Naturzerstörung Die Furcht vor der ersten Straße

Eine kleine Straße durch Wald und Wiesen scheint kein Problem zu sein - doch sie dient oft als Auslöser für großflächige Zerstörung der Umwelt, warnen Forscher.
Spuren des Menschen: Landwirtschaft nimmt großen Raum ein, wie auch dieses Falschfarbenbild von Feldern zeigt.

Spuren des Menschen: Landwirtschaft nimmt großen Raum ein, wie auch dieses Falschfarbenbild von Feldern zeigt.

Foto: EUSI/ DLR

Straßen, Staudämme, Bergwerke: In einem eindringlichen Appell warnt ein internationales Forscherteam vor einer beispiellosen Zerstörung von Natur. "Wir leben in der Ära der explosionsartigsten infrastrukturellen Ausbreitung in der Geschichte der Menschheit", schreiben die Forscher um William Laurance von der australischen James Cook University in Cairns in der Zeitschrift "Current Biology" .

Sie schlagen Maßnahmen vor, um den schädigenden Einfluss des Menschen auf Ökosysteme zu minimieren und die großen Dschungelgebiete in Südamerika, Afrika und Asien zu retten.

Bis Mitte dieses Jahrhunderts seien weltweit 25 Millionen Kilometer asphaltierter Straßen geplant - "genug, um die Erde mehr als 600-mal zu umrunden", schreiben die Forscher aus Australien, den USA, Großbritannien und den Niederlanden in einem Essay. "Neun Zehntel dieser neuen Straßen entfallen auf Entwicklungsländer, die viele der biologisch reichsten und unter Umweltaspekten wichtigsten Ökosysteme enthalten."

Allein im Amazonasbecken seien mehr als 150 große Staudammprojekte geplant oder bereits in Bau. In Südostasien seien am Mekong ein Dutzend solcher Projekte geplant, weitere Dämme im Kongobecken. "Afrika erlebt einen Rausch ausländischer Investitionen zum Abbau von Bodenschätzen", heißt es. Allein China investiere auf dem Kontinent mehr als 100 Milliarden US-Dollar (90 Milliarden Euro) - pro Jahr. Zudem habe der G20-Gipfel im vorigen November seine Absicht kundgetan, bis 2030 bis zu 70 Billionen Dollar (63 Billionen Euro) weltweit in neue Infrastruktur investieren zu wollen.

Empfehlungen der Experten

"Leider hat die derzeitige Lawine der Infrastruktur-Ausdehnung ernste Folgen für viele Ökosysteme und Arten", mahnen die Forscher. "Straßen, die in Wildgebiete eindringen, haben oft besonders schwere Folgen, sie können eine Büchse der Pandora von Umweltproblemen öffnen." Im brasilianischen Amazonasgebiet kämen auf jeden Kilometer legaler Straßen fast drei illegal gebaute Kilometer - die dann Abholzung, Bergbau, Wilderei oder Landspekulation in großem Stil ermöglichen.

"Die Herausforderung wird sein, Infrastruktur so zu planen und aufzubauen, dass die natürliche Umwelt, von der wir alle profitieren, respektiert wird", wird Co-Autor Thomas Lovejoy von der George Mason University in Fairfax (US-Staat Virginia) in einer Mitteilung zitiert. "Wenn wir das nicht mit äußerster Vorsicht angehen, wird das in einer Umweltkatastrophe enden", sagt Laurance.

Die erste Empfehlung lautet: "In intakten Biotopen den ersten Einschnitt vermeiden." Solche Einschnitte - also Straßen - seien in Waldgebieten die Keimzelle weiterer Naturzerstörung. Bei Staudamm- und Bergbauprojekten seien die Folgen oft noch schlimmer als die eigentlichen Vorhaben selbst. Dies müsse in Kosten-Nutzen-Analysen berücksichtigt werden. Finanzinstitutionen und Kreditgeber sollten Spezialisten beschäftigen, die die sozialen und ökologischen Folgen prüfen - und zwar bevor ein Projekt bereits bewilligt ist.

Zudem solle man bei der Planung nicht nur jene Gruppen einbeziehen, die an solchen Projekten verdienen, sondern auch jene, die etwas zu verlieren hätten, mahnen die Wissenschaftler.

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Anthropozän: Auf der Fährte des Menschen

Foto: JOHN MCCONNICO/ AP
boj/dpa

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