Genveränderungen durch Radioaktivität Fachleute untersuchen Überlebenstricks der Hunde von Tschernobyl

Seit Jahrzehnten existieren sie in einer der feindlichsten Gegenden der Welt, nun werden die frei laufenden Hunde aus der Sperrzone von Tschernobyl untersucht. Ihre Vorfahren hatten Menschen noch als Haustiere gedient.
Ein streunender Hund vor der Schutzhülle des Reaktors in Tschernobyl

Ein streunender Hund vor der Schutzhülle des Reaktors in Tschernobyl

Foto: Serg Glovny / ZUMA Wire / IMAGO

Mehr als 35 Jahre nach dem bislang schlimmsten Atomunfall der Welt analysiert ein Forscherteam Hunde, die in Tschernobyl leben – und möglicherweise Aufschluss darüber geben, wie sich eine erhöhte Strahlenbelastung über Jahrzehnte auf den Körper auswirkt.

Für die in der Zeitschrift »Science Advances« veröffentlichte Studie  wurden 302 frei laufende Hunde aus der Sperrzone um den Katastrophenreaktor untersucht und Blutproben von ihnen genommen. Es soll nur die erste einer Reihe von genetischen Untersuchungen sein.

Die Tiere leben laut der Auswertung zwischen verfallenen Gebäuden und sind noch immer in der Lage, Nahrung zu finden, sich fortzupflanzen und länger zu überleben, berichten die Fachleute.

Nachkommen von Haustieren

Nach einer Explosion und einem Brand in dem sowjetischen Kernkraftwerk Tschernobyl am 26. April 1986 ist die radioaktiv verseuchte Gegend verlassen. Eine Schutzhülle über dem Unglücksreaktor, der sich inzwischen auf dem Gebiet der Ukraine befindet, soll Strahlung abschirmen.

»Wir haben hier die einmalige Gelegenheit, der Antwort auf die Frage näherzukommen: Wie überlebt man 15 Generationen lang in einer feindlichen Umgebung wie dieser?«, sagte die Genetikerin Elaine Ostrander vom National Human Genome Research Institute in Maryland und Co-Autorin der Studie. Das Fachteam hofft, dass die Hunde Hinweise liefern, wie sich der menschliche Körper besser vor Strahlung schützen ließe.

Beim Röntgen, Fliegen oder schlicht durch die natürliche Hintergrundstrahlung sind auch Menschen einer gewissen Belastung ausgesetzt. Sie ist allerdings deutlich geringer als in einem stark radioaktiv verseuchten Gebiet nach einem Atomunglück.

Laut den Forschenden sind die meisten der untersuchten Hunde Nachkommen von Haustieren, die die Bewohner bei der Evakuierung der Region um das havarierte Atomkraftwerk Tschernobyl zurücklassen mussten. Sogar Hundefamilien ließen sich durch die Analyse von DNA ermitteln, nämlich etwa 15 verschiedene. Außerdem entdeckte das Fachteam Hunde, die in Gebieten mit hoher, mittlerer und niedriger Strahlenbelastung leben.

Nun beginnen die Wissenschaftler, gezielt nach Veränderungen und Mutationen in der DNA zu suchen, die sich auf die Strahlenbelastung zurückführen lassen – sie haben bereits mit der Folgeforschung begonnen.

lki/AP

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