

Die Eier dürfen auf keinen Fall kalt werden. Damit ihre Nester rund um die Uhr bewacht und warm gehalten werden, wechseln sich viele Watvögel beim Brüten ab - im Vergleich zu Arten, bei denen nur ein Elternteil dafür zuständig ist. Wie häufig sich Männchen und Weibchen ablösen, unterscheidet sich allerdings deutlich zwischen den Tieren.
Manche Spezies schieben schon mal 50-Stunden-Schichten, andere brüten nur gut eine Stunde, bevor es wieder auf Nahrungssuche geht. Wie aber entscheidet sich, welches Vogelpaar wie lange brütet?
Kiebitz beim Brüten
Martin Bulla vom Max-Planck-Institut (MPI) für Ornithologie in Seewiesen und Kollegen haben Daten von 32 Vogelspezies und 729 Nestern ausgewertet. Demnach wird der Wechselrhythmus der Eltern unter anderem durch die Art bestimmt. Entscheidend ist dabei, wie eine Spezies ihren Nachwuchs vor Angriffen schützt, schreiben die Forscher im Fachmagazin "Nature".
Arten, die ihre Brut aktiv Verteidigen und Feinde angreifen, wechselten sich häufiger beim Brüten ab als solche, die ihr Nest durch Tarnung schützen. Das hat einen einfachen Grund: Die Forscher gehen davon aus, dass die Wechsel für sich tarnende Arten ein größere Risiko darstellen. Sobald was los ist am Nest, könnten Fressfeinde aufmerksam werden. Welche Art, welche Strategie gewählt hat, verrät die Bilderstrecke.
Unterschiede innerhalb einer Art
Die Untersuchung untermauert aber auch, dass das Verhalten der Vögel durch ihr soziales Umfeld und individuelle Vorlieben beeinflusst wird. So teilten sich auch Vogelpaare der gleichen Art die Brutarbeit mitunter unterschiedlich auf - selbst, wenn sie im gleichen Brutgebiet lebten.
Sandstrandläufer beim Schichtwechsel
Und noch etwas erstaunte die Forscher: Üblicherweise ist die innere Uhr der Vögel und vieler anderer Tiere - auch des Menschen - nach einem 24-Stunden-Rhythmus getaktet. Orientierung dabei bietet etwa der Wechsel zwischen Hell und Dunkel. Geht es ums Brüten, gilt diese Regel plötzlich nicht mehr, wie die Forscher berichten.
Im Durchschnitt wechselten nur zwei von zehn Paaren in einem Rhythmus, der sich nach 24 Stunden abschließen ließ. Alle anderen brüteten sozusagen aus dem Takt.
"Die Tatsache, dass zwei Individuen mit ihrem jeweiligen eigenen Rhythmus beteiligt sind, könnte zu einer Synchronisation des Paares führen, die unabhängig ist von anderen Paaren der gleichen Art", sagt Bart Kempenaers, Leiter der Studie und Direktor am MPI in Seewiesen. Den Vögeln geht es also auch nicht anders als dem Menschen: In Partnerschaften müssen Kompromisse gefunden werden.
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Der Sandstrandläufer gehört zur Familie der Schnepfenvögel: Er brütet in Alaska und Kanada, gelegentlich verirrt er sich aber auch nach Großbritannien und Irland. Ist die Brut geschlüpft, verlässt das Weibchen das Nest und das Männchen zieht die Jungen allein groß.
Forscher haben untersucht, wie häufig sich Männchen und Weibchen bei unterschiedlichen Watvögeln mit dem Brüten abwechseln. Bei den Bergstrandläufer scharrt üblicherweise das Männchen einige Löcher in den Boden bevor das Weibchen eines als Nest auskleidet. Ähnlich wie der Sandstrandläufer wechseln sich Bergstrandläufer ungefähr alle zwölf Stunden beim Brüten ab.
Bairdstrandläufer: Sein Nest liegt gut versteckt im Gestrüpp. Dementsprechend wechseln auch Männchen und Weibchen dieser Art den Brutdienst eher selten. Jeder Tausch birgt das Risiko, von Feinden entdeckt zu werden.
Der Sanderling brütet in der arktischen Tundra, etwa auf Spitzbergen. Im Winter ist er in Deutschland an der Nordseeküste anzutreffen. Die Vögel wechseln sich ungefähr alle sechs Stunden mit dem Brüten ab - manche Paare auch nur alle neun.
Kiebitz: Er brütet vor allem auf Marschwiesen. Die aktuelle Auswertung zum Bruttausch zeigt, dass die Vögel bei Helligkeit alle zwei bis drei Stunden den Platz auf dem Nest tauschen. Über Nacht übernimmt einer allein die Brutaufgabe. Kiebitze verteidigen ihre Brut aktiv gegen Feinde - Tarnung ist da nicht so wichtig.
Wanderregenpfeifer: Er brütet ebenfalls in einer Bodenmulde, bevorzugt an einer etwas erhöhten Stelle, damit er Feinde frühzeitig erkennt. Männchen und Weibchen wechseln sich ungefähr alle zwölf Stunden mit dem Brüten ab - also immer zu einer ähnlichen Zeit.
Der Sandregenpfeifer brütet in Nordeuropa, Asien und Nord- und Südamerika. In der Regel ist er an der Küste auf Sand- oder Kies zu finden. Beim Brüten wechseln sich Männchen und Weibchen Tag und Nacht in kurzen Abständen von etwa zwei Stunden ab.
Regenbrachvogel: Die Tiere praktizieren einen ausgiebigen Balzflug und treffen sich häufig immer wieder mit dem gleichen Partner zur Paarung. Beim Brüten wechseln sich Männchen und Weibchen ungefähr alle sechs Stunden ab.
Der Seeregenpfeifer brütet in Steppen- und Küstengebieten unter anderem in Europa und Amerika. Dabei wechseln sich Männchen und Weibchen sehr häufig ab, alle zwei Stunden. Allerdings gibt es starke Abweichungen. In manchen Nestern sitzen Männchen und Weibchen auch sechs Stunden am Stück.
Uferschnepfe: Auch sie hat üblicherweise ein Brutintervall von unter fünf Stunden. Das passt: Statt sich zu tarnen, verteidigen die Vögel ihre Nester durch Gegenangriffe vor Feinden, etwa Greifvögeln.
Der Flussregenpfeifer gehört zu den am kürzesten brütenden Vögeln, die in der Studie untersucht wurden. Die Partner tauschen im Stundentakt. Die Abwehrstrategie ist auch bei dieser Art offensiv: Die Vögel halten Angreifer durch Ablenkungsmanöver von der Brut fern.