Emissionshandel Uno vermittelt offenbar unwirksame CO₂-Zertifikate

In einem Onlineshop der Uno können Firmen günstig ihre CO₂-Emissionen ausgleichen. Laut Medienberichten helfen die vermittelten Projekte dem Klima allerdings weniger als vorgegeben.
Ablass für den CO₂-Ausstoß: Viele Zertifikate halten dieses Versprechen nicht

Ablass für den CO₂-Ausstoß: Viele Zertifikate halten dieses Versprechen nicht

Foto: Jan Woitas / picture alliance / dpa

Die Vereinten Nationen (Uno) vermitteln einem Bericht zufolge teils unwirksame CO₂-Zertifikate. Diese schützten das Klima nicht, berichtet die Zeitung »Wirtschaftswoche«  über eine gemeinsame Recherche mit dem Onlinemagazin »Flip«.

Die Uno betreibe eine Internetseite für CO₂-Zertifikate , heißt es. In Form eines Onlineshops könnten Verbraucher und Unternehmen dort besonders kostengünstig Emissionen ausgleichen – teilweise für wenige Cent pro Tonne CO₂. Dies sei ein Bruchteil der üblichen Kosten von mehreren Euros pro Tonne.

Die Idee hinter den CO₂-Zertifikaten gleicht einer Art Ablasshandel und ist zu einem großen Geschäft geworden. Ein Zertifikat wird ausgewiesen, wenn irgendwo auf der Welt CO₂ einspart wird – zum Beispiel durch Projekte, die Wälder schützen oder Solaranlagen installieren. Jedes Zertifikat entspricht einer eingesparten Tonne CO₂. Unternehmen können diese Zertifikate kaufen und so ihre Emissionen kompensieren, ohne sie selbst zu reduzieren. Ihre Produkte dürfen sie dann werbewirksam als »klimaneutral« bezeichnen.

»Trotzdem trägt das alles das Uno-Siegel, ich halte das für problematisch«

Dieser weltweite Handel steht immer wieder in der Kritik. Recherchen der »Zeit« , der britischen Tageszeitung »Guardian« und des britischen Reporterpools »SourceMaterial« hatten erst kürzlich aufgedeckt: Eine Organisation ermöglichte Großkonzernen wie SAP, Boeing oder Disney mit CO₂-Zertifikaten Greenwashing. Bei der Bewertung von Zertifikaten für Waldschutzprojekte hatte die Organisation fragwürdige Methoden angewandt – die Projekte sparten laut den Recherchen deutlich weniger CO₂ ein als veranschlagt. (Mehr dazu lesen Sie hier.)

Neu ist nun der Vorwurf, dass auch die Vereinten Nationen in den Betrug verwickelt sein könnten. Sie hatten den globalen Markt für Klimakompensation maßgeblich mitaufgebaut.

»Flip« und die »Wirtschaftswoche« untersuchten nach eigenen Angaben unter anderem ein Staudammprojekt in Brasilien. Über den Onlineshop der Uno biete ein brasilianisches Unternehmen Zertifikate für dieses Projekt an. Laut verantwortlichen Mitarbeitern des Betreibers wäre der Staudamm aber auch ohne das Geld aus den Zertifikaten gebaut worden. Das Projekt spare demnach keine zusätzlichen Emissionen ein. Die Zertifikate, die damit in Verbindung stehen, dürften also wertlos sein.

Nach Auffassung unabhängiger Experten seien derzeit große Mengen solcher unwirksamen Uno-Zertifikate im Umlauf, heißt es. Der Klimaforscher Martin Cames vom Öko-Institut etwa geht davon aus, dass bis zu 85 Prozent der Uno-Projekte dem Klima nicht so helfen, wie sie es vorgeben. »Trotzdem trägt das alles das Uno-Siegel, ich halte das für problematisch«, sagte Cames laut den Recherchen.

Expertinnen und Experten fordern schon länger strengere Regeln auf dem Klimaschutzmarkt. Der ehemalige Umweltminister von Panama sprach gegenüber dem SPIEGEL kürzlich von einem »Betrug am Klimaschutz und am Verbraucher.« (Das Interview lesen Sie hier .)

Trotz mehrfacher Anfrage äußerte sich die Uno den Angaben zufolge nicht zu den Ergebnissen der Recherche.

akl/dpa
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