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Ausbruch des isländischen Vulkans Bárdarbunga Der Dampf macht Hoffnung

Der Vulkan dampft, Lava schmelzt den Gletscher, 30 Milliarden Liter Schmelzwasser lassen Seen anschwellen: Am isländischen Bárdarbunga mehren sich die Zeichen für einen großen Ausbruch. Oder erstarrt der Magmastrom im Untergrund?

Nur eine kleine Spalteneruption also. Die abgeklärten Geoforscher des Icelandic Met Office (IMO) kann der kleine Vulkanausbruch in Island nicht beeindrucken, noch nicht.

Nüchtern formulieren sie ihren täglichen Lagebericht. Ein Flugverbot über der Region haben sie trotz der Dampfschwaden rasch wieder aufgehoben. Gefahr bestehe derzeit nicht. Größere Eruptionen des Bárdarbunga samt Aschewolke seien gleichwohl möglich, in Tagen oder Wochen.

Indes: Veränderungen der Landschaft deuten auf Umwälzungen im Untergrund.

Seit Donnerstagnacht dampft der Vulkan aus einer 600 Meter langen Spalte in seiner nördlichen Flanke, zunächst begleitet von glühenden Lavafontänen, die Dutzende Meter in den Nachthimmel im Osten Islands schossen. Niemand weiß, was nun geschehen wird, auch nicht die routinierten Experten des IMO.

Interkontinentaler Riss

Doch Fotos der Forscher vom Bárdarbunga künden von der Energie im Boden. Im Gletscher auf dem Vulkan öffnen sich 15 Meter tiefe Krater. Vermutlich taut Lava den Hunderte Meter dicken Eispanzer von unten, sodass er über den heißen Flecken absackt. Das Schmelzwasser strömt offenbar in den nahen Grímsvötn-See, der Wasserspiegel stieg um zehn Meter - etwa 30 Milliarden Liter Schmelzwasser müssen hinzugekommen sein.

Fotostrecke

Bárdabunga: Dampfender Riese

Foto: STRINGER/ Reuters

Unter dem Trommeln Tausender leichter Beben weitete sich der karge Boden, bis zu drei Meter breite Spalten öffneten sich. Die geologischen Wunden künden von einem interkontinentalen Riss, der Europa und Amerika immer weiter auseinanderschiebt.

Entlang eines Tausende Kilometer langen Bruches am Boden des Atlantiks, dem sogenannten Mittelozeanischen Rücken, strömt in Schüben 800 Grad heiße Lava aus dem Boden. Nur in Island gelangt der Mittelozeanische Rücken über den Meeresspiegel. Dort herrscht so intensiver Lavafluss, dass sich die Vulkane Tausende Meter über den Meeresboden erhoben haben - und Island formten.

350 Milliarden Liter Gesteinsbrei steigen auf

Lavaeruptionen drücken die amerikanische und die eurasische Erdplatte stetig auseinander. Die auf den Platten liegenden Kontinente und Meeresböden entfernen sich mit der Gemächlichkeit wachsender Fingernägel, also mit mehreren Zentimetern pro Jahr. Würde Kolumbus heute den Atlantik queren, müsste er bis Amerika zwölf Meter weiter segeln als vor 500 Jahren.

Der aktuelle Hitzeschub unter der geologischen Nahtzone stammt von einem etwa 40 Kilometer langen Magmastrom, der sich durch die felsige Erdkruste unter dem Vulkan Richtung Norden frisst. 350 Milliarden Liter Gesteinsbrei steigen auf, die Menge entspricht der Ölmenge, die alle Öltanker weltweit im Jahr transportieren. Ob seine Spitze bei einer größeren Eruption durch den Boden bricht, hängt vor allem davon ab, ob weiterer Gesteinsbrei aus dem Erdmantel nachströmt und den Druck erhöht.

Die Spuren des Magmastroms an der Oberfläche wirken, als ob sich in der Erde ein Drache regen würde: Die Beben sind in den vergangenen Wochen entlang einer geraden Linie nach Norden gewandert - mythologisch Begabte erkennen das sich hebende Rückgrat des Ungeheuers. Am nördlichen Ende reckt es nun also auch sein Haupt und speit Feuer: Dort hat der Magmastrom die Oberfläche erreicht und dampft.

Erstarrt der Magmastrom?

Glücklicherweise erreichte das Magma erst fünf Kilometer hinter der Grenze des Gletschers die Oberfläche. Das gefährlichste Szenario wurde somit vermieden: der Kontakt des Magmas mit Eis. Das Wasser verdampft dabei explosiv und zerfetzt Magma, Aschewolken steigen auf.

Damit es zu einer großen Aschewolke wie 2010 am Eyjafjallajökull kommen könnte, müsste der Magmadruck im Bárdarbunga aber noch zunehmen, meinen die IMO-Forscher. Der Gletscher über dem Eyjafjallajökull ist dünner als über dem Bárdarbunga, dessen Eispanzer als robustes Schutzschild wirkt. Es könnte also sein, dass Lava dort weiterhin nur Schmelztrichter im Gletscher erzeugt, den Eispanzer aber nicht durchdringen kann.

Die isländischen Geologen blicken aber bereits sorgenvoll zum Nachbarvulkan Askja. Der vordringende Magmastrom hat mittlerweile auch den Untergrund des Askja destabilisiert, zahlreiche Beben haben den Berg erschüttert. Die Warnampel steht nun auf Gelb, was Wachsamkeit bedeutet.

Zu hoffen wäre, meint der Vulkanforscher Dave McGarvie von der Open University in Edinburgh, dass es verstärkt dampfen würde aus den Spalten im Norden des Bardarbunga. Der Vulkan könnte Druck ablassen, ohne dass er gefährlich würde.

Versiege dann auch bald der Magmanachschub, könnte der 40 Kilometer lange Glutstrom im Untergrund allmählich zum Erliegen kommen. Die Gesteinsschmelze würde zu Glas erstarren - und ein großer Ausbruch wäre abgewendet.

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