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AUTOMOBILE Neue Zwerge

Eine Welle modern konzipierter Kleinstautos rollt an. Das erste ist schon da - natürlich aus Japan.
aus DER SPIEGEL 6/1981

Wie winzig er mit seiner Länge von nur 3,19 Metern wirklich geraten ist, zeigt sich, wenn er neben einem Kraftwagen normaler Größe parkt: Das Schuco-Auto für den menschlichen Transport ist da.

Sein Kleid ist recht hübsch geschnitten, wie man es sich für einen italienischen Kleinwagen vorstellen könnte. Der Neuankömmling aber stammt aus Japan und trägt, wie zum Tort für Bella Italia, auch noch einen italienischen Namen: »Cuore« (Herz).

Das Herzchen, getrieben von einem winzigen Zweizylindermotor (542 ccm) mit 28 PS, bildet die Vorhut einer ganzen Kavalkade ähnlich gearteter Klein-Autos, die auf den bundesdeutschen Markt zurollen. »Die wirtschaftliche Alternative mit Pfiff«, so nennt der Krefelder Autoimporteur Walter Hagen das winzige Frontantrieb-Auto des japanischen Herstellers Daihatsu, das letzte Woche im Spielcasino von Bad Neuenahr vorgestellt wurde. Sein Haupttrumpf: Nur 6,42 Liter Benzinverbrauch im Stadtverkehr. »Über 4000 Stück« will der Importeur noch in diesem Jahr verkaufen und »nächstes Jahr noch mehr«.

Aus Furcht vor rapide kletternden Benzinpreisen reifen auch bei westlichen Herstellern, so bei VW, General Motors und Renault, ähnlich konzipierte Kleinst-Kraftwagen heran, teils mit Dreizylindermotoren. Aber wenn sie, frühestens in zwei Jahren, auf den Markt kommen, hat sich die Autogroßmacht Japan auch in diesem neuen Marktbereich vermutlich schon fest etabliert: Honda, Suzuki, Mitsubishi und Subaru etwa haben ihre Mini-Minis mit Quermotoren längst fertig -sie sind schon unterwegs.

Die Abmessungen all dieser Winzlinge, deren Entstehung in Japan durch den Mangel an Parkraum beschleunigt wurde, erinnern an deutsche Kleinwagen nach beiden Weltkriegen, die damals ihre Käufer eher unglücklich machten.

Als ein Pionier funktionstüchtiger deutscher Kleinstautos gilt vielen der schnaufende Heckmotor-Hanomag von 1924, der wegen seiner Form als »Kommißbrot« in die Automobilgeschichte einging (Spottvers: »Ein bißchen Blech, ein bißchen Lack, und fertig ist der Hanomag"). Nach dem Zweiten Weltkrieg brachte der Benzinmangel noch 1949 deutsche Kraftfahrzeug-Ingenieure dazu, Arbeitsgemeinschaften zu bilden, um brauchbare Kleinwagen zu entwickeln.

Den Technikern schwebte ein Spar-Zwerg vor, der nur halb so stark wie der damals 24,5 PS leistende VW-Käfer-Motor, dafür mit 2500 Mark auch nur halb so teuer wie das knappe Wolfsburger Auto sein sollte. Das Vorhaben mißlang.

Wohl entstanden zahlreiche, teils abenteuerlich gestaltete Gefährte. Fast allen aber ging zum Gram ihrer Benutzer an Steigungen unter asthmatischem Keuchen die Puste aus, oder sie brachen mit mechanischem Gebresten in die Knie wie etwa der als »ein vollwertiges Automobil« angepriesene »Maico 500« von 1956.

Zu bescheidenem, einigermaßen zuverlässigem Transport verhalfen unter all dem Kroppzeug nur wenige, so das jaulende Sperrholzauto Lloyd LP 300 ("der Leukoplast-Bomber") oder das putzige Goggomobil aus dem niederbayrischen Dingolfing. Im Grunde behaupteten sich nur zwei aus den Entwürfen jener Jahre: Citroens lahme »Ente« und Fiats frugaler »126« -- und auch sie sparen, unter hohen Zugeständnissen an Sicherheit und Komfort, eigentlich nur ein wenig Benzin auf Kosten vieler anderer, denen sie vor der Nase herumkrebsen.

Trotz ihrer modernen Technik bieten die neuen Kleinstwagen der Cuore-Klasse ihren Benutzern weniger Sicherheit als Autos normaler Größe. »Kleine Autos schützen die Insassen weniger gut als große Wagen«, befand nach Prall-Tests Amerikas Bundesbehörde für die Sicherheit des Straßenverkehrs und nannte Autos, die beim Test schlecht abschnitten: Honda Civic, Datsun 310, Toyota Tercel, VW Golf Cabrio oder Honda Prelude -- allesamt größer als die neuen Zwerge.

Bei ersten Probefahrten mit dem recht teuren (8995 Mark) viertürigen Cuore erwies sich zudem, daß man es bestenfalls mit einem Stadt- oder Zweitwagen zu tun hat. Er läßt sich leicht einparken. Sein Kofferraum, bei Bedarf durch Opfern von Fondsitzen ausbaufähig, faßt im Normalzustand kaum mehr als einen Geigenkasten.

Das Temperament des Klein-Japaners täuscht: Aus dem Stand -- typisch für Leichtgewichte mit minimalen Reibungsverlusten -- geht das Herzchen ab wie Schmidts Katze, aber nach 30 Metern beruhigt er sich spürbar.

Auf der Autobahn gerät der Cuore, unter energischem Brummen äußerstenfalls zu 110 Spitze fähig, unversehens in das Reservat der Lastwagenfahrer. An Steigungen fällt die Herzkraft deutlich ab, beim Herunterschalten in den dritten Gang -- wie einst im Mai mit Nordhoffs Käfer -- ertönt dann ein furchtgebietendes Fauchen, ohne daß viel passiert.

Das Voll-Auto endet einstweilen noch beim VW Polo mit 50 PS. Daran kann auch nichts ändern, daß der Cuore sein warnendes Stimmchen wie bei einem Großen durch wahlweisen Druck auf zwei Huptasten am Lenkrad erhebt -- für jeden Daumen eine.

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