Bayern Forscher feiern sensationellen Flugsaurier-Fund

Wattendorfer Flugsaurier-Skelett: "Bedeutsam für die Flugsaurierforschung weltweit"
Foto: DPA / Naturkunde-Museum BambergWattendorf - Das Wort "Sensation" geht Wissenschaftlern nur selten über die Lippen. Doch bei dem vollständig erhaltenen Flugsaurierskelett einer neuen Art, das im oberfränkischen Wattendorf entdeckt wurde, ist das offenbar anders.
"Der Fund ist von vergleichbarem Interesse wie ein Archaeopteryx", sagt der Leiter des Bamberger Naturkunde-Museums, Matthias Mäuser. Von einem "sensationellen Fund" sprach der Flugsaurier-Experte und Biologe Eberhard Frey vom Naturkundemuseum Karlsruhe. "Er ist von seiner Vollständigkeit und vom Typ her einmalig - ein extrem seltenes und wunderschönes Stück."
Das bislang einzigartige Fossil stammt laut Mäuser aus der späten Jura-Zeit vor rund 155 Millionen Jahren. Der Flugsaurier, der noch nicht wissenschaftlich beschrieben ist und somit keinen Namen hat, war vor einem Jahr gefunden und in den vergangenen Monaten aufwendig präpariert worden. "Er hatte sehr lange Arme und sehr lange Beine, fast wie Stelzen. Das hat ihm einen Vorteil gebracht beim Waten im Wasser", sagt Mäuser, der seit acht Jahren Grabungen in der Region leitet. "Er hat in seichten Gezeitentümpeln mit seinen schnabelartig verlängerten Kiefern und dem Reusengebiss Kleinlebewesen aus dem Wasser gefiltert."
Der Saurier ernährte sich demnach vermutlich von kleinen Fischen, Krebsen und anderen Lebewesen. Die letzte Mahlzeit ist mit dem Tier versteinert: "Er hat Fischrestchen im Bauch - das ist auch eine Seltenheit", so Mäuser. Der Flugsaurier wird von Samstag an in der Sonderausstellung "Frankenland am Jurastrand" im Naturkunde-Museum Bamberg zu sehen sein.
"Vom Körperbau her etwas völlig Neues"
Die Forscher gehen davon aus, dass es sich mindestens um eine neue Art und Gattung handelt. "Dieses Stück ist insofern bedeutsam, als es vom Körperbau her etwas völlig Neues ist", sagte der Paläontologe und Flugsaurierforscher Helmut Tischlinger, der das Fossil unter UV-Licht untersucht und dokumentiert hat. Es sei "gigantisch gut erhalten", zudem sei es der älteste Flugsaurier aus den süddeutschen Oberjura-Plattenkalken. "Es ist ein sensationelles Stück in jeder Beziehung und bedeutsam auch für die Flugsaurierforschung weltweit."
Frey sieht in dem Tier ein mögliches Bindeglied zwischen den bisher bekannten Flugsauriern aus dem Jura und den späteren Riesenflugsauriern - mit mehr als zehn Metern Flügelspannweite die größten Tiere, die jemals geflogen sind. "Vom Rumpf her ähnelt er einem anderen Flugsaurier aus den Solnhofener Plattenkalken, der aber ohne Kopf gefunden wurde", so Frey. Mit seinen langen Hinterbeinen und dem im Verhältnis zum Arm recht kurzen Flugfinger habe der neue Flieger eine Flügelkonfiguration, wie sie später in der Kreidezeit bei Riesenflugsauriern vorgekommen sei. "Das Bamberger Stück belegt, dass diese Riesenflugsaurier ihren Ursprung in der Jurazeit hatten."
Die Wattendorfer Flugechse hatte über 400 Zähne, die in zwei Reihen angeordnet waren. "Die langen Zähne sind nicht spitz, sondern wie kleine Keulen verdickt", erklärt Mäuser. Mit ihnen wurde Beute nicht gekaut oder festgehalten, sondern aus dem Wasser gefiltert - so wie es Wale mit ihren Barten und Flamingos mit den Lamellen in ihrem im Schnabel tun.
Flugsaurier besaßen keine Federn, sondern eine Art Borsten. Zudem verfügten sie über eine kompliziert gebaute, mehrschichtige Flughaut. Partien davon sind bei dem neuen Exemplar in langwelligem UV-Licht erkennbar. Die Flügel, die rund 1,20 Meter Spannweite hatten, sind bei dem Fossil zusammengefaltet und über dem Rumpf verschränkt.
Die Wattendorfer Plattenkalke waren im Jahr 2000 als Fossilienfundstelle entdeckt worden. 2004 begannen die Grabungen, die in den vergangenen zwei Jahren von der EU gefördert worden sind. "Dort liegt ein unglaublicher Fossilschatz", sagt Mäuser. "Wir haben bisher rund 5000 Fossilien geborgen - Schnecken, Muscheln, Seeigel, urtümliche Fische, Haie, Quastenflosser, Schlangensaurier, Schildkröten und Krokodilreste." Die Schichten des Steinbruchs und die eingeschlossenen Lebewesen seien etwa 100.000 bis 500.000 Jahre älter als die südbayerischen Plattenkalke von Solnhofen und Eichstätt. Deshalb handele es sich bei den Wattendorfer Fossilien oft um bisher unbekannte Arten.