Atomkatastrophe Fukushima Japan muss gewaltige Bodenmengen entsorgen

Japan muss nach dem Atomunglück in Fukushima riesige radioaktiv belastete Gebiete reinigen. Eine neue Simulation zeigt: Die Menge an verstrahltem Müll, die dabei zusammenkäme, wäre kaum zu bewältigen. Derweil ist die Temperatur im Reaktor 2 des AKW erstmals unter die kritische Grenze gefallen.
AKW-Ruine Fukushima Daiichi: Radioaktive Wolke verstrahlte große Gebiete

AKW-Ruine Fukushima Daiichi: Radioaktive Wolke verstrahlte große Gebiete

Foto: REUTERS/ Tepco

Japan steht vor einer enormen Aufgabe: Mehrere Millionen Kubikmeter Boden sind nach dem AKW-Unglück von Fukushima radioaktiv kontaminiert und müssen nun entsorgt werden. Das ist das Ergebnis einer Simulation des japanischen Umweltministeriums, das jetzt offiziell bekanntgegeben wurde.

Es sind die ersten Schätzungen, die sechs Monate nach dem nuklearen Desaster das Ausmaß der radioaktiven Verseuchung deutlich machen. Betroffen ist dem Bericht zufolge eine Fläche von etwa 2400 Quadratkilometern, die sich über die Präfektur Fukushima und die vier Nachbarpräfekturen erstreckt. Zum Vergleich: Die gesamte Metropolregion Tokio hat eine Fläche von 2170 Quadratkilometern.

Erstmals wisse man, wie groß der gesamte Dekontaminations-Aufwand ungefähr sein werde, heißt es in dem Bericht. Das Umweltministerium hat nun dafür einen zusätzlichen Etat von etwa 450 Milliarden Yen (umgerechnet rund 4,3 Milliarden Euro) beantragt. Die Regierung will laut der Nachrichtenagentur Kyodo noch im Oktober darüber entscheiden. Bisher hat sie 220 Milliarden Yen (2,1 Milliarden Euro) für die Dekontamination bewilligt. Doch einige Experten gehen davon aus, dass die Maßnahmen ein Vielfaches davon kosten werden.

Bereits in den vergangenen Monaten haben Nichtregierungsorganisationen in Pilotprojekten Schulen und andere öffentliche Einrichtungen gesäubert. Schon dabei wurde erkennbar, welche Kosten eine großflächige Dekontamination verursachen könnte.

Fotostrecke

Das Leben nach Fukushima: Entseuchung der Heimat

Foto: SPIEGEL ONILNE

In ihrer Simulation gehen die Experten des Umweltministeriums davon aus, dass eine etwa fünf Zentimeter dicke Bodenschicht abgetragen werden muss, in der sich das radioaktive Cäsium befindet. Miteingerechnet wurden auch verseuchtes Laub und jener Dreck, der sich in den Regenrinnen sammelt - dort ist die gemessene Radioaktivität meistens am höchsten. Berücksichtigt wurden nur Flächen, an denen die zusätzliche Jahresdosis mehr als fünf Millisievert beträgt, inklusive einiger Gebiete mit einer Zusatzdosis von jährlich einem bis fünf Millisievert.

Würden diese Gebiete vollständig dekontaminiert und von radioaktivem Laub und anderen Abfällen befreit, so die Berechnung der Experten, käme ein Müllberg von rund 28 Millionen Kubikmetern zustande. Wahrscheinlicher aber ist, dass nur Teile der Gebiete gereinigt werden - etwa Standorte von Schulen, öffentlichen Einrichtungen und Wohnsiedlungen sowie landwirtschaftlich genutzte Flächen. Allerdings müsste dann der Zugang zu den übrigen, nicht gesäuberten Gebieten eingeschränkt werden. Selbst wenn nur Teilgebiete dekontaminiert würden, betrüge die Menge radioaktiven Abfalls dem Bericht zufolge immer noch rund 18 Millionen Kubikmeter.

Das wirft zudem ein weiteres Problem auf: Wohin mit dem radioaktiven Müll? Auch darüber hat die japanische Regierung bisher noch nicht entschieden.

In der Zwischenzeit hat der Energiekonzern Tepco aus dem havarierten AKW Positives zu vermelden: Die drei teils schwer beschädigten Reaktoren könnten bald unter Kontrolle sein.

Am Mittwoch habe das Kühlwasser im letzten der drei Atomreaktoren die kritische Temperaturgrenze von 100 Grad Celsius unterschritten, sagte ein Sprecher von Tepco . Damit sei eine wichtige Voraussetzung für die sogenannte Kaltabschaltung zum Jahresende geschaffen. Dieser Zustand ist erreicht, wenn das Wasser zur Kühlung der Brennstäbe dauerhaft kälter als 100 Grad ist und damit kein Wasser mehr verdampft.

Erst nach einer Kaltabschaltung dürfen die nach dem Reaktorunfall im März in Sicherheit gebrachten Bewohner wieder in ihre Häuser in der Nähe der Anlage zurückkehren. Tepco teilte mit, dass eine Kaltabschaltung erst dann erfolgen könne, wenn die von den Reaktoren ausgehende Strahlenbelastung weiter absinke.

cib/dpa
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten