Windhose Hamburgs Tornado überrascht Experten

Der Tornado von Hamburg hat schwere Verwüstungen hinterlassen - und war doch nur ein mittelstarkes Exemplar. Wetterexperten befürchten jedoch, dass die Deutschen es in Zukunft öfter mit verheerenden Windhosen zu tun bekommen.

Nicht länger als eine halbe Minute wütete die Windhose am Montagabend in Hamburg-Harburg, teilte der Deutsche Wetterdienst (DWD) in Offenbach mit. Das Ergebnis war dennoch verheerend: Die mächtige Luftsäule ließ zwei Baukräne umstürzen, riss die Kranführer in den Tod und hinterließ eine Schneise der Verwüstung.

"Mit einem Tornado wie dem von Hamburg-Harburg ist in Deutschland ungefähr alle zwei bis drei Jahre zu rechnen", erklärt Andreas Friedrich vom DWD im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Der Meteorologe zählt jedes Jahr zwischen 20 und 30 Tornados geringer Stärke in Deutschland. "Bei dem Harburg-Tornado handelt es sich allerdings bereits um einen stärkeren F2-Tornado", sagt Friedrich.

Ähnlich der Richter-Skala für Erdbeben gibt es für Tornados die sogenannte Fujita- oder F-Skala zur Messung der Intensität. Da es nur selten verlässliche Messungen der tatsächlichen Windgeschwindigkeiten gibt, wird die Schwere eines Tornados über die von ihm verursachten Schäden ermittelt. Die Skala reicht von schwach (F0) über stark (F2 und F3) bis verheerend (F4 und F5).

Nach Angaben der Meteorologen ist nicht vorhersehbar, ob sich Sturmböen zu Windhosen entwickeln. "Man kann in Deutschland nicht vor Tornados warnen, weil sie sich sehr kurzfristig entwickeln", sagt Friedrich. Mit Blick auf die Windhose von Hamburg nannte er es allerdings "sehr ungewöhnlich, dass es so früh im Jahr einen Tornado gibt". Mit dem viel diskutierten Klimawandel sei dies zwar nicht in Verbindung zu bringen. "Wenn die Klimamodelle allerdings recht behalten, könnten Tornados in Deutschland in Zukunft häufiger auftreten", sagt Friedrich.

Rotierende Luftsäulen

Charakteristisch für das aus den USA als Tornado bekannte Wetterphänomen ist ein äußerst starker rüsselartiger Luftsog, der kurzlebig und örtlich stark begrenzt ist. Die rotierenden Luftsäulen entstehen, wenn zwei große Luftmassen unterschiedlicher Temperatur und Feuchtigkeit aufeinander treffen. Solche Voraussetzungen sind bei einem Gewitter gegeben: Heiße und feuchte Luft steigt auf, kondensiert und bildet Gewitterwolken.

Je größer der Temperaturunterschied zwischen den Luftschichten ist, desto schneller bewegen sich die Luftmassen. Kollidiert die warme und feuchte Luft mit der kalten Höhenluft, bilden sich starke Luftwirbel. Weht dazu in großer Höhe noch ein starker Seitenwind, werden diese Wirbel während des Aufsteigens angedreht. Dadurch wächst aus der Gewitterwolke eine Windhose Richtung Boden. Der dabei entstehende Sog kann Dächer abdecken, Bäume entwurzeln und Wohnwagen umstürzen lassen.

In Mitteleuropa sind solche extremen Luftmassenunterschiede selten. Schwerste Tornados, wie sie hauptsächlich im mittleren Westen der USA vorkommen, verwüsten ganze Landstriche und reißen ganze Häuser mit sich. Sie erreichen Geschwindigkeiten von 270 bis 360 Kilometern pro Stunde und nähren sich manchmal über Stunden hinweg von bodennahen warmen Luftschichten.

Als stärkster jemals in Deutschland gemessene Tornado ist der "Pforzheim-Tornado" bekannt. Im Juli 1968 kamen bei dem Wirbelsturm zwei Menschen ums Leben, 300 wurden verletzt. Auf einer Schneise von 27 Kilometern Länge hinterließ der Sturm Sachschäden in Höhe von umgerechnet 55 Millionen Euro.

Menschen sollten sich bei einem Tornado möglichst im Innern von Gebäuden aufhalten, damit sie nicht von herumfliegenden Gegenständen getroffen werden. Am sichersten sind Keller oder andere fensterlose Räume, möglichst weit weg von den Außenwänden.

Denis Dilba/AFP/AP

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