Vulkan-Vorhersage Spannung vor dem großen Knall

Mount Ruapehu in Neuseeland: Spannung vor dem Ausbruch
Foto: Alexander GerstAnders als Erdbeben erlauben manche Vulkane durchaus die Vorhersage eines nahenden Ausbruchs - allerdings nur mit einem Vorlauf von wenigen Tagen oder Wochen, oder aber von Jahrhunderten, wenn die Frequenz der Ausbrüche bekannt ist. Beides ist für die Evakuierung der gefährdeten Gebiete wenig praktikabel, weshalb Vulkanausbrüche immer wieder zahlreiche Todesopfer fordern.
Hamburger Geophysiker haben zusammen mit Kollegen aus Neuseeland jetzt eine Methode entwickelt, die das Problem lösen könnte. Mit Hilfe der seismischen Wellen entfernter Erdbeben haben die Forscher die Spannung im Gestein unterhalb des Mount Ruapehu in Neuseeland in Echtzeit beobachtet. Dabei stellte sich heraus, dass die Spannungslinien im Gestein durch den Ausbruch von 1994 stark verändert wurden, schreiben Alexander Gerst von der Universität Hamburg und Martha Savage von der University of Wellington im Fachblatt "Science" (Bd. 306, S. 1543).
Gedrehte Spannungslinie
Bestimmte seismische Wellen können sich unterschiedlich schnell in der Erde ausbreiten und führen dabei im Gestein zur Bildung von Spannungslinien. Gerst und Savage fanden heraus, dass sich die Spannungslinie rund um Mount Ruapehu durch die Eruption von 1994 um fast 90 Grad gedreht hat und seitdem langsam zu ihrer alten Position zurückkehrt.
"Die Magmakammer hat vor dem Ausbruch Druck auf das regionale Spannungsfeld des Vulkans ausgeübt", erklärt Gerst im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. "Die Veränderungen der Spannungslinien deuten darauf hin, dass sich die geleerte Kammer langsam wieder füllt." Sollte sich das Spannungsfeld um den Vulkan künftig erneut stark wandeln, könne dies die Vorhersage eines Ausbruchs ermöglichen, und das mehrere Monate oder gar ein Jahr im Voraus.
Offen ist allerdings, wie gut sich die Methode auf andere Vulkane übertragen lässt. "Das fragen wir uns derzeit auch", räumt Gerst ein. "Da die Veränderungen bisher nur am Mount Ruapehu gemessen wurden, ist unbekannt, wie gut die Methode bei anderen Vulkanen funktionieren würde."
Wichtig dafür sei vor allem, dass das regionale Spannungsfeld des Vulkans für sich genommen nicht zu stark ist. Ansonsten könne es schwer fallen, den Druck der Magmakammer auf das umgebende Feld zu messen. "Gespräche mit anderen Wissenschaftlern deuten aber darauf hin, dass die Spannungsverhältnisse bei zahlreichen anderen Vulkanen vergleichbar günstig sind", sagt Gerst. "Die Technik hat prinzipiell sehr gute Chancen, zu funktionieren."
Markus Becker