Foto: DER SPIEGEL
Kerstin Kullmann

Physik-Nobelpreisträger Hasselmann Am anderen Ende der Leitung? Weltruhm!

Liebe Leserin, lieber Leser,

wie ist es, wenn am Morgen des ersten Dienstags im Oktober das Telefon klingelt und sich am anderen Ende der Leitung eine Stimme mit schwedischem Akzent meldet? Mein Kollege Johann Grolle hatte in den letzten Jahren verschiedentlich Gelegenheit, Physikern diese Frage zu stellen. Die Antworten fielen ziemlich unterschiedlich aus.

Der US-Amerikaner Kip Thorne hatte 2017 schon im Voraus Pressetermine vergeben , so sicher war er, dass er den Nobelpreis für die Entdeckung der Gravitationswellen bekommen würde. Der Garchinger Max-Planck-Direktor Reinhard Genzel  dagegen zeigte sich 2020 im SPIEGEL-Gespräch aufrichtig verblüfft, als er den Preis für den Nachweis eines supermassiven schwarzen Loches im Zentrum unserer Milchstraße bekam. Seine Überraschung allerdings galt nur dem Zeitpunkt: Er hatte damit gerechnet, dass er in einem späteren Jahr an der Reihe sein würde.

In diesem Jahr traf Johann Grolle nun erstmals auf einen frisch gebackenen Preisträger , der gar nicht fassen konnte, dass es wirklich um den Nobelpreis ging. »Irgendwie ist es lustig«, sagte der Klimaforscher Klaus Hasselmann ihm ziemlich verdattert.

Mitte der Siebzigerjahre entwickelte Hasselmann ein Verfahren, wie sich aus den natürlichen Schwankungen des Klimas die Signatur wichtiger Einflussfaktoren herauslesen lässt. In den Neunzigerjahren gelang es ihm dann, mithilfe dieses Verfahrens den Einfluss des Menschen aufs Weltklima nachzuweisen.

Dass das politisch höchst brisant war, war Hasselmann durchaus bewusst. Aber sich um die Konsequenzen seiner Entdeckung zu kümmern, fand er, sei nicht seine Sache. »Ich bin nicht der Typ dafür«, erklärte er Grolle.

In der Tat hat Hasselmann im Laufe seines langen Forscherlebens selten mit der Presse gesprochen. Sein ausführlichstes Interview gab er im Jahr 1992 – gesprochen hat er auch damals schon mit Johann Grolle. »Ich war damals ziemlich aufgeregt«, erzählte mir mein Kollege. »Es war das erste Mal für mich, dass ich allein ein SPIEGEL-Gespräch mit einem großen Wissenschaftler geführt habe.«

Herzlich

Ihre Kerstin Kullmann

Physiker Hasselmann im Gespräch mit Johann Grolle

Physiker Hasselmann im Gespräch mit Johann Grolle

Foto: Philipp Schmidt / DER SPIEGEL

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