Nicht abbaubare Chemikalien Potenziell giftige PFAS könnten mehr als 1500 Orte in Deutschland belasten

Ein Mann entnimmt Bodenproben nahe dem US-Militärflugplatz Katterbach, wo eine erhöhte Konzentration an PFAS nachgewiesen wurde
Foto: Daniel Karmann / picture alliance/dpaSogenannte PFAS werden vielfach eingesetzt, in Jacken, Pfannen, Kosmetik. Gelangen sie einmal in die Umwelt, bleiben sie dort praktisch für immer. Sie reichern sich in Gewässern, Böden und in der Nahrungskette an, gelangen über die Luft in fast jeden Winkel der Erde. Im menschlichen Körper verweilen sie über viele Jahre – mit möglicherweise negativen Folgen für die Gesundheit.
Und die Chemikalien könnten weiter verbreitet sein als bekannt. In Deutschland könnten PFAS (gesprochen: Pifas) 1500 Orte belasten, berichten NDR, WDR, »Süddeutsche Zeitung« und andere Medien nach einer gemeinsamen Recherche. Die Bevölkerung werde oftmals nicht darüber informiert. Doch wie gefährlich ist das?
EU prüft Verbot von PFAS
Deutschland, Dänemark, Norwegen, die Niederlande und Schweden fordern ein Verbot der ewigen Chemikalien. Die EU-Chemikalienagentur (ECHA) wird den Vorstoß in den kommenden Monaten prüfen. Mit einer Entscheidung wird erst in einigen Jahren gerechnet.
Das grundlegende Verbot sei notwendig für den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt, wo sich die extrem langlebigen Chemikalien immer weiter anreichern, sagen die Initiatoren. Die Industrie hält den Schritt hingegen für unverhältnismäßig.
PFAS sind per- und polyfluorierten Alkylverbindungen. Diese Chemikalien kommen nicht natürlich in der Umwelt vor, sie sind also allesamt künstlich hergestellt. Die PFAS (gesprochen: Pifas) haben - grob gesagt - gemeinsam, dass sie auf molekularer Ebene aus mehr oder weniger langen Kohlenstoffketten bestehen, bei denen Wasserstoffatome ganz oder teilweise durch Fluoratome ersetzt sind.
Das mögliche breite Verbot ist besonders, weil nur für relativ wenige der Substanzen nachgewiesen ist, dass sie eine Gefahr darstellen. Wegen der enormen Vielfalt an Verbindungen ist ein Großteil der Stoffe bislang noch gar nicht untersucht. Bei dem geplanten Verbot handelt es sich also um eine Art Vorsichtsmaßnahme. Die Überlegung: Wenn einige der Substanzen nachweislich schädlich sind, könnten es viele andere, bislang nicht untersuchte Vertreter der Stoffgruppe auch sein.
Mögliche gesundheitliche Schäden
Einige PFAS sind bereits weitgehend verboten, weil sie als gefährlich gelten. »Von den relativ wenigen gut untersuchten PFAS gelten die meisten als mittel- bis hochtoxisch, vor allem für die Entwicklung von Kindern«, schreibt die Europäische Umweltagentur (EEA).
Die gesundheitlichen Schäden, die PFAS möglicherweise verursachen können, sind vielfältig (siehe Grafik). Studien ließen darauf schließen, dass sie etwa eine verringerte Antikörperantwort auf Impfungen bewirken können, schreibt das Umweltbundesamt auf seiner Website. Zudem gebe es »eindeutige Hinweise« auf einen Zusammenhang zu erhöhten Serumspiegeln von Cholesterin. Ein erhöhter Cholesterinspiegel gilt als Risikofaktor für Herzinfarkt und Schlaganfall.
Im Tierversuch seien bei entsprechend hohen Dosierungen eine Reihe von schädlichen Wirkungen gefunden worden, sagte Martin Göttlicher, Direktor des Instituts für Molekulare Toxikologie und Pharmakologie, Helmholtz Zentrum München: »Lebervergrößerung, Störungen des Fettstoffwechsels, abgeschwächte Immunreaktionen, Störungen der Reproduktionsorgane bis hin zu krebserzeugenden Eigenschaften.« (Mehr dazu lesen Sie hier .)
Laut der gemeinsamen Recherche gibt es in ganz Europa mehr als 17.000 Orte mit relevanter PFAS-Verschmutzung. Dazu gehören Flughäfen und Militärstandorte, wo früher PFAS-haltiger Löschschaum eingesetzt wurde, Kläranlagen und Deponien. Für die Analyse seien mehr als hundert Datensätze ausgewertet worden. An 2000 Orten soll die Verschmutzung gesundheitsgefährdend sein. In Deutschland gebe es 300 dieser Hotspots, hierzu zählen unter anderem:
der Düsseldorfer Flughafen, wo nach einem Großbrand Löschschaum in Boden und Grundwasser geflossen war, der PFAS enthielt.
Felder in Rastatt in Baden-Württemberg, auf denen mutmaßlich belasteter Papierschlamm verteilt wurde.
Auch in der Umgebung der sechs Fabriken in Deutschland, die PFAS herstellen, soll laut Forever Pollution Project die größte Gefahr für die Umwelt bestehen. Diese sind Solvay in Wimpfen, Daikin in Frankfurt am Main, Lanxess in Leverkusen und die Produzenten 3M, W. L. Gore und Archroma im bayerischen Chemiepark Gendorf bei Burgkirchen an der Alz.
In verschiedenen US-Staaten und in Frankreich hätten Behörden in der Nähe solcher Standorte ganz gezielt nach PFAS-Rückständen gesucht. NDR, WDR und »SZ« nutzten die Kriterien und übertrugen sie »so weit wie möglich auf Deutschland«. So identifizierten sie »Hunderte Orte, an denen Boden oder Grundwasser ebenfalls verschmutzt sein könnten«.
Laut einem aktuellen Bericht sind PFAS mittlerweile auf jedem Kontinent nachgewiesen worden, Tiere seien »voll mit den Ewigkeitschemikalien«. Die NGO Environmental Working Group hatte für den Bericht nach eigenen Angaben 125 Studien ausgewertet, in der Wildtiere auf PFAS getestet wurden. Jede einzelne von ihnen ergab Treffer. Betroffen seien mehr als 300 Spezies, darunter Eisbären, Tiger, rote Pandas aber auch Plankton.
Etwa hundert Lobbyverbände und Firmen sollen laut den Medienberichten gegen das geplante Verbot ankämpfen, darunter auch die deutschen Konzerne Bayer und BASF. Sie verweisen auf die Bedeutung der Stoffe etwa in der Produktion von Batterien, Halbleitern und Elektrofahrzeugen und fordern Ausnahmen, sollte es zu einem Verbot kommen. Alle Unternehmen versicherten gegenüber den Medien, sie hielten sich an die gesetzlichen Vorschriften und bemühten sich um eine Reduzierung der Schadstoffe.