Weltklimabericht Uno schlägt Alarm - Klima-Apokalypse naht
Paris - Die Ergebnisse des neuen IPCC-Berichts gingen "mehrere Schritte" über das hinaus, was beim letzten Report von 2001 möglich gewesen sei, sagte der IPCC-Vorsitzende Rajendra Pachauri bei der Vorstellung des Berichts in Paris. Die Studie "habe das Siegel der Akzeptanz aller Regierungen der Welt".
IPCC-Wissenschaftlerin Susan Solomon ließ keinen Zweifel daran, wer für den Klimawandel verantwortlich ist. "Wir können jetzt mit großer Sicherheit sagen, dass die Aktivität der Menschheit zur Erwärmung beigetragen hat." Dies sei die einhellige Meinung aller beteiligten Forscher. Schon die bisher real beobachtete Erwärmung der Erde sei "beispiellos".
Der Report präsentiert sechs Szenarien. Im besten Fall sei bis 2100 mit einer Erwärmung von 1,1 bis 2,9 Grad Celsius zu rechnen, im schlimmsten Fall mit 2,4 bis 6,4 Grad. Am wahrscheinlichsten sei ein Anstieg um 1,7 bis 4 Grad. Der Meeresspiegel werde bis 2100 im besten Szenario um 19 bis 37 Zentimeter, im schlimmsten Fall um 26 bis 59 Zentimeter steigen.
Der Bericht fasst den Klimawandel in Zahlen:
- Der Kohlendioxid-Gehalt der Luft ist seit 1750 um 35 Prozent gestiegen - von 280 auf 379 Teilchen pro Million im Jahr 2005. Der heutige Wert ist der größte seit 650.000 Jahren. 78 Prozent der Erhöhung gehen auf die Nutzung fossiler Brennstoffe zurück, 22 Prozent auf die Nutzung von Landflächen, etwa durch Rodungen.
- Andere wichtige Treibhausgase wie Methan oder Lachgas sind zusammen etwa halb so stark an der Erwärmung beteiligt wie der Anstieg des Kohlendioxids. Die Konzentration von Methan und Lachgas hat seit 1750 um 148 bzw. 18 Prozent zugenommen.
- Die Erwärmung des Klimasystems ist "ohne jeden Zweifel vorhanden". Die globale Oberflächentemperatur ist um 0,74 Grad gestiegen; elf der letzten zwölf Jahre waren die wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen.
- Die Temperaturzunahme der letzten 50 Jahre ist doppelt so hoch wie die der letzten 100 Jahre.
- Die Arktis hat sich doppelt so stark erwärmt wie im globalen Mittel.
- Die Häufigkeit heftiger Niederschläge hat zugenommen.
- Klima-Rekonstruktionen besagen, dass die Temperaturen der vergangenen 50 Jahre sehr wahrscheinlich höher waren als jemals zuvor in den vergangenen 1300 Jahren.
- Die schneebedeckte Fläche hat seit 1980 um etwa 5 Prozent abgenommen.
- Die Gletscher schmelzen weltweit und lassen die Weltmeere derzeit um 0,8 Millimeter pro Jahr zusätzlich steigen.
- Das Meereis in der Arktis ist seit 1978 im Jahresmittel um acht Prozent zurückgegangen und im Sommer um 22 Prozent. In der Antarktis ist dagegen kein Rückgang zu beobachten.
- Neben dem Meereis geht auch das Festlandeis in Grönland und der Antarktis zurück: Die Schmelze und Gletscherabbrüche und tragen 0,4 Millimeter pro Jahr zum Meeresspiegelanstieg bei.
- Die Temperaturen in den oberen Schichten des Permafrostsbodens sind seit 1980 um drei Grad gestiegen, die Fläche des saisonal gefrorenen Bodens hat seit 1900 um sieben Prozent abgenommen, im Frühling sogar um 15 Prozent.
- Die Ozeane sind im globalen Mittel wärmer geworden, bis in Tiefen von 3000 Meter. Diese Erwärmung trägt durch die Ausdehnung des Wassers ebenfalls zum Anstieg des Meeresspiegels bei.
- Der Meeresspiegel ist seit 1993 durchschnittlich um etwa drei Millimeter pro Jahr gestiegen, im 20. Jahrhundert um 17 Zentimeter. Mehr als die Hälfte davon geht auf die thermische Ausdehnung des Ozeans zurück, etwa 25 Prozent auf das Abschmelzen der Gebirgsgletscher und rund 15 Prozent durch das Abschmelzen der Eisschilde.
Selbst wenn alle CO2-Emissionen sofort gestoppt würden, stiege die Temperatur noch um weitere 0,6 Grad, da das Klimasystem nur sehr träge reagiert, heißt es im IPCC-Bericht. Der Meeresspiegel werde auch dann noch "über viele Jahrhunderte" steigen. Sollte die Erwärmung aber deutlich über drei Grad bis zum Jahr 2100 liegen, würde das Festlandeis Grönlands vollständig abschmelzen - mit wahrscheinlich katastrophalen Folgen für die Küstengebiete der Welt. Das IPCC hat den Report auf seiner Website veröffentlicht. Das Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut bietet eine deutschsprachige Zusammenfassung .
Deutscher Forscher warnt vor Versinken Sylts
"Mit dem nun vorliegenden Bericht sollten letzte Zweifel ausgeräumt sein, dass wir Menschen es sind, die die Klimaschraube überdrehen", sagte Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. "Folglich liegt es auch in unserer Hand, diese gefährliche Fehlentwicklung entschlossen durch Reduktion der Treibhausgasemissionen zu korrigieren."
IPCC - der Klimarat der Vereinten Nationen
Schellnhuber warnte auch vor einem starken Anstieg des Meeresspiegels an der deutschen Nordseeküste in diesem Jahrhundert. Er könne sich bis 2100 um bis zu zwei Meter erhöhen, falls nicht weltweit drastische Klimaschutzmaßnahmen ergriffen würden, sagte Schellnhuber der "Frankfurter Rundschau". "Das wäre für eine Insel wie Sylt fatal." Sie zu erhalten, wäre unter solchen Bedingungen zu teuer und auch unsinnig. Hamburg bräuchte dann neue Sperrwerke, um das Wasser fernzuhalten.
Die Voraussagen der Klimamodelle, die auf der Uno-Klimakonferenz in Paris diskutiert wurden, hält Schellnhuber für zu niedrig. Sie gingen von einem Anstieg des Meeresspiegels um 30 Zentimeter bis 2100 aus. Tatsächlich liege der aktuelle Anstieg bereits heute fast doppelt so hoch wie in den Modellen berechnet, da diese das in den vergangenen Jahren verstärkte Abschmelzen des Festlandeises der Westantarktis und Grönlands nicht korrekt wiedergäben. "Wir könnten bis 2100 durchaus einen Anstieg von einem Meter bekommen", sagte Schellnhuber. Klimabedingte Verlagerungen der Meersströmungen wiederum könnten das Wasser in der deutschen Bucht einen weiteren Meter ansteigen lassen.
mbe/dpa