
Plantagen-Projekt: CO2-Zertifikate aus Uganda
Umstrittene Aufforstung in Uganda Bäume pflanzen, Bauern verdrängen
Lawrence Kamonyo weiß nicht, was Klimaschutz ist. Der afrikanische Kuhhirte kennt weder das Zwei-Grad-Ziel noch den Emissionshandel. Er hat noch nie einen Flug gebucht, einen Kühlschrank besessen oder einen SUV gefahren. Lawrence Kamonyo lebt in einem bescheidenen Haus im Busch im Nordwesten von Uganda, einem der ärmsten Länder der Welt.
Sein Pech, dass sein Stück Land für den Klimaschutz ausgewählt wurde. Und wenn es in Uganda um Land geht, wird nicht lange gefackelt. Das Haus der Familie Kamonyo wurde abgebrannt, seine Kinder hat man geschlagen, er selbst wurde festgenommen.
Der Hirte wollte sein Land nicht aufgeben, das er seit Jahren bewirtschaftet. Dort, wo er abends vor seiner strohgedeckten Hütte bisher seine Rinder zusammentrieb, will die deutsche Firma Global Woods Bäume pflanzen, um CO2 aus der Atmosphäre zu binden. Denn davon gibt es zu viel: Im Frühling 2015 stieg die Konzentration von CO2 laut Welt-Meteorologie-Organisation WMO im globalen Durchschnitterstmals über 400 ppm (parts per million). Auch auf dem internationalen Klima-Parkett sind private Investoren gern gesehen, wenn sie Umweltschutz und Business zusammen denken. Gerade erst haben bei der Klimakonferenz in Paris mehrere afrikanische Staaten sowie internationale Unterstützer die Aufforstung von hundert Millionen Hektar Wald angekündigt.
Klimaschutz mit Wald in Afrika?
Mit einer solchen Idee fing der ehemalige FDP-Politiker Manfred Vohrer 2002 mit Unterstützung des Bundesentwicklungsministeriums (BMZ) in Kikonda - nicht weit von Lawrence Kamonyos Haus - an, Bäume zu pflanzen. Bis heute hat Vohrers Unternehmen Global Woods International AG auf 12.000 Hektar sechs Millionen Bäume wachsen lassen. Wenn der Karlsruher Klimaschutzfond, die Stadtwerke Hamm oder andere Unternehmen mit Vohrers Waldprojekt werben, denkt der deutsche Verbraucher wohl erst einmal: Was kann daran falsch sein, ein Waldprojekt in Afrika zu unterstützen und damit auch noch das Klima zu retten?
Für den Viehhirten Lawrence Kamonyo und seine Nachbarn sind die Leute, die Bäume pflanzen, schlicht "reiche weiße Leute, die Geschäfte machen". "Ich habe nichts gegen Wald, wenn er ein richtiger Wald ist, in dem man leben und arbeiten kann", sagt der schmale 65-Jährige im abgerissenen Hemd, der kein Englisch spricht und kaum seinen Namen schreiben kann. Kamonyos Familie lebt seit Generationen von der Viehhaltung, eine Schule haben die wenigsten von ihnen besucht.
Tatsächlich hat die Kiefernplantage von Global Woods in Kikonda im Nordwesten Ugandas nichts mit der deutschen Vorstellung von Wald zu tun. Fährt man an die Plantage heran, sieht man fast ausschließlich Kiefern, die kilometerweit einsehbar in Reih und Glied stehen. Dabei gab es Kiefern in der Region nicht, bevor Manfred Vohrer nach Uganda kam. In der Umgebung der Plantage, die derzeit noch von der Firma gerodet wird, wachsen wilde Mango,- Casava- und Bananenbäume sowie Akazien, zwischen denen sich Antilopen, Affen, Buffalos und Hasen tummeln, Vögel laut kreischen und Insekten summen.
Vater und Sohn
In der Kiefernplantage von Global Woods ist es dagegen merklich still. Zwischen den nackten Stämmen wächst nur wenig Gras, Verstecke für Tiere gibt es kaum. Das könnte auch an dem Herbizid liegen, das die Firma rund um junge Bäume versprüht. Die Viehhirten klagen, dass Tiere, die die Baumplantage betreten, erkranken und ihre Kühe missgebildete Kälber zur Welt bringen. Die Plantage raube ihnen die Äcker, auf denen sie bislang Gemüse anbauten. Es steht Baum gegen Essen.
Doch auf dem Papier geht alles mit rechten Dingen zu bei Global Woods. Die kommerzielle Plantage ist mit dem als anspruchsvoll geltenden Gold Standard gelabelt, den die Stiftung gleichen Namens vergibt und 2003 von der Umweltorganisation WWF gegründet wurde. Unter dem Gold Standard wurde das Projekt vom TÜV Süd geprüft. Allerdings ist es merkwürdig, dass der Sohn des Ex-FDP-Politikers Vohrer, Moritz Vohrer, bei der Gold-Standard-Stiftung arbeitet und dort ausgerechnet für Waldprojekte zuständig ist. Und bevor Gold Standard das Projekt in Uganda prüfte, wurde es jahrelang vom Carbon-Fix-Standard kontrolliert - dessen Gründer ebenfalls der Sohn von Manfred Vohrer war. Die Gold-Standard-Stiftung und der TÜV streiten einen Interessenkonflikt ab. Auf die Vorfälle rund um die Plantage sei der Gold Standard laut einer Stellungnahme durch Zufall vor einigen Wochen gestoßen. Nun stehe eine Untersuchung an.
Zwei Millionen Tonnen CO2 gespart
Das Unternehmen hingegen weist alle Anschuldigungen zurück. Viele Mitglieder der Familie würden sich für eine nachhaltige Entwicklung einsetzen, lässt Manfred Vohrer schriftlich wissen. Die Zertifizierer seien unabhängige Dritte. Zu den Vorfällen vor Ort äußert sich der ehemalige FDP-Politiker nicht. Auch die Herbizide sind laut Global-Woods-Management legaler Bestandteil der Fortwirtschaft. "Es gibt keinen wissenschaftlichen Zusammenhang zwischen dem von uns verwendeten Pflanzenschutzmittel und dem Verenden von Kühen", verteidigt sich Mitarbeiter Matthias Baldus.
Der junge deutsche Förster arbeitet seit zehn Jahren für Global Woods. Irgendwann wolle das Unternehmen das Holz auch ernten, um es auf dem lokalen oder gar internationalen Markt zu verkaufen, sagt er. Wald ist eben ein Business.
Ursprünglich wollte Global Woods nicht nur mit dem Holz Geld verdienen, sondern vor allem Profite mit dem Verkauf von CO2-Zertifikaten machen - quasi ein Win-win-Geschäft. Umweltbewusste Unternehmen in Deutschland können sich dann mit den Zertifikaten, so genannten "Carbon Credits", ein grünes Image verschaffen. Das hat im Fall Global Woods zum Teil auch geklappt. Die Bäume, die Manfred Vohrer in Uganda gepflanzt hat, sparen laut Projektdokumentation in den 60 Jahren rund zwei Millionen Tonnen CO2 ein. Die Zertifikate erhält der Plantagenbesitzer, sobald die Bäume gepflanzt sind, und kann sie dann Stück für Stück verkaufen - auch wenn Holz entnommen wird.
Zertifikate-Preise im Keller
Gerade ist der Wert der Carbon-Papiere allerdings am Boden. Für ein CER (Certified Emission Reduction) erhält man an der Börse pro Tonne CO2 gerade mal 67 Cent. Seine Klimasünden auszugleichen ist derzeit so billig wie nie. Obwohl der Markt übersättigt ist, gibt es immer mehr CO2-Zertifikate: 4,5 Milliarden US-Dollar bezahlten Unternehmen, öffentliche Einrichtungen und Privatleute 2014 für freiwillige CO2-Kompensation, Tendenz steigend. Wenn in den nächsten Jahren mehr Unternehmen auf die Idee kommen, sich mit den Zertifikaten zu schmücken und klimaneutral zu werden, könnten die Preise wieder anziehen.
Von diesen Dimensionen ahnen die Bauern und Viehhirten des Kalangi-Dorfes nahe der Kikonda-Plantage nichts. Lawrence Kamonyo und seine Frau Jolly Kemirembe leben vielmehr in Angst, seit ein Mitarbeiter von Vohrer ihre Kinder verprügelte und ihr Haus zerstörte. Eine Entschuldigung oder Kompensation erhielten sie nach eigenen Aussagen von der Firma noch nicht. Global Woods gibt an, dass das "Gespräche über eine Wiedergutmachung" noch nicht abgeschlossen seien. Der Vorfall ist nun schon fast drei Jahre alt.
Die Landrechte sind übrigens nicht endgültig geklärt. Genauso wie Global Woods hat auch Kamonyo einen Pachtvertrag in der Schublade. Das Land wurde offensichtlich zweimal verpachtet, das behaupten zumindest die Bauern. Doch Global Woods sitzt am längeren Hebel: Deren Security lässt Farmer wie Kamonyo regelmäßig von der Polizei festnehmen. Denn Landwirtschaft und Viehwirtschaft innerhalb eines "Forest Reserve" seien laut ugandischen Gesetzen nicht erlaubt, wie Global-Woods-Mitarbeiter Baldus erklärt.
Hinweis: Die Arbeit der Autorin wurde mit einem Stipendium vomNetzwerk Recherche unterstützt.
Zusammengefasst: In Uganda forstet eine deutsche Firma Wald auf. Doch das Projekt ist umstritten. Denn für die Flächen müssen Bauern, die in der Region leben, ihre Hütten verlassen und werden zwangsweise umgesiedelt. Zudem bieten die neu entstandenen Plantagen kaum Lebensraum für Tiere.