Uno-Weltklimakonferenz in Bonn Deutschland verzagt, USA überraschen, Türkei blamiert

In Bonn einigten sich Vertreter aller 200 teilnehmenden Länder auf eine provisorische Gebrauchsanweisung für den Klimavertrag. Zuletzt rangen sie um einen Fonds, der armen Ländern unkomplizierte Zahlungen gewährt.
"Wir sind noch dabei": Symbol der Freiheitsstatue in Bonn als Zeichen des klimapolitischen Widerstands gegen die US-Regierung

"Wir sind noch dabei": Symbol der Freiheitsstatue in Bonn als Zeichen des klimapolitischen Widerstands gegen die US-Regierung

Foto: PATRIK STOLLARZ/ AFP

Am Ende hing es am Wort "other", also "andere". "Andere Finanzquellen" für den Klimaschutz sollten im neuen Regelwerk des Welt-Klimavertrags Erwähnung finden, so hatten es Delegierte der Staatengemeinschaft ausgehandelt.

Doch tief in der Nacht zum Samstag erhob Saudi Arabien Einspruch.

Mit "andere Finanzquellen" könnten schließlich Steuern auf Treibstoff gemeint sein, unkten die Delegierten des Erdöl-Staates - und blockierten die Verabschiedung des neuen Arbeitspapiers, eine Art vorläufige Gebrauchsanweisung des Welt-Klimavertrags.

Schließlich strichen die übermüdeten und genervten Delegierten die Formulierung, schrieben stattdessen "Finanzquellen können bestimmt" werden, und bald darauf, am frühen Samstagvormittag, konnte das neue Klima-Dokument in Bonn endlich unter Beifall von Vertretern aller Staaten beschlossen werden.

Lesen Sie hier die wichtigsten Ergebnisse und Geschehnisse der Weltklimakonferenz in Bonn:

Gebrauchsanweisung mit Überlänge

Die wichtigste Aufgabe der Bonner Verhandlungen war es, Regeln für den Welt-Klimavertrag von Paris zu präzisieren. Das Abkommen legt fest, dass sich die Staaten zur Eindämmung ihrer Abgase verpflichten - auf welche Weise die Ambitionen aber überprüft und verbessert werden sollen, ist offen. Anstrengungen der Industrieländer bis 2020, dem Jahr des Inkrafttretens des Pariser Klimavertrags, sollen besonders im Fokus stehen. Deutschland dürfte seine Klimaziele für 2020 verfehlen .

In Bonn haben die Delegierten sämtliche Vorschläge aufgenommen, sie widersprechen sich teils, - die Gebrauchsanweisung für den Klimavertrag ist auf mehr als 200 Seiten angeschwollen.

Besonders strittig ist das Thema "Minderung" ("Mitigation"): Wie unterschiedlich sollen die Verpflichtungen zur Eindämmung des Abgasausstoßes für die verschiedenen Länder sein?

Die Delegierten in Bonn folgten schließlich der bewährten Strategie, die zum Klimavertrag von Paris führte: Erst alle Vorschläge sammeln, dann im folgenden Jahr zusätzliche Konferenzen einberufen - um im nächsten Winter die Einigung zu erzielen.

Als Erfolg wurde die Einigung auf den sogenannten Talanoa-Dialog gewertet. Unter dem Vorsitz des Konferenzvorsitzenden Fidschi und seines Nachfolgers Polen soll dabei eine Zwischenbilanz zur Wirkung der derzeitigen Klimaschutzzusagen im Rahmen des Pariser Abkommens gezogen werden - um dann über weiterreichende Maßnahmen zu beraten. Ebenfalls ein Erfolg der fidschianischen Präsidentschaft ist die Einigung, bei den kommenden beiden Weltklimakonferenzen die Klimaschutzanstrengungen bis 2020 gesondert in den Blick zu nehmen.

Geld

"Der Egoismus der Mächtigen ist ein Gift, das die Erde krank macht", hatte Venezuelas Minister für Ökologie ins Bonner Konferenzplenum gerufen - und verband seine Wutrede in gewohnter Manier mit Geldforderungen.

Armen Staaten wollen quasi Blankoschecks - "als Wiedergutmachung für den Klimawandel", wie ihre Vertreter in emotionalen Reden auch in Bonn forderten.

Als Kompromiss hat Deutschland Klima-Versicherungen initiiert: Sie sollen umgehende Hilfe bei Wetterkatastrophen ermöglichen und beispielsweise verhindern, dass Menschen in Not ihr Vieh oder Saatgut verkaufen und damit ihre Lebensgrundlage zerstören.

Foto: David Gray/ REUTERS
Foto: imago
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Uno-Gipfel:Alles zur Weltklimakonferenz in Bonn

Außerdem können arme Länder Hilfen aus Fonds erhalten. Um den "Anpassungsfonds", der unkomplizierte Auszahlungen gewährt, wurde in Bonn bis zum Ende gerungen.

Noch in der letzten Nacht beschäftigte die Delegierten auch, wie weit im Voraus Klima-Finanzhilfen an Entwicklungsländer zugesagt werden müssen - Entwicklungsländer sehen eine große Lücke zwischen Versprechungen und tatsächlichem Geldfluss.

"Die Industrieländer haben zwei Wochen gemauert und verhindert, den Finanzierungsfragen im Umgang mit Verlusten und Schäden infolge des Klimawandels auf kommenden Konferenzen den nötigen Raum zu geben", kritisiert Jan Kowalzig von der Hilfsorganisation Oxfam.

Der Klima-Messias

Er werde einspringen für die Finanzierungslücke, die die USA mit ihrem Rückzug gerissen hätten. Und er werde mit seinem Land aus der Kohleenergie aussteigen. Der französische Präsident Emmanuel Macron begeisterte die 30.000 "Vertreter der Zivilgesellschaft", zumeist Umweltaktivsten, die als Beobachter am Klimagipfel teilnahmen.

Dass es nur um eine einstellige Millionenzahlung geht, mit der er einspringen will, und dass Frankreich kaum Kohlekraftwerke, aber dafür Dutzende Atomkraftwerke betreibt, - geschenkt, ein neuer Klima-Messias war geboren. Für den 12. Dezember hat Macron zu einem eintägigen Klimafinanzierungsgipfel nach Paris geladen - the show must go on.

Der Bonsai-Ausstieg

Zusammen mit Frankreich sind 17 weitere Länder aus der Kohleenergie ausgestiegen während des Klimagipfels. Darunter pazifische Inselstaaten, auf denen nie ein Kohlekraftwerk stand. Kanada und Großbritannien initiierten den Massenverzicht auf die schmutzige Energie. Es sind zwar nur drei Prozent der Kohlekraftwerke der Welt betroffen, dennoch war es die größte Nachricht vom Klimagipfel.

Die doppelte USA

Die Delegation der USA auf der Klimatagung war in einer skurrilen Lage: Sie hatte vor zwei Jahren entscheidend dazu beigetragen, den Welt-Klimavertrag auszuhandeln. Jetzt mussten dieselben Leute die neue Regierung von Präsident Donald Trump vertreten, der den Austritt der USA aus dem Weltklimavertrag beschlossen hat.

Die Delegierten hätten "etwas verloren" gewirkt, sagten ihre Kollegen anderer Länder. Nicht mehr führend wie früher seien die Amerikaner gewesen, aber immerhin konstruktiv.

Selbst Umweltverbände zeigten sich beeindruckt. Angesichts der Klimapolitik der USA hatten sie den Negativpreis "Fossil of the Day" eigentlich schon am ersten Tag an die USA geben wollen. "Doch angesichts der konstruktiven Verhandler fehlte die Motivation dafür", erzählt Ann-Kathrin Schneider, Klimareferentin beim Umweltverband BUND.

Eine zweite, inoffizielle Delegation der USA, angeführt vom kalifornischen Gouverneur Jerry Brown, proklamierte auf der Tagung: "We are still in" - "Wir sind noch dabei". Bundesstaaten und Städte der USA wollen einspringen und die Klimaziele der USA trotz Trump-Regierung erreichen.

Chinas Scheitern

Die USA wollen raus aus dem Klimavertrag, deshalb hatte China vor der Konferenz seine neue Führungsrolle reklamiert: Einen "Plan zur Brückenbildung" hatte es angekündigt - gemeint war die Verständigung von armen und reichen Ländern: Die Klimaverhandlungen fußten von Anfang an auf der Trennung der Welt in Industrieländer, die den Klimawandel wesentlich verantworten, und Entwicklungsländer.

Seit aber China, Indien und andere Staaten ebenfalls riesige Mengen Treibhausgase produzieren, gibt es Streit: Inwieweit müssen auch die Schwellenländer in die Pflicht genommen werden?

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China baute in Bonn keine Brücken, sondern Einbahnstraßen: Druck gab es einzig in Richtung der Industrieländer - insbesondere, die finanziellen Hilfen für arme Länder aufzustocken.

Gestritten wurde zum Beispiel um die Formulierung "equaty principles" - der Vertrag fordert an mancher Stellen die Behandlung der Staaten nach "fairen Prinzipien". Die Industrienationen lesen daraus, dass von Fall zu Fall unterschieden werden muss. Die armen Länder verstehen darunter, dass sie grundsätzlich Vorteile genießen - und China unterstützte sie.

"Es bleibt dabei: Die Ausbalancierung von Entwicklungsländern und Industrieländern bleibt die strukturelle Hürde bei der Umsetzung des Klimaabkommens", bilanziert der Klimapolitik-Experte Reimund Schwarze vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ.

Deutschlands Dilemma

Der Ausstieg mancher Länder aus der Kohle während der Klimatagung brachte Deutschland in eine ungewohnte Situation: Lange als Energiewunderland gefeiert, musste es auf einmal seine Abhängigkeit von Kohlekraft rechtfertigen. Die deutsche Delegation hielt sich ungewöhnlich zurück, wirkte verglichen mit früheren Auftritten geradezu schüchtern.

"Die Kritik an Deutschland sollte an den Verhandlern der Jamaikakoalition in Berlin nicht spurlos vorbeigehen", mahnte Umweltministerin Barbara Hendricks in Bonn. Sie sei zuversichtlich, dass die neue Bundesregierung einen Plan für einen Kohleausstieg vorlegen werde.

Die Türkei-Blamage

Die Türkei hat alle gegen sich aufgebracht: Lange war es dem Land wichtig, bei Industrieländern mit am Tisch zu sitzen. Dann registrierte die türkische Regierung, dass ihr damit der Zugang zu Fördertöpfen entgeht.

In Bonn mühten sich ihre Delegierten um Zugang zu den Geldquellen - und stießen auf massiven Widerstand, besonders bei Entwicklungsländern. Deutschland sollte vermitteln, doch erklärte schließlich Freitagnacht im Plenum: "Es hat nicht geklappt".

Der türkische Vertretung antwortete: "Wir werden es wieder versuchen, nächstes Mal."

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