung" funktioniert. Allerdings gehören nur ganze fünf Prozent der Landpflanzen zu dieser Gruppe.

Mehr lesen über

Verwandte Artikel

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren