Susanne Götze

Zum Abschluss des Petersberger Klimadialogs Warum der Minimalkonsens nicht mehr reicht

Susanne Götze
Ein Kommentar von Susanne Götze
Die neuen Klimaziele machen auf den ersten Blick etwas her. Unglaubwürdig wird es, wenn man sich nun dafür lobt, dass man als schlechter Klimaschüler nachsitzen muss.
Damals noch Klimakanzlerin: Angela Merkel 2007 in Grönland

Damals noch Klimakanzlerin: Angela Merkel 2007 in Grönland

Foto: POOL/ REUTERS

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Bei einem informellen Gespräch mit einem Merkel-Vertrauten vor ein paar Jahren fragte ich, warum die Kanzlerin auf ihre alten Tage nicht noch mal zur richtigen Klimakanzlerin werden will. Sie habe doch nichts mehr zu verlieren. Die Antwort: Die Kanzlerin sei schon für Klimaschutz – aber eben eine Konsens-Queen. Gibt es Reibungen, suche sie brav nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner, vermittelt geduldig zwischen allen Streithähnen – eine brillante Diplomatin eben.

Doch diese Minimalkonsens-Politik hat in den vergangenen 15 Jahren auch nur zu einem Minimalkonsens-Klimaschutz geführt. In Zeiten einer galoppierenden Erderwärmung, bei der sich die Nachrichten aus der Wissenschaft wöchentlich in Dramatik überbieten, reicht das aber nicht mehr. Und mittlerweile fällt es auf, wenn sich hinter den Kulissen der Klimashow der Bundesregierung eigentlich Zögerer, Zauderer und Bremser verbergen.

Das konnte man diese Woche leider wiederholt beobachten: Natürlich hat die Bundeskanzlerin am Donnerstag wieder einmal an die Staatengemeinschaft appelliert, »schnell und solidarisch« gegen den Klimawandel vorzugehen. Auch stand die Bundesregierung ganz gut da, weil sie noch am Mittwoch ihre 2030er-Klimaziele auf 65 Prozent erhöhte – damit ist Deutschland zusammen mit Großbritannien Vorreiter in der EU.

Doch bei genauerem Hinsehen ist die Bilanz weniger glänzend: Die neuen Ziele hätte die Bundesregierung ohnehin machen müssen – und zwar auf Druck von Brüssel. In zwei Monaten wird die EU-Kommission – die ihre Ziele bereits im Dezember erhöhte – die Lasten in der Union neu verteilen. Deutschland muss dann mehr schultern. Und hat sich die 65 Prozent herausgepickt: Nicht einen Zentimeter mehr als nötig.

Zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht die Regierung zu einer Reform des Klimaschutzgesetzes verdonnert. Ergo: Richter kann man nicht mit einer Minimalkonsens-Politik und einer Maximal-Klimarhetorik nicht beeindrucken. Der Gipfel der Schamlosigkeit ist allerdings, wenn man sich nun dafür lobt, dass man als schlechter Klimaschüler nachsitzen muss.

Hinzukommt, was Angela Merkel auf dem Petersberger Klimadialog nicht gesagt hat: Am Mittwoch rief der britische Premier Boris Johnson im Kanzleramt an, um Merkel zu höheren Klimafinanzierungszusagen für ärmere Länder zu bewegen. Der Gastgeber der nächsten Weltklimakonferenz wollte die Bundesregierung gewinnen, um die internationalen Verhandlungen wieder in Gang zu bringen. Seit Jahren ringen die Staaten um angemessene Hilfen für arme Länder, die weder die Folgen der Klimakrise noch ihre Prävention finanziell handeln können.

Merkel sagte auf dem Petersberger Klimadialog in ihrer Rede aber nur: Deutschland habe sein Ziel »übererfüllt«. Zur Verteidigung der deutschen Seite gehört dazu, dass Großbritannien bisher nicht so viel gibt wie Deutschland. Außerdem kann die Kanzlerin kurz vor der Wahl schlecht über die Haushalte der nächsten Legislatur bestimmen. Doch ein Appell an andere Länder sich endlich zu beteiligen, wäre zumindest ein Stein des Anstoßes gewesen. So aber war die Botschaft: »Wir machen doch schon genug, jetzt ist auch mal gut.«

Gleichzeitig folgte der Absage an höhere Hilfszahlungen auch der Widerstand Merkels gegen die Freigabe der Impfpatente für ärmere Länder. Hier stellte sich die Kanzlerin demonstrativ hinter Unternehmensinteressen. Der Minimalkonsens: Man wolle ärmere Länder mit Impf-Spenden helfen. Dabei fordern Mediziner und selbst der amerikanische Präsident Joe Biden dringend eine Patentfreigabe, damit die Pandemie schnell eingedämmt werden kann.

Keine neuen Klimahilfen, keine Patentfreigabe und erzwungene Klimaziele: Alles zusammen ist eine schallende Ohrfeige für arme Länder und sicher keine Hilfe für die Klimaverhandlungen im November. Doch dann ist Frau Merkel vielleicht ohnehin schon in Rente.

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