Virunga-Nationalpark im Kongo Der Park von Feuer und Eis
Anthony Caere, Pilot:
»Als kleiner Junge habe ich immer davon geträumt, zu fliegen. Und Tiere …, es war immer ein Traum, beides zu kombinieren. Und dann bekam ich durch das Fernsehen in Belgien die Möglichkeit, mit drei Ärzten zu fliegen und das erste Ambulanzflugzeug für den Park zu spenden. Emmanuel de Merode fragte mich: ›Ich habe keinen Piloten, willst du bleiben?‹ Also habe ich mich entschieden und alles hinter mir gelassen. Ich bin meinem Traum gefolgt, denn es war eine Chance.«
Anthony Caere ist Naturschutzpilot. Er gehört zu den Menschen, die beschlossen haben, ihr Leben der Erhaltung des Virunga-Nationalparks zu widmen. Der Virunga umfasst ein riesiges, zum Teil von Regenwald bewachsenes Gebiet im Osten der Demokratischen Republik Kongo in Zentralafrika.
Der Park wurde 1925 gegründet, als der Kongo noch unter der Kolonialherrschaft Belgiens stand, und gilt als ältester Nationalpark Afrikas.
Anthony Caere, Pilot:
»Wenn man im Naturschutz arbeiten will, dann gibt es keinen besseren Ort als den hier. Es ist der artenreichste Park der Welt. Er hat die größte Vielfalt an Natur. Wir haben Vulkane mit ihrer Lava. Und im Norden haben wir die Ruwenzori-Berge mit ihren Gletschern. Deshalb nennen sie ihn den ›Park von Feuer und Eis‹ – und es stimmt. Wir haben einen See. Alle möglichen Tierarten. Wir haben ein paar Vogelarten, die man nur in Virunga findet. Es ist die größte Herausforderung für den Naturschutz, aber wenn ich in einen anderen Park ziehen würde, wäre das nur ein Abstieg. Das hier ist der Place-to-be.«
Auf 8000 Quadratkilometern umfasst der Virunga-Nationalpark Urwälder, Savanne, Vulkane und Seen – alles natürliche Lebensräume in einer einzigartigen Kombination.
Jacques Katutu leitet die Überwachung des Virunga-Nationalparks. Er überwacht die Population der Berggorillas, einer gefährdeten Art, die nur hier in dieser Region zu finden ist. Katutu begann mit den Tieren zu arbeiten, als er noch sehr jung war.
Jacques Katutu, Beobachtungsleiter
»Ich habe 2012 zum ersten Mal in meinem Leben einen Gorilla gesehen. Ich war erschrocken. Ich war verängstigt. Ich wusste nicht, dass es eine Spezies gibt, die dem Menschen so ähnlich ist. Insgesamt gibt es im Virunga-Massiv 604 Gorillas – laut einer Zählung von 2016. Aber auf der kongolesischen Seite des Parks gibt es mehr als 300 Gorillas. Seit 2016 sind sie als gefährdete Art eingestuft.«
Wissenschaftler schätzen, dass es nur noch 1000 Berggorillas in der Region gibt. Es ist der einzige Ort in Afrika, an dem Berggorillas in ihrem natürlichen Lebensraum leben. Der Park beschäftigt viele Einheimische, darunter 689 männliche und weibliche Ranger. Ihre Arbeit ist für den Schutz der empfindlichen Natur entscheidend.
Jacques Katutu, Überwachungsleiter Virunga National Park:
»Der Park spielt eine große Rolle für das Wetter. Hier in der Gegend regnet es jeden Tag und die Einheimischen können zu jeder Jahreszeit ernten. In anderen Teilen regnet es kaum, weil sie den ganzen Wald abgeholzt haben. Man sieht, dass es sehr wichtig ist, sowohl den Wald als auch die Arten, die hier leben, zu schützen.«
Anthony Caere, Pilot:
»Man kann sehen, wie sie alles abgeholzt haben. Und es hört nicht auf, es ist so viel. Ein paar neue Holzstapel liegen bereit, sie haben die Bäume gefällt. Und zwischen den Bäumen kann man diese Art von Hütten sehen.«
»Die Abholzung ist ein sehr großes Problem. Zwischen 2014, als ich zum ersten Mal hierherkam, und jetzt sehe ich einen großen Unterschied – und keinen positiven. Wir arbeiten hart daran, dagegen anzukämpfen, aber es ist ein großes Geschäft. 30 bis 35 Millionen Dollar im Jahr machen sie mit der Makala-Holzkohle, die sie aus dem Wald holen und in all den großen Dörfern verkaufen.«
Die Herstellung von Holzkohle ist ein lukratives Geschäft. Örtliche Rebellengruppen finanzieren so ihre illegalen Aktivitäten. Der Hintergrund: In der Umgebung des Parks leben vier Millionen Menschen. Viele von ihnen haben weder bezahlte Arbeit noch eine elektrische Stromversorgung. Die Holzkohle brauchen sie für ihre Kochstellen. Und je mehr die Bevölkerung wächst, desto größer der Druck auf den Park.
Anthony Caere, Pilot:
»Jeden Tag mache ich Aufklärungsflüge. Mein Flugzeug ist mit zwei Trackern ausgestattet. Wenn ich etwas sehe, markiere ich die Position. So kann ich aus 500 Metern Höhe Bilder machen und man kann die Leute identifizieren. Wenn ich zurückkomme, helfen mir zwei Analysten aus meinem Team. Ich gebe ihnen alle Bilder und wir sehen, welche Waffen die Leute haben. Wir sehen, ob sie Fische trocknen, ob sie Makala machen, was sie so treiben.«
André Baoma, Ranger:
»Das ist der Gorilla-Friedhof. Dieser Gorilla zum Beispiel wurde im Jahr 2007 ermordet. Er hieß Senkwekwe.«
Viele Berggorillas haben ihr Leben durch Wilderei verloren. Sie sind hier begraben, auf einem Gorilla-Friedhof, direkt im Park.
Nach einem der ersten Gorillas, der auf diesem Friedhof begraben wurde, ist auch das Waisenhaus benannt, das André leitet. Er kümmert sich um die Gorillajungen, die ohne ihre Eltern in freier Wildbahn schnell eingehen würden.
André Baoma, Ranger:
»Menschen haben die Gorillas angegriffen. Sie haben sie getötet. Deshalb haben wir einige Baby-Gorillas, die jetzt Waisen sind. Sie können nicht mehr in ihrem natürlichen Lebensraum leben, weil sie ihre Eltern verloren haben und gefüttert werden müssen. Es war absolut notwendig, sie zu retten und einen guten Platz für sie zu finden. Deshalb haben wir das Zentrum »Senkwekwe« gegründet, wo wir verwaiste Gorillas halten. Und andere, die keine Möglichkeit mehr haben, in ihrer natürlichen Umgebung zu leben.«
Der Schlüssel zum Schutz des Parks liegt auch in der Entwicklung der angrenzenden Siedlungen. Solange es am Nötigsten mangelt, werden die Menschen Raubbau am Virunga betreiben – aus schierer Not. Es braucht Schulen, Straßen, Krankenhäuser, Elektrizität.
Deshalb hat der Virunga-Nationalpark ein Wasserkraftwerk gebaut, das die Gemeinden rund um den Park mit sauberer Energie versorgt. Die Anlage hilft auf zweierlei Weise: Dorfbewohner können so Kleinstunternehmen gründen, für deren Betrieb sie Strom brauchen. Und: Sie müssen keine Bäume mehr fällen, um Holzkohle herzustellen.
André Baoma, Ranger:
»Es wäre wichtig, Arbeitsplätze für die vielen Menschen zu schaffen, die rund um den Park leben. Um ihnen eine Möglichkeit zum Leben und zur Arbeit zu geben. Denn wenn sie eine Arbeit haben, werden sie den Park nicht mehr zerstören. Wenn alles getan wird, um den Park zu schützen, hoffen wir, kann der Virunga-Park eine bessere Zukunft haben.«
Anthony Caere, Pilot:
»Ich bin glücklich mit meiner Wahl. Es ist kein einfaches Leben, es ist einsam. Aber jeden Tag kann ich die Schönheit des Parks sehen. Ich habe immer noch das Gefühl, dass ich dem Park etwas zurückgeben kann. Und solange ich dieses Gefühl habe, mach ich weiter. Virunga ist mein Leben, es ist meine Frau, es ist mein Kind, es ist mein Ein und Alles. Deshalb bin ich hier. Dafür lebe ich.«