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Fotostrecke: Rekonstruktion eines Ruderboots

Foto: Universität Trier/ Ch. Schäfer, Hochschule Trier/ M. Hoffmann

Rekonstruktion Das Römerschiff aus dem 3D-Drucker

Wie die Ruderboote der Römer aussahen, haben Ausgrabungen bereits gezeigt. Aber wie verhielten sich die Schiffe im Wasser, wie schnell fuhren sie? Forscher aus Trier wollen diese Rätsel lösen - mit Hilfe von Modellen aus dem Computer.

Normalerweise entwirft Michael Hoffmann mit Studierenden am Rechner Prototypen für Fahrzeuge oder Gebrauchsgüter. An der Hochschule Trier leitet er den Fachbereich CAD, das steht für Computer-Aided Design, also rechnergestütztes Konstruieren. Auf ganz anderes Terrain hat sich Hoffmann nun in einem Projekt mit den Althistorikern der Universität Trier gewagt: Gemeinsam rekonstruieren sie ein römisches Patrouillenschiff.

Das Modell mit dem Baujahr 2011 soll dabei helfen, die Leistungsfähigkeit eines Römerschiffs zu bestimmen. "Es ist die Rekonstruktion einer Navis lusoria, eines römischen Patrouillenschiffs der Spätantike", erläutert Althistoriker Christoph Schäfer. Wie so ein Schiff aussah, wissen die Altertumswissenschaftler ziemlich genau. Denn 1981/82 fand man bei Bauarbeiten am Mainzer Rheinufer gleich vier dieser schnellen, schmalen Ruderfahrzeuge, die bei Bedarf auch gesegelt werden konnten. "Auf den Resten dieser vier Schiffe basiert unsere Rekonstruktion."

Zehn Monate lang bauten Forscher und Studenten auf dem Gelände einer Kaserne im rheinland-pfälzischen Germersheim an dem Schiff. Im April 2011 war es dann soweit: Die Lusoria Rhenana wurde zu Wasser gelassen und bewährte sich hervorragend. Doch was konnte so ein Schiff tatsächlich leisten? Mit modernsten elektronischen Messmethoden gingen die Forscher dieser Frage nach. Wie verhielt das Schiff sich bei unterschiedlichen Windstärken und -richtungen? Bei unterschiedlichen Strömungen?

Virtuelles Modell für Belastungstests

"Um wirklich verwendbare Daten für allgemeine Aussagen über die römische Schifffahrt zu bekommen, muss man die Lusoria Belastungstests aussetzen", sagt Schäfer. Mit einem Eins-zu-eins-Modell sei das natürlich sehr aufwendig. "Also haben wir uns gefragt, ob das auch virtuell mit einem CAD-Modell geht." Hoffmann ergänzt: "Mit dem digitalen Prototyp können wir auch Aspekte wie zum Beispiel Kinematik, Ergonomie, Dynamik oder Festigkeit untersuchen."

Also vermaßen Hoffmann und seinen Studenten die Lusoria Rhenana mit einem 3D-Scanner. Auch die Bestandspläne aus den Grabungen und die Zeichnungen eines Bootsbauers halfen bei der digitalen Rekonstruktion. "Der Weg zum digitalen Modell eines römischen Schiffes unterscheidet sich am Ende nicht wesentlich von den Methoden bei der Karosserieentwicklung eines Fahrzeugmodells", erläutert er.

Im nächsten Schritt beginnen nun die Vergleiche: Wie stehen die Leistungstests von Nachbau in Originalgröße und virtuellem Modell zueinander? Kann das Modell den Test mit dem Original wirklich ersetzen? Ist es am Ende vielleicht sogar besser dafür geeignet?

Um noch mehr Daten zu bekommen, testete Klaus Völker, Direktor des Instituts für Sportmedizin der Universität Münster, auf dem Halterner See eine Gruppe Sportruderer an den Riemen der Lusoria Rhenana sowie eines weiteren rekonstruierten Römerschiffs, der Victoria. Während die Probanden auf einer genormten Strecke bei verschiedenen Geschwindigkeiten an den Rudern schwitzten, maß Völkers Team den Blutdruck, die Herzfrequenz und die Laktatwerte. "So können wir zum Beispiel feststellen, welche Geschwindigkeiten die Ruderer bei Dauerbelastung erreichen," erläutert Schäfer.

Bei ersten Testfahrten hatte die "Victoria" unter Segel immerhin sechs Knoten erreicht, umgerechnet elf Stundenkilometer. Auch hier sollen zum Vergleich die menschlichen Bewegungsabläufe und die dabei auftretenden Belastungen für den Körper noch einmal im Rechner simuliert werden.

Kostenpläne für den römischen Warenhandel

"Doch selbst mit dieser Untersuchung sind die Möglichkeiten noch nicht erschöpft", fügt Hoffmann hinzu. So bereiteten seine Studierenden in einem Laborprojekt die CAD-Daten zum Ausdruck auf einem 3D-Drucker in seinem Labor an der Hochschule Trier auf. 20 Stunden brauchte das Gerät, dann war ein 90 Zentimeter langes Modell des im Original 18 Meter langen Schiffes fertig. "Mit einem größeren Modell könnten wir dann wiederum in den Strömungskanal gehen und weitere Testreihen durchführen", freut sich Schäfer.

Aber was hat man am Ende davon, genau zu wissen, wie schnell ein römisches Schiff wie lange unter welchen nautischen Bedingungen fahren konnte, bevor die Männer an den Rudern vor Erschöpfung kollabierten? "Wenn die Modelle sich als geeignet erweisen, können wir ein Stück noch unerforschte Wirtschaftsgeschichte rekonstruieren", erläutert Schäfer.

"Zum römischen Seehandel gibt es bisher nur sehr wenige Daten." Sind die Leistungen für unterschiedliche Schiffstypen bekannt, können zum Beispiel recht genaue Kostenpläne für den Warenhandel erstellt werden. "Aber wie weit wir mit den CAD-Modellen kommen und wo wir an Grenzen der Simulation stoßen, wird sich erst nach Abschluss der Untersuchungen zeigen."

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