DIY-Interface für Armprothese "Meine Gedanken gehen direkt in den Synthesizer"
Bertolt Meyer, Musiker und Psychologieprofessor
"Ich kann es wirklich schwer in Worte fassen, wie es sich anfühlt, so Musik zu machen."
"So Musik zu machen" bedeutet für Bertolt Meyer, bloß daran zu denken, dass sich in der Musik etwas verändern soll – und es passiert. Meyer trägt eine High-Tech-Armprothese und hat ein Gerät entwickelt, mit dem Nervenimpulse an seine Muskeln im Armstumpf einen Synthesizer steuern.
Der 43-jährige DJ und Psychologieprofessor ist mit Dysmelie zur Welt gekommen, ihm fehlt seit der Geburt der linke Unterarm – seit über 20 Jahren trägt der Musikliebhaber eine Prothese - und die wird immer ausgereifter.
Bertolt Meyer, Musiker und Psychologieprofessor
"Die Prothese merkt ja selbst, wenn sie was greift und hört dann auf zuzudrücken und erst wenn man dann nachdrückt, drückt sie weiter zu. Mit ein bisschen Training kann man damit sogar ein rohes Ei aus der Schachtel nehmen, ohne dass es kaputt geht."
Als Musiker stieß Meyer allerdings an die Grenzen der Technik: Die Schiebe- und Drehregler des Synthesizers verlangen mehr Feingefühl. Das schafft selbst sein über 30.000 Euro teures Modell nicht.
Die Lösung: Er nutzt die Umwandlung seiner Muskelsignale, um das Instrument anzusteuern. Auf Grundlage einer alten Prothese hat er zusammen mit dem Synthesizer-Hersteller KOMA diesen Aufsatz entwickelt und kann jetzt Teile seiner Musik mit Gedanken steuern.
Bertolt Meyer, Musiker und Psychologieprofessor
"Wir hören eine ganz einfache Sequenz, ein paar Noten. Und das Tolle bei so einem modularen Synthesizer ist ja, dass man so ziemlich jeden Parameter, den es gibt, über diese Kabel fernsteuern kann. Das kannst du irgendwo reinstecken, z.B. in die Tonhöhe. Da geht sie eine Oktave höher und nur weil ich das grade denke. Das heißt egal, wo du diese Kabel reinsteckst, du kannst halt alles mögliche damit machen. Ich denke: "Hand auf“ und dann passiert es, dass der Ton länger wird. (Ton wird länger) Und jetzt denke ich Hand zu (Ton wird kürzer).“
„Für mich verändert das natürlich die Kreativität, weil ich jetzt Dinge machen kann, die ich vorher nicht machen konnte. Auf einmal gehen so ganz schnelle Dinge. Auf einmal kann man auch Dinge viel besser kombinieren, also es geht vom Gedanken direkt in den Synthesizer.“
Mit seinem ersten YouTube-Video zu dem "SynLimb" getauften Prototypen begeisterte Bertolt Meyer Menschen auf der ganzen Welt, derzeit hat es über 850.000 Aufrufe. Heute wird ein neues Video aufgenommen und der Prototyp weiterentwickelt. Meyer möchte die Verbindung zwischen Mensch und Maschine noch intuitiver machen. In Zukunft soll die Armprothese mehr Steuerungsmöglichkeiten und ein kabelloses Gehäuse haben.
Bertolt Meyer, Musiker und Psychologieprofessor
"Die Limits sind die meines Körpers. In meinem Armstumpf sind nur zwei kleine Muskelreste, weil mein Unterarmstumpf extrem kurz ist. Da kann man einfach nicht besonders viele Informationen abgreifen, selbst wenn die Technik weiter wäre. Mein Körper gibt es einfach nicht her. Ich hoffe natürlich, dass sich das Ganze hier noch deutlich weiterentwickelt. Und wenn mich die Ingenieure, die diese Hand hergestellt haben, fragen, was ich mir noch wünsche, dann sage ich, ich würde gerne mit zweI Händen Klavier spiele können. Und da lachen die erstmal. Aber im Ernst: Was man möchte, ist ganz viel Feinmotorik und direkte Kontrolle. Diese Direktheit und die Feinmotorik ist, und da ist so ein direktes Interface wie dieses hier, glaube ich, ein interessanter neuer Weg, der sich mir jetzt auch öffnet.“
Sobald die Technik ausreift ist und Meyer sie richtig beherrscht, möchte er auch live auftreten – dann kann sein Publikum ihm dabei zuschauen, wie Gedanken fast unmittelbar zu Musik werden.