Uno-Bericht Bienensterben wird zum globalen Problem

Tote Bienen (in Freiburg, 2008): "In Konsequenzen und Dimension unterschätzt"
Foto: Patrick Seeger/ picture-alliance/ dpaNairobi - Mit ihrem Hunger helfen sie dabei, den zu stillen. Weil auf Eiweiß angewiesen sind, tragen sie - sozusagen nebenbei - Pollen von Pflanze zu Pflanze. Als Bestäuber sichern die kleinen damit das Überleben von Wild- und Kulturpflanzen - und damit unsere Nahrungsgrundlage. Doch seit Jahren leiden die Bienenvölker, vor allem Europa und Nordamerika wurden von einem großflächigen Bienensterben heimgesucht.
Ein neuer Bericht des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (Unep) zeigt nun, dass die Angelegenheit zum globalen Problem wird. Fälle von Bienensterben gibt es nämlich auch in Japan, China und Ägypten. Damit wären mit Asien und Afrika zwei weitere Kontinente betroffen. In Ägypten handelt es sich offenbar noch um isolierte Fälle, die vor allem entlang des Nils beobachtet wurden. In Japan ist dagegen dem Bericht zufolge jede vierte Bienenkolonie von einem Massensterben betroffen. Auch in China seien die Probleme großflächig aufgetreten, berichtet das Uno-Umweltprogramm.
"Das Bienensterben wird in seinen Konsequenzen und in seiner Dimension unterschätzt", sagt der Bienenforscher Jürgen Tautz von der Universität Würzburg im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. "Bei den Bienen passiert weltweit etwas, das wir kaum verstehen."
Die Gründe für das Sterben der Insekten sind tatsächlich vielfältig, in der Summe ergibt sich aber ein dramatisches Bild. Stelle die Menschheit ihre Bewirtschaftung der Erde nicht nachhaltig um, dann werde sich die Situation der Bienen weiter verschlechtern, so das Fazit des Unep-Berichts " Global Bee Colony Disorders and other Threats to Insect Pollinators ".
Die Folgen wären dann dramatisch, warnte Unep-Chef Achim Steiner bei der Vorstellung des Papiers. Von den wichtigsten 100 Nutzpflanzen der Welt würden nämlich mehr als 70 durch Bienen bestäubt. Die Arten seien für etwa 90 Prozent der gesamten Nahrungsproduktion der Welt verantwortlich. Die Menschheit habe die Illusion verbreitet, im 21. Jahrhundert durch technischen Fortschritt unabhängig von der Natur zu sein. Die Bienen zeigten jedoch, wie wir "mehr, und nicht weniger" von den Dienstleistungen der Natur abhängig seien, sagte Steiner. Klar ist: Ohne Bienen könnten massive Engpässe bei der Nahrungsmittelproduktion drohen.
Offenbar sind gleich mehrere Faktoren für das Sterben der Insekten verantwortlich, auch in Kombination miteinander:
- Schädlinge breiten sich schneller aus als bisher. Neue Arten gefährlicher Pilze, Milben und Viren reisen durch den internationalen Handel um den gesamten Globus. Die Schädlinge sind tödlich für Bienen und andere Bestäuber.
- In der werden immer mehr für die Bienen gefährliche Stoffe eingesetzt. Dazu gehören systemische Insektizide und chemische Schutzüberzüge für Saatgut. Schwierig ist vor allem, dass manche der Substanzen in Kombination noch stärker toxisch wirken können.
- Vielen Bienenarten gehen die Nahrungsgrundlagen teilweise verloren. Zur Versorgung ihrer Larven braucht jede Art eine ganze Reihe von verschiedenen Pflanzen. Weil aber bis zu 20.000 Arten von Blühpflanzen nach Schätzungen des Berichts in den kommenden Jahrzehnten verschwinden könnten, ergeben sich Probleme. So kann zum Beispiel das Immunsystem des Nachwuchses geschwächt und damit leichter zum Ziel von Schädlingen werden.
- Luftverschmutzung könnte die Fähigkeit der Bienen beeinträchtigen, für sie attraktive Nahrung wahrzunehmen. Während im 19. Jahrhundert Gerüche von einer Pflanze bis zu 800 Meter ausströmten, sind es heute oft nur 200 Meter.
- Der könnte die Probleme weiter verstärken, unter anderem weil sich die Blühzeiten und die Niederschlagsverteilungen ändern. Auch dadurch könnte sich das Pollenangebot verändern - unter Umständen zum Nachteil der Bienen.
"Mit Sicherheit spielen auch noch unbekannte Faktoren eine Rolle", sagt Forscher Tautz. Uns so müssen auch Strategien zum Schutz der Bienen sehr komplex sein. So schlagen die Autoren des Berichts Prämien für Bauern vor, die bienenfreundliche Kulturen anlegen. Das bedeutet zum Beispiel, dass gezielt Blütenpflanzen am Rand von Nutzpflanzenfeldern positioniert werden. Außerdem sollten Insektizide und andere Agrarchemikalien vorsichtiger eingesetzt werden.
Vor allem müssen Wissenschaftler aber noch mehr zu den Ursachen des Massensterbens herausfinden. Für den Extremfall schlägt Jürgen Tautz außerdem die Einrichtung eines riesigen Bienenschutzgebietes vor. Darin sollten sich die Insekten frei entwickeln können - und so die besten Gegenmaßnahmen zu ihrem eigenen Schutz entwickeln. Im Zweifelsfall sei nur so das Überleben der Bienen zu sichern. Wo sich solch ein Schutzgebiet befinden könnte, weiß der Forscher noch nicht. Die Umwelt müsste noch weitgehend intakt sein, außerdem sollte es viel Platz geben: "Es müsste schon ein Gebiet von der Größe eines mittleren deutschen Bundeslandes sein."