Umstrittene Gasförderung Neue Studie gibt Entwarnung für Fracking

Fracking-Bohranlage in Pennsylvania: Ist die Methode weniger gefährlich als gedacht?
Foto: SPENCER PLATT/ AFPEs war kein leichter Job für Charles Groat und Danny Reible. Bei Jahrestreffen des weltgrößten Forscherverbands AAAS, das derzeit im kanadischen Vancouver stattfindet, hockten die beiden Forscher der University of Texas Seite an Seite auf dem Podium. Vor ihnen saßen Dutzende Vertreter von Presse und Umweltverbänden - und nicht wenige von ihnen schienen nicht recht wahrhaben zu wollen, was die beiden Wissenschaftler da von sich gaben: Fracking, eine äußerst umstrittene Methode der Erdgasförderung, sei weit weniger gefährlich als bisher angenommen. Das zumindest ist das Ergebnis einer umfangreichen Untersuchung unter Groats Leitung.
Woher denn das Geld für die Studie gekommen sei, wollte einer der anwesenden Journalisten wissen. Etwa von Energiekonzernen? Nein, sagte Groat: Die Untersuchung sei allein von der University of Texas finanziert worden. Anschließend musste er gar erklären, woher das Geld für die Universität und das von ihm geleitete Energieinstitut stammt - um dann zu betonen, dass man die Diskussionen mit der Industrie über die Studie schon in einem frühen Stadium beendet habe. Erst damit schienen die Zweifel an der Unabhängigkeit der Untersuchung ausgeräumt.
Das Medienverhör passt zum verheerenden Image des Frackings in der Öffentlichkeit. Die 414 Seiten starke Studie beleuchtet nicht nur die Fördermethode selbst, sondern auch die Berichterstattung durch 13 amerikanische Zeitungen, 26 Rundfunkmedien und eine Website. Das Ergebnis: Nationale Medien bewerteten Fracking in zwei Dritteln aller Berichte negativ, bei lokalen Medien waren es gar drei Viertel. Und: Nur 15 bis 25 Prozent aller Radio-, Zeitungs- und TV-Berichte hätten sich auf wissenschaftliche Ergebnisse gestützt.
Kritik an radikaler Methode
Angesichts der radikal anmutenden Methode des Fracking (kurz für Hydraulic Fracturing) überrascht die Kritik zunächst nicht. Große Mengen Wasser, vermischt mit Sand und teils giftigen Chemikalien, werden tief ins Erdreich gepresst, um Gesteinsschichten aufzubrechen und das darin gefangene Gas zu lösen. Die Technik selbst ist schon Jahrzehnte alt, erlebt seit einigen Jahren aber einen Boom. Auch in Deutschland wollen Energiekonzerne den Einsatz der Fracking-Methode künftig stark ausweiten. Schon grassieren Ängste vor Umweltschäden: Gas gelange in die Luft und ins Trinkwasser, das überdies mit den Chemikalien aus der Bohrflüssigkeit kontaminiert werde.
Groat und seine Kollegen sind nun angetreten, "Fakten von Fiktion zu trennen", wie sie selbst sagen, und haben die vorhandene Datenlage umfangreich analysiert. Die Existenz der vielfach berichteten Umweltzerstörungen stellen sie am Ende nicht in Frage: "Es gibt durchaus Grund zur Sorge", betont Reible, der an der Studie nicht direkt beteiligt war. Doch verantwortlich dafür sei nicht die Fracking-Technik selbst. "Die meisten der beobachteten Probleme treten in ähnlicher oder sogar identischer Form auch bei konventionellen Fördermethoden auf ", erklärt Groat. Man habe keine Hinweise gefunden, dass Umweltschäden beim Fracking häufiger auftreten.
Im Mittelpunkt der Ängste steht die Kontaminierung von Trinkwasser mit Chemikalien und Gas. Die Forscher haben entsprechende Berichte aus drei Fracking-Gebieten analysiert. Dabei habe man "keine direkte Verbindung" zwischen Grundwasser-Kontaminierung und Fracking feststellen können, so das Fazit. Das widerspricht früheren Studien, bei denen etwa erhöhte Mengen an Methangas im Grundwasser aus Fracking-Gebieten gefunden wurden.
Fracking-Methode selbst keine Gefahr
Zwar sei es beim Fracking zu Umweltschäden gekommen, erklären Groat und seine Kollegen - aber nicht, weil die Technik selbst unsicher sei, sondern weil man bei den Bohrungen geschlampt und Vorschriften missachtet habe. Viele Fälle von Grundwasserverschmutzung habe man auf Abwasserlecks an der Oberfläche zurückführen können. In anderen Fällen sei denkbar, dass der Betonmantel des Bohrlochs gebrochen und auf diese Weise Bohrflüssigkeit ins Grundwasser gelangt sei.
Gehe bei der Bohrung aber alles glatt, bestehe für das Trinkwasser wahrscheinlich keine Gefahr, sagt Umweltgesundheitsexperte Reible. Beim Fracking wird die Hydraulikflüssigkeit kilometertief in die Erde gepumpt - weitab jener Schichten, aus denen Trinkwasser gewonnen wird. Auch Energiekonzerne haben bisher immer wieder argumentiert, dass Hunderte Meter undurchdringliches Gestein zwischen diesen Schichten liegen. Eine Kontaminierung des Trinkwassers sei damit ausgeschlossen.
Die Studie aus Texas scheint diese Argumentation zu stärken. Dennoch betonen Groat und Reible, dass noch viele Fragen unbeantwortet seien - etwa die nach den Langzeitfolgen des Frackings. Auch andere Forscher hatten bereits davor gewarnt, dass die mit giftigen und krebserregenden Substanzen versetzte Bohrflüssigkeit lange Zeit in den tiefen Gesteinsschichten verbleibe. "Was damit passiert, ist nur wenig erforscht", sagt Bernhard Cramer von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. Da das Fracking erst seit einigen Jahrzehnten angewendet werde, fehlten Erfahrungen, was langfristig mit der Flüssigkeit passiere. Gehe beim Fracking etwas schief, könne die Flüssigkeit bis in wasserdurchlässige Sandsteinschichten gelangen. "Von dort kann sie sich, wenn auch sehr langsam, im Untergrund weiterbewegen", meint Cramer.
Hoffnung auf Energie-Revolution
Groat glaubt, dass Abwasser-Freisetzungen an der Oberfläche die weit größere Gefahr für das Grundwasser seien. Problematisch seien dabei vor allem die Substanzen, die durch das Bohrwasser aus den tiefen Gesteinsschichten herausgelöst werden. "Das kann manchmal ganz schön hässlich sein", meint Groat. Zu untersuchen, was diese Stoffe an der Oberfläche anrichten könnten, "ist mindestens so wichtig wie die Kontrolle der Chemikalien im Bohrwasser selbst".
Groat und Reible betonten zugleich die Chancen des Frackings, sofern die Vorschriften beachtet würden. Durch das Recycling des Bohrwassers könne der Wasserverbrauch in Zukunft deutlich gesenkt werden, meint Groat. Für die Stromproduktion, die chemische Industrie und private Haushalte habe das durch Fracking gewonnene Gas großes Potential. Auf globaler Ebene könne die Methode gar zu einer "Revolution, und zwar zu einer guten" führen - weil eine Reihe von Ländern dank Fracking ihr eigenes Gas gewinnen und von Lieferungen etwa aus Russland unabhängig werden könnten.
Natürlich werde es dann immer noch negative Folgen für die Umwelt geben, betont Groat, "Das Gas ist kein perfekter Brennstoff, aber er ist besser als einige, die wir bisher hatten." Reible sieht das ähnlich: "Noch vor zwei Jahren waren in Texas elf neue Kohlekraftwerke geplant. Ich bezweifle, dass jetzt noch ein einziges davon gebaut wird."