Weltweite Abholzung Waldraub stillt Chinas Holzgier

Eine Waldfläche von der Größe Griechenlands verschwindet jährlich von der Erdoberfläche: Legaler Einschlag, spottbillig erschlichene Konzessionen und schlichter Holzklau verschwimmen dabei. Forscher beobachten den Kahlschlag hilflos aus dem All - und Umweltschützer prangern China an.

"Mir fehlen die Worte, um zu beschreiben, was hier vor sich geht", sagte Richard Greine, ein Provinzförster im Ngambe-Tikar-Urwald im zentralafrikanischen Kamerun. "Sowohl illegale als auch berechtigte Ausbeuter haben einen regelrechten Überfall auf den Wald gestartet." Die Korrespondentin der Nachrichtenagentur Reuters berichtet von einem Besuch in Ngambe-Tikar: Parkplatz-große Lichtungen, auf denen Baumstämme in den Dimensionen von Autobussen liegen, zerreißen das grüne Dach des tropischen Regenwaldes.

In der aktuellen Ausgabe der Wissenschaftszeitschrift "Science" haben Forscher um Nadine Laporte vom Woods Hole Research Center denselben Vorgang aus der Draufsicht beschrieben: Auf über 300 Fotos des Satelliten "Landsat" verfolgten sie den Zustand des Waldes auf vier Millionen Quadratkilometern im Becken des Kongo. Ihr Bericht "Ausweitung der industriellen Abholzung in Zentralafrika" schildert, wie dieser Raub am Urwald in den 30 Jahren von 1973 bis 2003 vonstatten ging.

Besonderes Augenmerk widmeten die Forscher dabei der Ausbreitung des Straßen-, Wege- und Pistennetzes durch den Urwald: Wenigstens grobe Trassen sind nötig, damit die riesigen Bäume überhaupt abtransportiert werden können. Denn die Holzfäller suchen selektiv nach besonders großen Exemplaren begehrter Holzsorten, etwa Mahagoni, so die Forscher. "Wir gehen davon aus, dass rund fünf Prozent der gesamten Waldfläche dadurch gestört sind und auf weiteren 29 Prozent größerer Druck durch Jäger lastet", schrieb Laporte. Denn die Wege der Holzfäller dienen auch Wilderern als Einfallstor, die immer weiter in ehemals unberührte Gebiete eindringen.

Internationale Studie (November 2006): In 22 von 50 untersuchten Ländern wuchs der Wald wieder - Forscher sprechen von einer "Wohlstandsschwelle"

Internationale Studie (November 2006): In 22 von 50 untersuchten Ländern wuchs der Wald wieder - Forscher sprechen von einer "Wohlstandsschwelle"

Foto: SPIEGEL ONLINE

Pierre, ein Jäger aus Kamerun, sagte der Nachrichtenagentur Reuters, früher seien wilde Tiere bis in die Dörfer gekommen. "Heute sieht man gar keine mehr. Sie gehen uns nicht mehr in die Falle", sagte er. "Man muss schon sehr tief in den Wald gehen, um eines zu sehen oder gar zu fangen."

Die Trassen, die sich - teilweise öffentlich, teilweise privat, oft jedenfalls illegal - durch das Kongobecken zögen, seien der zentrale Faktor, um die Bedrohung des einzigartigen Ökosystems zu verstehen, folgern Laporte und ihre Team. Der Holzeinschlag im Kongo-Bassin sei "völlig außer Kontrolle", hatte die Umweltschutzorganisation Greenpeace im April beklagt . Die Aktivisten hatten beklagt, dass ausländische Firmen - überwiegend aus Deutschland, Portugal, Belgien, Singapur und den USA - sich nach dem Auslaufen eines Moratoriums im Jahr 2002 um neue Konzessionen in der Demokratischen Republik Kongo bemüht haben. Oft sei die Erlaubnis zum Holzeinschlag im Wert von Abertausenden Euro örtlichen Stammesführern für ein Trinkgeld abgekauft worden.

Von Zentralafrika über das Amazonasbecken bis in die Inselwelt Indonesiens verlieren die Wälder der Welt nach Schätzungen der Vereinten Nationen rund 13 Millionen Hektar im Jahr - netto, trotz der intensiven Aufforstungsbemühungen in anderen Teilen des Planeten. Eine Waldfläche so groß wie Griechenland geht damit jährlich verloren, und mit ihr unberührte Ökosysteme und biologische Vielfalt. Zwischen 1990 und 2005 seien drei Prozent der Waldfläche der Erde verschwunden, eine Waldfläche von mehr als der dreifachen Größe Deutschlands, meldete die Welternährungsorganisation FAO im März. Die Abholzung tropischer Wälder schadet der weltweiten CO2-Bilanz enorm. Die Erhaltung des Grüns gilt daher als wichtige Klimaschutzmaßnahme.

Doch die weltweite Holz-Konjunktur verstärkt den rasanten Raubbau: Besonders in China ist der Holzhunger kaum zu stillen. Das Land ist zum führenden Exporteur von Möbeln, Sperrholz und Fußbodenbelägen geworden. Der Rohstoff dafür wird importiert, nachdem Jahrhunderte der Nachfrage die chinesischen Wälder arg gebeutelt haben. Zudem hat die Pekinger Regierung in den neunziger Jahren nach verheerenden Überschwemmungen am Jangtze-Fluss versucht, den Einschlag in den vielen der noch bestehenden Wäldern zu stoppen.

Mit einem ehrgeizigen Aufforstungsprogramm trägt das Land netto sogar zum Wachstum der Waldfläche in Ostasien bei. Doch mit ihrer erstarkenden Wirtschaftskraft treten die Chinesen etwa in Brasilien nicht nur als Holzkäufer, sondern auch als Nachfrager für Eisenerz, Bauxit und besonders Soja auf - alles Faktoren, die zum Verlust von tropischem Regenwald führen. Rund ein Fünftel des Amazonasregenwaldes wurde bereits zerstört.

In Indonesien ist das Problem noch akuter. Nach Uno-Schätzungen wird das Land in 15 Jahren nahezu waldlos sein: Bis 2022 werde Indonesien 98 Prozent seiner noch vorhandenen Wälder einbüßen, wenn keine drastischen Gegenmaßnahmen eingeleitet würden. Rhinozeros, Tiger und Orangutan seien bedroht, wenn der Wald weiter schrumpfe.

Illegaler Holzschlag in 37 von 41 Nationalparks - das Geschäft wimmelt vor legalen Firmen, illegalen Fällkommandos, Militär und privaten Söldnern

"Bei diesem Tempo werden bis zum Jahr 2012 die Wälder Sumatras, Borneos und Sulawesis verschwunden und nur die Wälder von Papua noch übrig sein", sagte der indonesische Umweltaktivist Rully Sumada zu Reuters. Wie schwer jedoch ein Schutz zu verwirklichen ist, zeigt die gegenwärtig stattfindende Konferenz des Uno-Umweltprogramms (Unep) im niederländsichen Den Haag. Ein am heutigen Montag veröffentlicher Unep-Bericht resümmiert: "Satellitenbilder und Daten der indonesischen Regierung zeigen uns, dass in 37 von 41 Nationalparks illegal Holz geschlagen wird."

"Mit diesem Problem darf Indonesien nicht alleine gelassen werden", sagte Unep-Chef Achim Steiner. Doch die Bemühungen, weitere tropische Baumsorten unter Schutz zu stellen - und so deren Handel wenigstens einzuschränken - waren in den Niederlanden fast erfolglos. Rotholz war die einzige Spezies, die in den strengeren Anhang II der Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Faune and Flora (Cites) aufgenommen wurde. Daraus werden unter anderem Violinenbögen hergestellt. Der Versuch, weitere Bäume besser zu schützen, scheiterte am Widerstand mehrer Regierungen.

Wie eng die Verbindung zwischen Regierungen, legalen Firmen, illegalen Fällkommandos, Militär und privaten Söldnern ist, hatte erst kürzlich die britische Umweltschutzorganisation Global Witness angeprangert: Am Beispiel des südostasiatischen Kambodscha zeigte sie, wie eine kleptokratische Elite die natürlichen Ressourcen des Tropenwald-reichen Landes plündert.

Nur auf den schier endlosen Holzhunger Pekings zu verweisen, ist indes arg verkürzt: Nach den Chinesen sind beispielsweise die USA und die EU der zweit- und drittwichtigste Abnehmer für Holz aus Indonesien. Und Bodenbeläge, Massenmöbel und Mahagonikitsch aus chinesischer Produktion findet ebenso seinen Weg auf westliche Märkte.

Waldschutz-Experten plädieren für einen Ausbau von Kontroll- und Zertifikatsystemen. Das Netz aus legalen und illegalen Fällkommandos, Konzessionsnehmern, Zwischenhändlern, Brokern und Verwertern sei unglaublich unübersichtlich. "Wir ermutigen Käufer, jeden bis zum Beweis des Gegenteils für schuldig zu halten", sagte Scott Poynton von der Waldschutzorganisation Tropical Forest Trust (TFT) aus Genf in der Schweiz. China sei in diesem Netzwerk ein Riesenproblem, weil es illegales Holz aus der ganze Welt aufkaufe, verarbeite und wieder exportiere - eine Art globale Holzwäsche.

stx/rtr

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