Überflutete Küsten Klimawandel bedroht Trinkwasser-Reserven

Überschwemmte Wohngebiete, Seuchen, Millionen Flüchtlinge - der Meeresspiegel wird als Folge der Erderwärmung ansteigen. Küstengebiete weltweit werden so überflutet. Ein Aspekt ist dabei noch völlig unberücksichtigt geblieben: das eindringende Salzwasser, das die Trinkwasservorräte mindert.

Dass der Klimawandel immer höhere Pegelstände zur Folge hat, wird von kaum noch einem Wissenschaftler bestritten. Infolge der Erderwärmung schmelzen gigantische Gletscher etwa auf Grönland ab - das Wasser fließt ins Meer und lässt die Meeresspiegel steigen. Nur über konkrete Zentimeter- oder Meterangaben streiten sich die Fachleute noch.

Fest steht: Küstenlinien weltweit werden überflutet und damit Lebensraum vernichtet. Aber auch Trinkwasservorräte geraten durch das eindringende Salzwasser in Gefahr. Diese verringern sich weitaus stärker als bislang gedacht, wie jetzt Wissenschaftler der Ohio State University berichten.

Bislang hatte man immer angenommen, dass ins Landesinnere eindringendes Salzwasser unterirdisch nur so weit reicht wie oberirdisch. Die Wissenschaftler Motomu Ibaraki, Leiter der Studie, und sein Kollege Jun Mizuno, hatten simuliert, wie das Salzwasser an den Küsten in die grundwasserführenden Schichten unter der Erde genau eindringt. Dabei berücksichtigten sie die Vorhersagen des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), des Weltklimarats der Uno. Nach dessen Berechnungen wird der Meeresspiegel innerhalb der nächsten 100 Jahre um rund 0,58 Meter ansteigen. Ergebnis der Simulationen: Das Salzwasser dringt unterirdisch viel weiter vor als auf dem Land.

Mizuno und Ibaraki betrachteten Küstenlinien von verschiedenartiger Beschaffenheit. Je mehr Schichten eine Küste hatte, desto mehr Salz- und Trinkwasser mischten sich, fanden die Forscher heraus. Typischerweise bestehen Küstenstreifen aus verschiedenen Sandschichten, die sich über die Zeit gebildet haben. Manche Schichten enthalten groben, manche feinen Sand. Während der feine Sand das eindringende Wasser blockiert, lässt es der grobe leichter durch.

Ansteigende Meeresspiegel erhöhten zudem das Ausmaß der Wasservermischung. Es entstand unterirdisch ein Pool von Brackwasser. Die Simulationen ergaben, dass das unterirdische Brackwasser sich um 10 bis 50 Prozent weiter ins Landesinnere ausbreitete als das oberirdisch eindringende Salzwasser. Wie Salzwasser ist Brackwasser nicht zum Trinken geeignet, weil es dem Körper Wasser entzieht. Nur Wasser, das weniger als 250 Milligramm Salz pro Liter enthält, gilt gemeinhin als Trinkwasser.

Auf einem Treffen der Geological Society in Denver erklärten die Wissenschaftler, dass den meisten Menschen nur die Gefahren bewusst seien, die ein klimawandelbedingter Meeresspiegelanstieg oberirdisch verursacht. Das Problem der Trinkwasser-Kontaminierung sei bislang völlig unberücksichtigt geblieben. "Der Klimawandel vermindert bereits die Trinkwasser-Ressourcen, indem sich die Niederschlagsmengen verändern und die Gletscher schmelzen", sagte Ibaraki. Die Auswirkungen, die ein steigender Meeresspiegel auf unterirdische Trinkwasservorräte habe, seien bislang aber noch nicht ausreichend untersucht.

Die Folgen können nach Erkenntnissen der Forscher verheerend sein: "Beinahe 40 Prozent der gesamten Weltbevölkerung leben in Küstengegenden weniger als 60 Kilometer von der Küste entfernt", sagte Mizuno. "Diese Regionen könnten mehr Trinkwasser-Ressourcen verlieren, als wir bislang dachten." Nach Informationen des US Geological Survey bezieht die Hälfte der Bevölkerung der USA ihr Trinkwasser aus unterirdischen Vorkommen. Es wird auch zur Bewässerung von Ackerflächen verwendet.

Nach Ansicht der Forscher wären genauere Vorhersagen und Karten für die betroffenen Küstenlinien in Bezug auf die Trinkwasservorräte hilfreich. Dies ist allerdings schwierig, denn es ist unbekannt, wo die weltweiten Trinkwasserquellen genau liegen und wie hoch sie sind. Zudem ist die Beschaffenheit des Untergrunds in vielen Regionen unerforscht.

Um den weltweit steigenden Bedarf an Trinkwasser zu decken, ist billiges Wasser vonnöten. Dies muss nach Meinung der Forscher aus Flüssen, Seen oder dem Grundwasser kommen. Ein Weg, mehr Trinkwasser zu produzieren, wäre die Entsalzung von Meerwasser - dies jedoch ist energieaufwendig und teuer.

Das Fazit der Forscher: "Unser Wasserproblem wird in der Zukunft ein Energieproblem werden."

lub

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