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Werte in der Wildnis: Wo Geologen große Metallvorkommen vermuten

Foto: Ivan Alvarado/ REUTERS

Unentdeckte Rohstoff-Regionen Forscher schreiben neue Schatzkarte der Erde

Vorstoß ins Unbekannte: Neben Afghanistan versprechen auch andere kaum erkundete Regionen gigantische Metallvorkommen. Geologen planen schon den Abbau von Schätzen, die noch gar nicht entdeckt sind. SPIEGEL ONLINE zeigt den neuen Atlas der Bodenschätze - in dem auch die Alpen ihren Platz finden.

Südaustralien? Ein weißer Fleck. Leer. Uninteressant.

Es ist gerade mal vier Jahrzehnte her, dass das heute so wichtige Rohstoffgebiet auf geologischen Karten als Zone ohne Bodenschätze erschien. Es gab keine Anhaltspunkte für Reserven unter der Erde. Bis Geologen dort zufällig eine der größten Kupferlagerstätten der Welt entdeckten - eine Sensation für die Region, und eine riesige wirtschaftliche Chance. Heute siedeln in der einstigen Wildnis Tausende Menschen rund um die Mine Olympic Dam.

Die Geschichte des Kupferreservoirs zeigt, wie rasch selbst entlegene Regionen zu industriellen Rohstoffzentren werden können. Wo lauert die nächste Entdeckung?

Um Antworten auf diese Frage zu finden, werten Geologen ständig Luftaufnahmen und die spärlichen Bodendaten aus der Wildnis aus. Die Bestimmung des Gesteins und die Rekonstruktion der geologischen Geschichte erlauben, Metallvorkommen im Untergrund abzuschätzen. Gerade haben die Erkenntnisse solcher Forschung Aufsehen erregt - ausgerechnet im geschundenen Afghanistan wollen US-Wissenschaftler Metalle im Multimilliardenwert entdeckt haben. In der Aufregung über die Fundnachricht ging unter, dass der Geologische Dienst der US-Regierung (USGS) auch anderen kaum erkundeten Regionen Hoffnung auf große Metallfunde macht. Sie liegen

  • in Zentralafrika,
  • im Nordosten Sibiriens,
  • in Brasilien,
  • China,
  • Südgrönland,
  • der Antarktis und
  • im Hochgebirge Europas - den Alpen.

Eine neue Schatzkarte der Erde entsteht (siehe Fotostrecke). Unter Geologen herrscht derzeit geradezu Goldgräberstimmung - wie euphorische Abenteurer tauschen sie ihre Daten aus. Von einem "dramatischen Aufschwung der Rohstofferkundungen" schwärmen die Fachleute.

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Werte in der Wildnis: Wo Geologen große Metallvorkommen vermuten

Foto: Ivan Alvarado/ REUTERS

Die Wissenschaftler nehmen riesige Landstriche ins Visier, die bisher kaum nach Metallen erkundet wurden. In Kanada herrscht mittlerweile gar akuter Mangel an Bergbauexperten. Mitarbeiter würden mitunter "direkt auf dem Firmenparkplatz der Konkurrenz" abgeworben, berichten Insider.

Steigende Nachfrage stachelt die Suche nach neuen Lagerstätten an. Bei allen Metallen sei der Bedarf in den vergangenen Jahren gestiegen, sagt Jens Gutzmer von der Bergakademie Freiberg. Norbert Schächter von der Vereinigung Rohstoffe und Bergbau sieht als Ursache den "Rohstoffhunger von China, Indien und Brasilien". Denn für fast alle Konsumartikel werden Metalle und Halbmetalle benötigt (siehe Fotostrecke oben). Computer und Stereoanlagen zum Beispiel bestehen unter anderem aus Gold, Silizium, Nickel, Zink und Eisen. In einem Mittelklassewagen werden verbaut: gut 100 Kilogramm Aluminium, 20 Kilogramm Kupfer, 20 Kilogramm Silizium, 10 Kilogramm Zink und mehr als 30 andere Metalle.

Dazu kommt, dass viele alte Lagerstätten nach Jahrtausenden der Förderung arg geschröpft sind. Regelmäßig wird gewarnt, Metalle könnten bald zur Neige gehen - das allerdings ist in der Gesamtperspektive "Quatsch", wie es Neil Williams vom Geologischen Dienst Australiens ausdrückt. Die Metallvorräte würden auf absehbare Zeit reichen. "Kein mineralischer Rohstoff ist von geologischer Knappheit bedroht", sagt auch Harald Elsner von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR). Diese Einschätzung teilten die Fachleute vieler Länder. Knappheit entsteht aus ihrer Sicht vor allem durch soziale Konflikte, Abbaumängel oder Transportengpässe.

Forscher brechen mit Urregel des Bergbaus

Dass sich die Fachleute in ihrem Urteil so sicher sind, liegt auch an den prognostizierten neuen Reserven - um allerdings diese Lagerstätten auszumachen, mussten die Experten mit einer Urregel des Bergbaus brechen. Diese Regel fordert, dort nach Rohstoffen zu suchen, wo schon welche gefunden wurden. "Wenn du Elefanten jagen willst, geh ins Elefantenland", sagen Geologen. Das stimmt so nicht mehr.

Inzwischen haben die Forscher eher Hoffnung, dass in den bisher verschonten Regionen riesige Schätze liegen. Sie empfehlen die Erschließung von Lagerstätten, die noch gar nicht entdeckt sind.

Geoforscher glauben zum Beispiel, dass im schwer zugänglichen Untergrund von Zentralafrika die erstarrten Ausflüsse urzeitlicher Vulkane stecken. Solches Gestein berge üblicherweise jede Menge Kupfer und Gold, sagt Bergbauexperte Gutzmer. Bernd Lehmann, Rohstoffexperte an der Technischen Universität Clausthal-Zellerfeld, vermutet große Mengen Metalle womöglich in Ruanda, Burundi, Uganda, Sambia und im Kongo.

Nordostsibirien gilt der USGS als hoffnungsvolles Ziel für Schatzsucher, weil sich in der Erde quasi ein Maschinenraum für die Goldproduktion befindet: Die Pazifische Erdplatte ruckelt dort unter den asiatischen Kontinent. Die mächtige Gesteinsplatte wird in der Tiefe ausgequetscht, Wasser steigt auf, es wirkt in der Hitze der Unterwelt auf darüberliegendes Gestein wie Weichspüler. Der Boden schmilzt zu Magma - in dem sich mit der Zeit Metalle wie Gold, Silber und Kupfer anreichern. In Vulkanen gelangen die Schätze an die Oberfläche. "Große Goldvorkommen" seien im felsigen Boden Sibiriens zu vermuten, sagt Lehmann.

Auch in Grönland könnte der Rückgang von Gletschern "interessantes Gestein" mit hohem Goldgehalt freilegen, sagt Richard Goldfarb vom USGS. Sein Kollege Lehmann vermutet dort außerdem ansehnliche Mengen Diamanten.

Selbst das Hochgebirge Europas steht im Fokus des USGS. In den Alpen haben schon die Alten Römer Gold abgebaut - und "mit moderner Explorationstechnik muss da noch was zu finden sein", sagt Geologe Bernd Lehmann. Vielversprechend sei auch die östliche Verlängerung der Alpen, der Kaukasus.

Die größten Schätze aber verbergen sich wohl auf dem siebten Kontinent - der Antarktis. Dort erwartet Lehmann "das ganze Spektrum an Lagerstätten, das von den anderen Kontinenten bekannt ist". Nur sind sie einstweilen unantastbar. Bergbau unter dem vier Kilometer dicken Eispanzer erscheint auf absehbare Zeit unmöglich.

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