Wasserkraftwerke Talsperren weniger klimaschädlich als vermutet

Wasserkraftwerke werden immer wichtiger für die Stromproduktion - doch unter Experten wuchs die Sorge über den Treibhausgas-Ausstoß gigantischer Stauseen. Eine neue Studie relativiert das jetzt: Die Emissionen sind demnach geringer als bisher vermutet.
Hoover-Damm in den USA: Stauseen setzen weniger Treibhausgas frei als gedacht

Hoover-Damm in den USA: Stauseen setzen weniger Treibhausgas frei als gedacht

Foto: Ethan Miller/ AFP

Wasserkraft gilt als regenerative Energie, deren Gewinnung keinerlei Treibhausgase freisetzt. Doch das ist so nicht richtig: Talsperren setzen durchaus Methan und Kohlendioxid frei. Die klimaschädlichen Gase entstehen vor allem durch den Abbau organischen Materials durch Bakterien. Methan kann so in großen Blasen an die Oberfläche blubbern. Im Wasser gelöstes Gas wird besonders beim Durchfließen von Kraftwerksturbinen wieder freigesetzt.

Auf diese Weise, so vermuteten Wissenschaftler bisher, kommen beachtliche Mengen Treibhausgas zusammen - denn die Anzahl der Stauseen geht in die Zehntausende, Tendenz steigend. Weltweit gibt es rund 45.000 von ihnen, ihre Wasserfläche entspricht insgesamt etwa der des Kaspischen Meers.

Das zumindest schreibt Bernhard Wehrli vom Schweizer Institut für Wasserwissenschaften und -technologie in Kastanienbaum in einem Kommentar im Fachblatt "Nature Geoscience". Der Anlass für den Beitrag ist eine im selben Magazin erschienene Studie , die eine gute Nachricht enthält: Die Talsperren setzen weniger klimaschädliches Methan und Kohlendioxid frei als bisher gedacht.

Aus Stauseen, die der Stromgewinnung dienen, stammen demnach nur rund vier Prozent aller Kohlenstoff-Emissionen aus Süßwasservorkommen, schreibt ein Team um Fábio Roland von der University of Juiz de Fora im brasilianischen Minas Gerais. Unter den Stauseen wiederum sind die hydroelektrisch genutzten Reservoirs für 16 Prozent der Emissionen verantwortlich.

Lückenhafte Datenbasis

Die Forscher hatten zahlreiche Angaben von 85 Wasserkraftwerken gesammelt und daraus einen neuen Datenbestand geschaffen. Die geografische Verteilung reichte von 68 Grad nördlicher Breite bis zu 25 Grad südlicher Breite. Für die Auswertung berücksichtigt wurden unter anderem Gasmessungen, die Größe, Tiefe und die Lage der Reservoirs, ihr Alter, die Wasserchemie und vieles mehr. Aus allen Wasserbecken wurde Methan frei, in 88 Prozent auch CO2. Die Mengen schwankten über einen weiten Bereich: Manche Stauseen bliesen zehntausend Mal mehr Treibhausgas in die Atmosphäre als andere. Je näher die Reservoire am Äquator liegen - etwa im Amazonas-Gebiet - umso höher ist ihr Ausstoß.

Die Forscher haben kalkuliert, das die Reservoire weltweit 48 Millionen Tonnen CO2 und drei Millionen Tonnen Methan freisetzen. Allerdings ist Methan etwa 20-mal klimawirksamer als CO2. Insgesamt entspricht die neue Zahl der Kohlenstoff-Freisetzung nur einem Zehntel des zuvor angenommenen Werts.

Allerdings weisen Roland und seine Kollegen darauf hin, dass die Datenbasis noch sehr lückenhaft ist. Zudem habe man bei der Analyse auch nicht den Verlust von CO2-Senken durch die Flutung von Tälern berücksichtigt, etwa die Zerstörung von Wäldern. Deshalb, so die Forscher, "werden die Netto-Emissionen der Stauseen derzeit systematisch unterschätzt".

Wehrli weist darauf hin, dass die Wissenschaft nun zunächst genauer klären sollte, bei welchen Prozessen genau die Treibhausgase freiwerden. Dann ließen sich womöglich Empfehlungen darüber aussprechen, wie bessere Reservoire gebaut werden könnten.

mbe/dpa
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