Reaktion auf Trockenheit Der unstillbare Durst der Bäume

Wann wird Dürre für Bäume gefährlich? Tests an 226 Arten offenbarten eine erstaunlich geringe Toleranz der Pflanzen gegenüber Trockenheit. Luftblasen in ihren Gefäßen lassen den Wassertransport stocken.
Gesunde Rotbuche (Fagus sylvatica): Die Wassersäule reißt

Gesunde Rotbuche (Fagus sylvatica): Die Wassersäule reißt

Foto: dapd

London/Hamburg - Viele Baumarten könnten mit zunehmender Trockenheit Probleme bekommen. Schon bei etwas trockenerem Klima stocke der Wassertransport in ihren Gefäßen, berichtet ein internationales Forscherteam unter Leitung von Steven Jansen von der Universität Ulm.

Demnach haben 70 Prozent der 226 getesteten Baumarten nur geringe Sicherheitsreserven bei der Wasserversorgung der Blätter. Besonders bei Laubbäumen und Kiefern liege die Schwelle nur wenig unterhalb der heutigen Bedingungen, berichten die Wissenschaftler im Magazin "Nature" .

Das Ergebnis zeige, dass Wälder weltweit und in allen Klimazonen stärker durch den fortschreitenden Klimawandel gefährdet sein könnten als bisher gedacht. Denn ihre Anfälligkeit hänge eher von den jeweiligen Baumarten ab als von Niederschlägen.

Um die Blätter und oberen Pflanzenteile mit Wasser versorgen zu können, muss ein Baum in seinen Leitungsbahnen einen gewissen Druck aufrechterhalten. Wird dieser zu niedrig, beispielsweise weil es an den Wurzeln an Nachschub fehlt, entstehen zunächst Luftblasen in der Leitung. "Fließt dann kein neues Wasser aus dem Boden nach, reißt die Wassersäule vollends ab, als Folge trocknet die Pflanze aus und stirbt letztlich", erklären Jansen und seine Kollegen.

Der Wasserdruck, bei dem die Verbindung zwischen Blättern und Wurzeln abreiße, sei von Art zu Art verschieden und unter anderem vom Bau der Leitungsbahnen abhängig. Da übergreifende Daten dazu bisher fehlten, ließ sich der Effekt des Klimawandels auf Wälder bisher nur eingeschränkt ermitteln.

Wie viele Bäume gibt es?

Für ihre Studie hatten die Forscher veröffentlichte und unveröffentlichte Daten zum Leitungssystem verschiedener Baumarten ausgewertet. Für 226 Arten ermittelten sie daraus sowohl den bisher niedrigsten in der Natur gemessenen Wasserdruck in den Gefäßen als auch die kritische Schwelle, unterhalb der der Transport abreißt. Je näher beide Werte beieinanderliegen, desto kleiner ist der Puffer, den diese Baumart gegen Wassermangel besitzt, wie die Wissenschaftler erklären.

Die Auswertung ergab, dass bei 70 Prozent der ausgewerteten Baumarten nur wenig Spiel zwischen den heutigen Minimalwerten und der für den Wassertransport kritischen Schwelle liegen. "Bei 42 Prozent der Laubbaumarten liegen die gemessenen Minimalwerte sogar schon heute unterhalb dieser Schwelle", schreiben Jansen und seine Kollegen. Das gelte sowohl für Bäume aus trockenen als auch aus feuchten Klimazonen.

Nadelbäume hätten dagegen meist etwas mehr Puffer, nur bei neun Prozent von ihnen wird schon jetzt häufiger der kritische Wasserdruck in den Gefäßen unterschritten. Eine Ausnahme sind allerdings die Kiefern, wie die Forscher berichten. Sie hätten, ähnlich wie die Laubbäume, signifikant geringere Sicherheitsmargen.

"Diese Ergebnisse läuten eine Warnglocke, denn sie zeigen, dass kein Wald immun gegen die zunehmende Trockenheit ist", schreibt Bettina Engelbrecht von der Universität Bayreuth in einem begleitenden Kommentar . Es sei zu erwarten, dass sterbende und vertrocknende Wälder in Zukunft häufiger und weiter verbreitet sein werden als bisher gedacht.

Zuvor hatten Forscher bereits Zweifel gesät, dass . Allerdings sind die Kenntnisse lückenhaft, bereits die Bestandsaufnahme fällt schwer, wie die Baumzählung in Deutschland zeigt.

boj/dapd

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