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Elektronenmikroskopie: Computer berechnet dritte Dimension

Foto: Jia et al. / Nature Materials

Elektronenmikroskopie Physiker erzeugen 3D-Bild aus 2D-Aufnahme

Aus einer einzigen zweidimensionalen Aufnahme haben Forscher die dreidimensionale Struktur eines Kristalls berechnet. Geht nicht? Doch - dank Quantenmechanik.

Wer mit einer herkömmlichen Kamera ein dreidimensionales Bild erzeugen will, braucht mehr als ein Foto. Er muss den Auslöser mindestens zweimal drücken - und dabei die Kameraposition verändern. Erst die Kombination zweier Perspektiven ermöglicht die Darstellung räumlicher Tiefe. Zumindest in der Nanowelt gilt dieses Grundgesetz der Optik jedoch offenbar nicht.

Wissenschaftler aus Jülich berichten nämlich über eine neue Methode der Elektronenmikroskopie, mit der sie aus einer einzigen Aufnahme die dreidimensionale Struktur eines Kristalls ermitteln können. Das Bild eines ultrahoch auflösenden Mikroskops reiche aus, um den Aufbau von Nanomaterialien auf das Atom genau berechnen zu können, berichtet das Team vom Peter Grünberg Institut im Fachblatt "Nature Materials" .

"Dreidimensionale Informationen aus einer einzigen, zweidimensionalen Aufnahme zu gewinnen, scheint auf den ersten Blick unmöglich", sagt Chunlin Jia, Leiter der Studie. Doch das Kunststück sei gelungen, weil das Experiment quantenmechanischen Regeln folge. Aus den Welleneigenschaften der Elektronen könne man die 3D-Daten rekonstruieren.

Elektronenwelle als hochempfindlicher Detektor für Atome

Im konkreten Fall untersuchten die Jülicher Forscher eine dünne Probe Magnesiumoxid. Sie positionierten den Kristall so im Mikroskop, dass sich eine Gitterachse genau parallel zur Beobachtungsachse befand, dem Weg der Elektronen. Dadurch lagen aus Beobachterperspektive stets mehrere Atome des Kristallgitters exakt hintereinander. Jede dieser Atomsäulen war später als heller Punkt auf der mikroskopischen Aufnahme zu sehen - siehe Fotostrecke oben.

"Auf dem Weg durch das Kristallgitter fungiert die Elektronenwelle des Mikroskops als hochempfindlicher Detektor für Atome und wird von jedem einzelnen Atom beeinflusst", erklärt Chunlin Jia. So könne man letztlich ermitteln, wo welche Atome im Gitter positioniert seien.

Um die dreidimensionale Struktur von Proben aufklären zu können, mussten bislang stets mehrere Aufnahmen mit einem Elektronenmikroskop gemacht werden. "Oft sind Dutzende oder gar Hunderte nötig", sagt Andreas Thust. Weil ein Elektronenmikroskop das zu untersuchende Material nicht mit Lichtteilchen (Photonen), sondern mit schnellen Elektronen durchleuchtet, werden Proben dabei über kurz oder lang beschädigt.

Die neue in Jülich entwickelte Methode schont Untersuchungsobjekte, weil sie nur eine einzige Aufnahme erfordert. Das Verfahren eigne sich daher besonders für strahlungsempfindliches Material, das durch den energiereichen Messstrahl rasch zerstört werde, schreiben die Forscher. Dank der vergleichsweise kurzen Aufnahmedauer könne man mit der Methode womöglich sogar kurzlebige Zwischenschritte chemischer Reaktionen beobachten.

Die Aufklärung der räumlichen Struktur von Kristallen gelingt bislang nur für sehr dünne Proben. "Das Maximum liegt bei 30 Atomlagen, was 6 Nanometern entspricht", sagt Thust. Doch das reiche für die Untersuchung der meisten Nanopartikel jedoch völlig aus.

hda

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