

Hamburg - Viele Millionen Menschen in Afrika haben keinen Zugang zu trinkbarem Wasser, immer wieder plagen Dürrekatastrophen den Kontinent. Dabei liegt die kostbare Flüssigkeit nicht weit unter den Füßen - das zeigt der bislang detaillierteste Atlas der Grundwasserschätze in Afrika, den Forscher nun veröffentlicht haben. "Die Karte sollte den Planern der Wasserversorgung die Augen öffnen", sagt Wilhelm Struckmeier von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), ein Experte für weltweite Wasserressourcen.
Die Karten sind neu, das Problem alt: Im Boden Afrikas lagern gewaltige Mengen Wasser, doch ihre Erschließung ist aufwendig und teuer. Hundertmal mehr Wasser als an der Oberfläche des Kontinents gebe es in der obersten Erdkruste, berichten Experten um Alan MacDonald vom British Geological Survey (BGS) jetzt im Fachblatt "Environmental Research Letters". Sie kommen auf eine Gesamtmenge von 360.000 bis zu 1,75 Millionen Kubikkilometer. Als beste Schätzung geben sie 660.000 Kubikkilometer an - das wäre der 13.750-fache Inhalt des Bodensees oder ein Wasserwürfel mit 87 Kilometern Kantenlänge.
Der neue Atlas zeigt, wie tief die Grundwasservorkommen auf dem gesamten Kontinent liegen, wie groß sie sind und wie produktiv - also wie viel Wasser in einer bestimmten Zeit gefördert werden kann. Eine "beeindruckende Datenfülle" beinhalte die Karte, sagt Struckmeier. Die Informationen stammen aus knapp 300 Studien über Grundwasserschichten sowie aus allen verfügbaren geologischen Karten des Kontinents.
Kleine Bohrung, große Wirkung
Vor allem im Norden Afrikas, insbesondere unter der Sahara, finden sich demnach gigantische Reserven, die großteils bereits vor Jahrzehnten bei Erdölbohrungen entdeckt wurden. Allein unter Algerien, Libyen und dem Tschad liegen demnach ausgedehnte, mehr als 75 Meter dicke Grundwasserschichten. Und ausgerechnet diese Quellen stehen der neuen Studie zufolge sogar unter relativ hohem Druck, was die Förderung erleichtern würde.
Das Problem: Die meisten der Reservoire im Norden liegen in vielen hundert Meter Tiefe, und ab 200 Meter explodieren die Kosten für die Bohrungen. Die Staaten Nordafrikas - vor allem die reichen Erdölländer - finanzieren dennoch bereits zahlreiche Bohrungen in der Wüste mit Kosten von einer Million Dollar pro 1000 Meter Bohrstrecke. Hinzu kommen meist noch immense Kosten für Pumpen, Energie, Logistik und Infrastruktur in den abgelegenen Regionen. Doch das Ende der Projekte komme oft schneller als erhofft, sagt Struckmeier: Meist ließe sich nur ein Fünftel eines Grundwasserreservoirs fördern.
Die Hoffnung Afrikas liegt der neuen Studie zufolge in flacheren Schichten: Reservoire unter 50 Meter Tiefe können vergleichsweise einfach mit Handpumpen erschlossen werden. Vor allem für solche Quellen liefere ihr Atlas eine gute Vorlage, meinen die Forscher: "In den meisten bewohnten Regionen Afrikas liegen Wasserreservoire, die mit Handpumpen gefördert werden können", schreiben MacDonald und seine Kollegen. Die Mehrheit der Quellen sprudelte zwar nicht besonders stark, ihre Produktivität sei gering. Für die lokale Versorgung jedoch würden sie oftmals ausreichen.
Es werde Zeit, die Wasserversorgung in Afrika langfristig zu planen, sagt Struckmeier. Nicht nur die Politiker vor Ort, auch Entwicklungshelfer sollten sich den neuen Atlas genau ansehen, bevor sie ihre Hilfsprojekte beginnen. "Allzu häufig wird erst gebohrt, wenn die Dürre schon da ist." Überstürzte Bohrungen jedoch gingen oft ins Leere.
Die Frankfurter Hydrologie-Professorin Petra Döll warnt davor, die kompletten Grundwasservorräte Afrikas als nutzbar auszuweisen. Die Reservoire wurden großteils über Jahrtausende gefüllt, sie könnten sich nicht auf die Schnelle erneuern. Das Wasser unter Afrika", sagt Döll, "ist in vielen Regionen eine nicht erneuerbare Ressource wie Erdöl".
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Grundwassermenge (je dunkler die Farbe, desto mehr Wasser liegt im Boden; das dunkelste Blau steht für mehr als 50 Meter Wasserschicht): Vor allem im Norden des Kontinents finden sich gigantische Reserven. Allein unter Algerien, Libyen und dem Tschad liegt demnach Grundwasser, das die Länder 75 Meter hoch bedecken würde.
Tiefe der Reservoire: Das Problem ist oft, dass das Grundwasser in großer Tiefe liegt; die Farbe Orange steht für mehr als 250 Meter Tiefe. Mancherorts werden bereits kilometertiefe Wasserbohrungen betrieben - sie sind extrem teuer.
Produktivität: Die Karte zeigt, wie viel Wasser in einer bestimmten Zeit gefördert werden könnte - je dunkler, desto besser würde die Quelle sprudeln.
Dürreopfer: Auch 2011 wütete in Ostafrika eine Dürrekatastrophe, bei der der Hunger eine Folge des Wassermangels ist - weil nichts geerntet werden kann. Millionen Menschen waren auf der Flucht, täglich starben Tausende.
Hunderte Millionen Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser.
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