Regeneration statt Aufforstung Tropenwälder erholen sich innerhalb von 20 Jahren – wenn man sie lässt

Waldflächen, die landwirtschaftlich genutzt wurden, erholen sich besonders schnell, wenn man sie einfach in Ruhe lässt, berichten Fachleute. Das funktioniere oft sogar besser als gezieltes Bepflanzen.
Tropische Wälder sind artenreich – und widerstandsfähiger, als man denken könnte

Tropische Wälder sind artenreich – und widerstandsfähiger, als man denken könnte

Foto: Kristian Bell / Getty Images

Wenn der Mensch sie lässt, kann die Natur erstaunliches vollbringen: Tropische Wälder etwa, sind in der Lage, sich innerhalb von rund 20 Jahren beinahe vollständig zu regenerieren und zuzuwachsen. Das zeigt eine neue Studie, die in der Fachzeitschrift »Science«  erschienen ist.

Noch können Schäden rückgängig gemacht werden

Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler deuten die Ergebnisse ihrer Untersuchung so: Noch sei es nicht zu spät, die Schäden rückgängig zu machen, die die Menschheit in den vergangenen Jahrzehnten in den Tropenwäldern verursacht hat.

»Das ist eine gute Nachricht, denn 20 Jahre sind eine realistische Zeitspanne, an die ich denken kann, an die meine Tochter denken kann und an die politische Entscheidungsträger denken können«, sagte Lourens Poorter, Professor für funktionelle Ökologie an der Universität Wageningen in den Niederlanden und Hauptautor der Studie, der britischen Zeitung »The Guardian« .

Natürliche Verjüngung übertrifft menschliche Anstrengung

Diese Fähigkeit zur Regeneration lasse sich auf einen bereits erforschten Mechanismus zurückführen: Alte, bestehende Flora und Fauna des Waldes könne eine neue Generation beim Wachstum unterstützen – ein natürlicher Prozess, der als »sekundäre Sukzession« bekannt ist.

Diese Art der natürlichen Verjüngung führe zu positiveren Ergebnissen als Maßnahmen der Aufforstung, sagte Poorter: »Verglichen mit der Anpflanzung neuer Bäume schneidet sie im Hinblick auf die biologische Vielfalt, den Klimaschutz  und die Rückgewinnung von Nährstoffen viel besser ab.« Bedauerlicherweise werde die Idee jedoch häufig zugunsten von Baumpflanzungen vernachlässigt.

Die Botschaft sei klar: Die Menschheit müsse nicht unbedingt mehr Bäume pflanzen, wenn die Natur das von selbst tue, sagte der Wissenschaftler.

Daten aus 2275 Parzellen wurden untersucht

Für die Studie hatten mehr als 90 Forscherinnen und Forscher aus verschiedenen Ländern Daten zur Wiederaufforstung von 77 Standorten und 2275 Parzellen in Nordamerika, Südamerika und Westafrika untersucht. Mithilfe einer Modellierung über die Zeit konnten sie langfristige Trends bei der Erholung der Wälder ableiten.

Das Ergebnis zeige auch: Verschiedene Bestandteile eines Waldsystems benötigen unterschiedlich viel Zeit, um das Niveau eines alten, gesunden Waldes zu erreichen. Während sich der Boden in durchschnittlich zehn Jahren erholt habe, erreiche die Artenvielfalt  in der Pflanzengemeinschaft und der Tierwelt erst nach rund 60 Jahren ihren ursprünglichen Zustand. Die Gesamtbiomasse regeneriere sich innerhalb von 120 Jahren.

Doch nach nur 20 Jahren hätten tropische Wälder etwa 78 Prozent ihres ursprünglichen Zustands wiedererlangt.

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Den Wald in Ruhe lassen – als Klimaschutzmaßnahme

Das Verständnis davon, wie Sekundärwälder auf aufgegebenen landwirtschaftlichen Flächen entstehen, sei für den Erhalt der biologischen Vielfalt von entscheidender Bedeutung, so die Fachleute. Und: Die Ergebnisse könnten künftige Klimaschutzmaßnahmen beeinflussen. Denn gerade Sekundärwälder binden sehr viel Kohlenstoff.

»Ich plädiere dafür, den natürlichen Aufwuchs zu nutzen, wo es möglich ist, und aktiv zu pflanzen und wiederherzustellen, wo es nötig ist«, sagte Poorter.

vki
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