Uno-Prognose Meeresanstieg bedroht dicht besiedelte Küsten
Es wird wärmer auf der Erde - daran zweifelt mittlerweile kaum noch ein ernstzunehmender Wissenschaftler. Eine der direkten Folgen: Der Meeresspiegel wird steigen. Der Effekt ist bekannt, doch wie stark werden die Pegel nach oben gehen?
Laut dem heute in Paris vorgestellten IPCC-Bericht steigt der Wasserstand bis 2100 im angenehmsten Szenario je nach Weltregion um 19 bis 37 Zentimeter, im schlimmsten Fall um 26 bis 59 Zentimeter. Neben dem Meereis geht auch das Festlandeis Grönlands und der Antarktis zurück: Die Schmelze und Gletscherabbrüche tragen 0,4 Millimeter pro Jahr zum Anstieg des Meeresspiegels bei.
Die IPCC-Forscher berichten außerdem, dass der Meeresspiegel seit 1993 durchschnittlich um etwa drei Millimeter pro Jahr gestiegen ist - und im gesamten 20. Jahrhundert um 17 Zentimeter. Der prognostizierte Anstiegs bis 2100 liegt im Detail an folgenden Faktoren:
- Gut die Hälfte (je nach Szenario und Weltregion bis zu 28 Zentimeter) geht allein auf die thermische Ausdehnung des Ozeans zurück. Bei steigenden Temperaturen erhöht sich das Volumen einer fixierten Flüssigkeitsmenge, die Dichte sinkt - anders gesagt: Das Meer dehnt sich aus.
- Gut 25 Prozent der Pegelerhöhung gehen auf das Abschmelzen der Gebirgsgletscher zurück.
- Für rund 15 Prozent des Meeresspiegel-Anstiegs ist das Abschmelzen der Eisschilde verantwortlich - die restlichen Werte gehen auf andere Effekte zurück.
Der globale Pegelanstieg überlagert sich mit Änderungen der Ozeanzirkulation, die sich sowohl positiv als auch negativ auswirken können. Im östlichen Nordatlantik ergibt sich dadurch ein zusätzlicher Anstieg um 20 Zentimeter - das heißt: In der Nordsee führen thermische Ausdehnung und Zirkulationsänderungen zusammengenommen zu einem Anstieg von etwa einem halben Meter. Dazu kommt noch das geschmolzene Eis, das etwa acht Zentimetern ausmachen soll.
Eis, das im Meer schwimmt und schmilzt, beeinflusst den Pegel übrigens nicht. Denn es hat ja schon genau die Menge Wasser verdrängt, die seiner Masse entspricht. Beim Auftauen ändert sich somit nichts. Nur schmelzendes Eis auf dem Festland erhöht das Niveau, weil zusätzliches Wasser in die Ozeane fließt - zum Beispiel bei den Gletschern auf Grönland.
Die Veränderung des Meeresspiegels ist regional sehr verschieden, glauben die Wissenschaftler. Sie reichen von einer geringen Abnahme auf der Südhalbkugel bis zu einem Anstieg, der örtlich womöglich mehr als einen Meter betragen kann.
Sintflut auf dem Bildschirm
Wissenschaftler wie Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, halten die IPCC-Prognose zum Meeressiegel allerdings für zu vorsichtig. Die Wasserstände könnten bis 2100 um bis zu zwei Meter steigen, falls nicht weltweit drastische Klimaschutzmaßnahmen ergriffen werden, sagte er der "Frankfurter Rundschau". "Das wäre für eine Insel wie Sylt fatal." Sie zu erhalten, wäre unter solchen Bedingungen zu teuer und unsinnig. Hamburg bräuchte dann neue Sperrwerke, um das Wasser fernzuhalten.
Welche Folgen veränderte Pegelstände vor allem für Küstenregionen haben, zeigt die Software Flood des Engländers Andrew Tingle. Er hat die Höhenlinien aus einem frei verfügbaren Höhen-Datensatz der US-Raumfahrtbehörde Nasa (in dem das Relief der gesamten Erde beschrieben ist) über die Landkarten von Google Maps gelegt. Mit Flood lässt sich zeigen, wie die Weltkarte aussähe, wenn das Meeresniveau steigt.
In Meterschritten kann jeder die Küstengebiete der Welt simuliert überfluten lassen - am Bildschirm, digital. Das Programm geht zwar nicht auf lokale Besonderheiten ein und berücksichtigt auch nicht die Flutschutzmaßnahmen der Meeresanrainer. Dennoch dürfte das Google-Mashup viele Bewohner küstennaher Gebiete verblüffen angesichts der Tatsache, wie knapp sie oberhalb des Meeresspiegels wohnen.
hda