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Island: Nahaufnahmen vom Vulkan

Foto: Arnar Thorisson/Helicopter.is/ AP

Vulkanausbruch auf Island Aschewolke hängt noch Tage über Europa

Schlechte Nachrichten für Zehntausende gestrandete Fluggäste: Nach Angaben isländischer Forscher könnte die Aschewolke über Europa noch bis zu fünf Tage den Luftverkehr behindern - und selbst danach dürfte es noch lange dauern, bis wieder ein normaler Betrieb möglich ist.

Reykjavik/London - Keine Entwarnung für die europäischen Airlines: Der isländische Wetterdienst rechnet mit einer anhaltenden Belastung durch die Aschewolke. Bei den Höhenwinden werde es vorerst "mehr oder weniger das gleiche" bleiben, sagte ein Mitarbeiter des Meteorologischen Instituts in Reykjavik am Samstag. Die Asche aus dem isländischen Eyjafjallajökull-Vulkan werde weiter Richtung Großbritannien und Skandinavien ziehen. Dies werde "in den kommenden Tagen" so bleiben - "in den kommenden zwei oder möglicherweise den nächsten vier oder fünf Tagen", fügte er hinzu.

Die Aktivität des Vulkans soll in der Nacht zum Samstag zunächst an Intensität zugenommen haben. Eine Aschewolke stieg nach Angaben von Magnus Tumi Gudmundsson von der Universität von Island 8,5 Kilometer weit in die Höhe. Der Wind habe die Sicht am Vulkan verbessert, so dass sich Wissenschaftler am Samstag erstmals aus der Luft ein Bild von der Lage machen könnten.

Wenn festgestellt werden könne, wie viel Eis geschmolzen sei, könnten bessere Prognosen darüber erstellt werden, wie lange der Ausbruch anhalten werde, sagte Gudmundsson. So lange noch ausreichend Eis vorhanden sei, könnten sich weitere Aschewolken bilden. Der Flugverkehr würde damit noch längere Zeit behindert.

Da sich der Vulkan unter Gletschereis befindet, wird das heiße Magma aus dem Erdinneren extrem schnell abgekühlt. Die Mischung aus Magma und Wasser löst Explosionen und die Aschewolken aus, die Flugzeugen gefährlich werden können. "Die Aktivität war über Nacht ziemlich heftig, was die Rauchsäule hat anwachsen lassen", sagte Gudmundsson. Er bestätigte die Einschätzung seiner Kollegen vom Meteorologischen Institut: "Leider scheint kein Ende in Sicht."

Met Office erwartet weitere Einschränkungen

Der britische Wetterdienst beobachtete gleichzeitig, dass die Aschewolke sich am Samstag weiter Richtung Südeuropa ausdehnte. Zudem werde die Wolke aber auch über dem Norden mindestens bis Sonntag ihre Auswirkungen entfalten, sagte ein Sprecher des Met Office in London.

Am Samstagvormittag stellte der britische Wetterdienst eine Ausdehnung der Aschewolke von Südfrankreich bis Russland und zum Schwarzen Meer fest. Bis Mitternacht werde eine Ausweitung bis an die spanisch-französische Grenze, nach Korsika und Nordgriechenland erwartet (siehe Fotostrecke unten). Der Ausstoß von Asche aus dem Vulkan halte an, so dass eine weitere Belastung auf die bereits betroffenen Regionen, etwa in Irland und Großbritannien, zukomme, hieß es.

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Grafiken und Satellitenbilder: Aschewolke über Europa

Foto: SPIEGEL ONLINE

Am Samstagnachmittag gab das Meteorologische Institut in Island bekannt, dass die Eruption leicht zurückgehe. Die Wolke sei nun nur noch fünf bis acht Kilometer hoch, zuvor hatte sie sechs bis elf Kilometer erreicht. "Es gibt Anzeichen dafür, dass der Druck abnimmt und die Eruption schwächer wird", sagte Armann Hoskuldsson, Vulkanforscher der University of Iceland.

Doch selbst wenn die Vulkanasche schließlich keine Gefahr mehr für die Luftfahrt darstellt, dürfte es noch lange dauern, bis sich die Situation normalisiert. Schon nach dem Lufthansa-Streik vor einigen Wochen dauerte es mehrere Tage, bis der normale Flugplan wieder eingehalten wurde, weil viele Flugzeuge überführt werden mussten. Die Zahl der jetzigen Ausfälle durch den Vulkan übertrifft die damaligen Dimensionen um ein Vielfaches.

Deshalb hat der Flughafenverband ADV am Samstag ebenso wie der Bundesverband der Deutschen Fluggesellschaften (BDF) "pragmatische Ausnahmen für eine Zeit größter Anspannung" gefordert. Zur schnelleren Beseitigung der chaotischen Zustände im Flugverkehr solle das Nachtflugverbot vorübergehend aufgehoben werden. Denn jetzt gehe es darum, alles daran zu setzen, Zehntausende gestrandete Fluggäste so schnell wie möglich zu ihren Zielorten zu bringen.

Hoffen auf flexible Lösungen bei Lande- und Startzeiten

Nach der Auswertung aktueller Wetterdaten hatte die Deutsche Flugsicherung (DFS) am Samstag entschieden, den Luftraum über Deutschland bis 2 Uhr am Sonntag zu sperren. Sobald die DFS den Luftraum wieder freigibt und die Flughäfen wieder geöffnet werden, sei "jede Stunde Betriebszeit an deutschen Flughäfen hilfreich und nötig", erklärte der BDF. Gerade große Flughäfen wie Frankfurt, München, Düsseldorf und Hamburg hätten aber sehr restriktive Nachtflugbeschränkungen.

"Der BDF bittet daher die betreffenden Bundesländer, unbürokratisch und schnell für einen begrenzten Zeitraum von einer Woche nach Wiederaufnahme des Flugbetriebs die Flughäfen auch nachts offen zu lassen." Bundesverkehrsminister Ramsauer solle eine entsprechende Empfehlung an die Bundesländer aussprechen, die für die Verwaltung der Flughäfen zuständig sind.

Der Hauptgeschäftsführer des Flughafenverbands ADV, Ralph Beisel, sagte, man habe die Behörden gebeten, "aufgrund der außerordentlichen Situation in den kommenden Tagen die Regelungen der Start- und Landezeiten flexibel zu handhaben, damit im Ausland wartende Passagiere so schnell wie möglich zurückkommen können und wieder ein stabiler Betrieb erreicht wird". Der Vulkanausbruch in Island habe zu einer "in diesem Umfang bisher noch nie dagewesenen Schließung deutscher Flughäfen" geführt, sagte Beisel. "Jetzt geht es um pragmatische Ausnahmen für eine Zeit größter Anspannung."

Auch Politiker von Bundesregierung und Opposition sprachen sich für eine zeitweise Aufhebung des Nachtflugverbots aus. "Wenn wartenden Passagieren damit geholfen werden kann, sollte das Nachtflugverbot vorübergehend aufgehoben werden", sagte der CDU-Verkehrsexperte im Bundestag, Dirk Fischer, der "Bild"-Zeitung.

Sein FDP-Kollege Patrick Döring sagte, die Länder sollten jetzt prüfen, inwieweit Nachtflugverbote aufgehoben werden könnten: "Es muss schnellstmöglich eine Rückkehr zum normalen Flugplan geben." Auch die Opposition schloss sich den Forderungen an: "Durch den Vulkanausbruch hat sich im Flugverkehr eine dramatische Situation ergeben", sagte der stellvertretende SPD-Fraktionschef im Bundestag, Florian Pronold. "Wenn die Flugzeuge wieder starten können, muss das Nachtflugverbot vorübergehend aufgehoben werden, um das Chaos schneller wieder zu beenden."

Kaum Flüge in Nordeuropa

Vom Atlantik bis nach Moskau und vom Polarkreis bis Italien waberte am Samstag die gigantische Aschewolke, während der Vulkan unter dem isländischen Gletscher Eyjafjallajökull nicht zur Ruhe kam. Auf den drei größten europäischen Flughäfen - London-Heathrow, Paris-Roissy und Frankfurt am Main - waren keine Starts und Landungen möglich, Zehntausende Passagiere waren gestrandet.

Eurocontrol teilte in Brüssel mit, dass am Samstag von geplanten 22.000 Flügen nur 6000 stattfinden würden. In 17 europäischen Ländern sei der Flugverkehr am Samstagmittag vollständig unterbrochen gewesen. Möglich waren Flüge demnach lediglich in Spanien, auf dem südlichen Balkan, in Bulgarien, Griechenland und der Türkei.

Die französische Regierung ordnete an, dass die Flughäfen im Norden des Landes - darunter das Drehkreuz Paris - bis Montag früh um 8 Uhr geschlossen bleiben. In Deutschland wurde die Sperrung des Luftraums zunächst bis Sonntagmorgen 2 Uhr verlängert.

Auch in anderen nordeuropäischen Ländern weiteten die Behörden das Flugverbot bis zum Sonntag aus. Die britische Luftfahrtbehörde teilte mit, der Luftraum bleibe bis mindestens Sonntag 2 Uhr gesperrt. In Dänemark und Estland erließen die Behörden ebenfalls ein Flugverbot bis 2 Uhr, während in Lettland bis 3 Uhr kein Flugzeug starten, landen oder den Luftraum durchqueren darf. Tschechien sperrte seinen Luftraum bis vorläufig Sonntag 12 Uhr, Finnland bis 14 Uhr.

Der Luftraum über Polen war nach Behördenangaben "bis auf Weiteres" nicht zugänglich. Damit wurde die Teilnahme internationaler Trauergäste am Staatsbegräbnis des verunglückten polnischen Präsidenten Lech Kaczynski am Sonntag in Krakau zunehmend fraglich. Auch die weißrussischen und ukrainischen Behörden begannen mit einer Einschränkung des Flugverkehrs.

sto/AFP/apn/dpa
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