Rückkehr zum kommerziellen Fang Warum Japan jetzt wieder Wale jagt

Nach mehr als 30 Jahren nimmt Japan den kommerziellen Walfang wieder auf. Warum gerade jetzt und welche Folgen hat das? Wichtige Antworten im Überblick.
Verarbeitung von Walfleisch in Tokio (Archivbild)

Verarbeitung von Walfleisch in Tokio (Archivbild)

Foto: Issei Kato/ REUTERS

Japan startet an diesem Montag wieder mit dem kommerziellen Walfang. Damit setzt die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt ihre Ankündigung aus dem Dezember 2018 um.

Unmittelbar nach dem Ende des G20-Gipfels in der Stadt Osaka, bei dem Japan Gastgeber der Top-Wirtschaftsmächte war, sollen vom Hafen Kushiro im Norden des Inselstaats Walfangschiffe auslaufen. Für die Meeressäuger vor den Küsten des Landes ist das eine schlechte Nachricht. Drei Jahrzehnte lang hatte Japan auf die Waljagd aus geschäftlichen Gründen verzichtet - nun macht Japan ernst. Die wichtigsten Fragen zum Thema:

Warum fängt Japan überhaupt Wale?

Hinter dem Walfang stecken mehrere Gründe, auch wirtschaftliche Interessen der Fischereiindustrie dürften eine Rolle spielen. Die Jagd auf die Meeressäuger hat in Japan eine lange Tradition. "Wir wollen unsere Kultur der Waljagd wieder aufleben lassen", sagt etwa der Bürgermeister der alten Walfangstadt Shimonoseki. Auch aus seinem Hafen sollen Walfangschiffe in See stechen. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte die damalige Besatzungsmacht USA Kriegsverlierer Japan dazu gedrängt, für die hungernde Bevölkerung Wale zu schlachten, um die Menschen mit Proteinen zu versorgen. Heute ist das Fleisch der Tiere teils eine teure Delikatesse. Die besten Stücke werden zu Sashimi verarbeitet und roh gegessen. Ein Kilo kostet umgerechnet bis zu 300 Euro.

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Warum startet Japan gerade jetzt mit dem Walfang?

Auch in den vergangenen Jahren hatte Japan schon Wale gefangen - offiziell zu wissenschaftlichen Zwecken. Das Fleisch getöteter Tiere wurde aber anschließend verzehrt. Möglich war das mit einer Sondergenehmigungen der Internationalen Walfangkommssion (IWC). Die Vereinigung wurde in den Vierzigerjahren gegründet, um den Walfang zu regulieren und eine bestandsgefährdende Bejagung zu verhindern. 1986 wurde der kommerzielle Walfang international verboten. Japan wollte dieses Moratorium der IWC seit Jahren kippen und war damit im vergangenen Jahr gescheitert.

Deshalb wollte Japan die IWC verlassen, der Austritt ist seit diesem Montag gültig. Tokio beklagt seit vielen Jahren, dass es einigen Mitgliedsländern der IWC nur um Walschutz gehe. Die ursprüngliche Aufgabe der Kommission sei aber auch die nachhaltige Nutzung der Walressourcen. Das Land hatte argumentiert, dass sich die Bestände einiger Walarten so weit erholt hätten, dass der kommerzielle Walfang wieder zugelassen werden könne.

Welche Wale sollen erlegt werden?

Wie die Regierung mitteilte, sollen unter anderen Zwerg-, Sei- und Brydewale getötet werden.

  • Zwergwale werden etwa zehn Meter lang, sie kommen im Nordatlantik und Nordpazifik vor. Die Tiere sind einfach zu jagen, da sie als recht zutraulich gelten. Sie leben auch nahe der Küste und sind als nicht gefährdete Art eingestuft. Das kommt Japans Plänen entgegen. Die Jagd soll sich auf die territorialen Gewässer in einer Zwölf-Seemeilen-Zone beschränken aber auch in einigen ausgewählten Wirtschaftszonen auf dem offenen Meer betrieben werden. Die bisherige Jagd in der Antarktis will das Land einstellen.
  • Seiwale werden etwas größer und erreichen eine Länge von mehr als 15 Metern. Ihr Bestand gilt nach Einstufung der IUCN  als bedroht.
  • Der Bestand der bis zu 35 Tonnen schweren Brydewale ist stabil. Von den bis zu 14 Metern langen Tieren könnten nach Schätzungen bis zu 80.000 Exemplare durch die Weltmeere schwimmen.

Welche Mengen werden gefangen?

Wie viele Tiere bis Ende August sterben werden, steht noch nicht fest. Bislang hat das zuständige Fischereiministerium noch keine Quoten bekanntgegeben. In den Sechzigerjahren wurden in Japan rund 200.000 Tonnen jährlich verzehrt. Der sogenannte wissenschaftliche Walfang produzierte zuletzt noch rund 5000 Tonnen pro Jahr. Walfänger schätzen aber, dass das Angebot durch die bevorstehende Aufnahme der kommerziellen Jagd nächstes Jahr auf etwa 2000 Tonnen sinken könnte. Das vergleichsweise geringe Angebot erklärt sich durch andere Fanggründe und das Ende der bisherigen "Forschungsjagd" in der Antarktis.

Walfleisch hat in Japan nicht mehr viele Liebhaber. Vor allem die jüngeren Menschen haben wenig kulinarische Erfahrungen mit Walprodukten. Die Rückkehr zum kommerziellen Walfang soll das ändern. Auch Japans Premierminister Shinzo Abe hat den Walfang unterstützt. Beobachter bezweifeln jedoch, dass sich der Konsum ankurbeln lässt und Japaner künftig mehr Appetit auf Wal haben werden.

Welche Folgen hat der Walfang?

Umweltschützer sind besorgt über die Rückkehr zum kommerziellen Walfang. Die Überfischung sowohl in japanischen Küstengewässern als auch in Gebieten auf hoher See habe zum Schwund vieler Walarten geführt, so Greenpeace. Die Organisation OceanCare befürchtet, dass Japans Austritt aus der IWC das Überleben einiger Walpopulationen auch im Nordwestpazifik gefährden wird.

Sie widersprach zudem Japans Behauptung, bestimmte Walarten wie die Zwergwale hätten sich wieder deutlich erholt. Diese kämen in "komplexen Populationsstrukturen" vor. So gelte ein Zwergwalbestand im Nordwestpazifik als stark gefährdet. "Einer direkten kommerziellen Bejagung wird diese Population nicht Stand halten. Wir werden daher diese und vermutlich auch andere Walpopulationen verlieren", kritisierte Nicolas Entrup, Ocean Policy Experte bei OceanCare.

Der für Umwelt zuständige EU-Kommissar Karmenu Vella zeigte sich in einem Interview mit der japanischen Nachrichtenagentur Kyodo darüber besorgt, dass es nun auch noch zu verstärkten Exporten von Walprodukten nach Japan aus Island und Norwegen kommen könnte. Beide Staaten jagen ebenfalls Wale, auch zu kommerziellen Zwecken. Norwegen hatte ebenfalls gegen das Walfang-Moratorium Einspruch erhoben, Island Vorbehalte angemeldet.

Kann Japan nun so viele Tiere fangen, wie es möchte?

Nein. Auch wenn Japan aus der IWC ausgetreten ist, gelten für das Land internationale Vereinbarungen. Nicolas Entrup geht davon aus, dass sich Japan über Fangmengen und -methoden mit den Anrainerstaaten abstimmen muss. Auch wenn das Land nur in den eigenen Hoheitsgewässern jagen möchte, könnte das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen Anwendung finden, das seinerseits Regeln für Walfang festschreibt - dies gilt vor allem dann, wenn Tiere sich nicht nur in den küstennahen Gewässern aufhalten, sondern sich auf die Hohe See begeben. Auch der Handel mit Walfleisch unterliegt weiterhin Beschränkungen, dies legt das Washingtoner Artenschutzabkommen Cites fest.

Aus Japan hieß es, man werde weiter einer internationalen Kooperation für ein angemessenes Management maritimer Ressourcen verpflichtet sein. So will Japan als Beobachter den Beratungen der IWC beiwohnen.

mit Material von dpa
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