Spanien Nerze erkranken an Vogelgrippe – Experten alarmiert

Stecken Nerze sich gegenseitig mit der Vogelgrippe an? Forscher halten das für möglich und warnen, dass das Virus damit langfristig auch für Menschen bedrohlicher werden könnte.
Nerzkäfige (in Dänemark 2020): Ständige Infektionsquelle?

Nerzkäfige (in Dänemark 2020): Ständige Infektionsquelle?

Foto: Mads Claus Rasmussen / dpa

Ein Ausbruch von Vogelgrippe auf einer spanischen Nerzfarm beunruhigt Experten. Sie sehen Anzeichen dafür, dass sich das Virus H5N1 an Säugetiere anpasst und dadurch auch dem Menschen gefährlicher werden könnte. Die Erreger seien schon vorher vereinzelt bei anderen Säugetierarten wie Waschbären, Füchsen, Mardern oder Seehunden gefunden worden, sagte Thomas Mettenleiter, Präsident des Friedrich-Loeffler-Instituts für Tiergesundheit, der Nachrichtenagentur dpa. Bisher seien es aber einzelne Ereignisse gewesen, bei denen das Virus von einem Vogel auf einen Säuger gelangt sei.

Bei dem Ausbruch in Spanien im vergangenen Oktober könnte es allerdings sein, dass »sich der Erreger wirklich von Säugetier zu Säugetier – also von Nerz zu Nerz – ausgebreitet hat«. Auch andere Forscher halten das für möglich bis wahrscheinlich. Die Ereignisse in der spanischen Nerzzucht könnten ein Hinweis auf einen weiteren Anpassungsschritt des Virus gewesen sein, sagt Mettenleiter.

Auf einer Farm in der nordwestlichen Region Galizien starben im Herbst 2022 erste Tiere, berichtete das Magazin »Science«. Zunächst gingen Tierärzte davon aus, dass das Coronavirus der Auslöser gewesen sei. Doch Tests ergaben, dass das H5N1-Virus zu den Todesfällen geführt habe. Daraufhin seien die mehr als 50.000 Nerze der Farm getötet und ihre Kadaver vernichtet worden. Die Mitarbeiter infizierten sich nicht. Vor einigen Tagen wurde eine Analyse des Falls im Magazin »Eurosurveillance« veröffentlicht .

Derzeit grassiert die größte jemals dokumentierte Vogelgrippewelle bei Vögeln. Sie erstreckt sich über mehrere Erdteile. Dadurch bekomme der Erreger mehr Gelegenheiten, auch auf Säugetiere überzugehen. Zudem seien die engen Haltungsbedingungen der Nerze für eine solche mögliche Ausbreitung unter diesen Tieren förderlich gewesen, sagt Mettenleiter. Das Ereignis in Spanien sei »auf jeden Fall ein Warnsignal«.

Nerzzucht als Nährboden für Mutationen?

Tom Peacock, Virologe am Imperial College in London, äußerte sich noch drastischer. »Das ist unglaublich besorgniserregend«, sagte er dem Magazin »Science« . Für ihn sei dies »ein klarer Mechanismus, wie eine H5-Pandemie starten« könnte.

Da die Rezeptoren, an die das Virus in den Atemwegen von Vögeln andockt, bei Säugetieren seltener vorkommen, bleiben diese laut »Science« meist von der Ansteckung verschont. Sie könnten jedoch beispielsweise durch die Aufnahme von Wildvogelkot oder das Erbeuten von infizierten Vögeln erkranken, erklärte die Virologin des Veterinärmedizinischen Forschungsinstituts Harbin in China, Hualan Chen, dem Magazin »Nature« . Eine Ausbreitung unter Säugetieren deute hingegen auf ein größeres Risiko für die öffentliche Gesundheit hin.

Wie leicht das bei den Nerzen gefundene Virus auch Menschen infizieren oder sich unter ihnen verbreiten kann, ist dem »Science«-Bericht zufolge nicht bekannt. Bei Virusproben von vier Tieren seien jedoch mehrere Mutationen gefunden worden. Eine von ihnen trage dazu bei, dass sich das H5N1-Virus besser im Gewebe von Säugetieren vermehren kann.

Der Vogelgrippeausbruch zeigt erneut die Risiken der Nerzzucht auf. Schon das Coronavirus, das von Menschen in Nerzfarmen eingeschleppt wurde, hat sich rapide unter den Tieren verbreitet. Forscher befürchten, dass die Nerzindustrie zu einer ständigen Infektionsquelle und einem Nährboden für Virusmutationen werden könnte.

Seit Jahren sucht die Vogelgrippe regelmäßig Europa heim. Während der Erreger im Zusammenhang mit dem Vogelzug in der Vergangenheit hierzulande vor allem in der kalten Jahreszeit auftrat, gab es zuletzt das ganze Jahr hindurch Infektionen. Für Menschen gilt das derzeit dominierende Virus als ungefährlich.

lov/dpa
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Playlist
Speichern Sie Audioinhalte in Ihrer Playlist, um sie später zu hören oder offline abzuspielen. Zusätzlich können Sie Ihre Playlist über alle Geräte mit der SPIEGEL-App synchronisieren, auf denen Sie mit Ihrem Konto angemeldet sind.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren