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Neustart fürs Endlager: Die Suche nach dem Endlager

Foto: Sören Stache/ dpa

Atommüll Bayern sperrt sich komplett gegen Endlagersuche

Bund und Länder suchen dringend nach einem Ort für ein Atomendlager - im gesamten Bundesgebiet. Recherchen von SPIEGEL ONLINE zufolge sperrt sich jedoch ein Land gegen die Suche auf seinem Territorium: Bayern.

Wohin mit dem strahlenden Erbe aus deutschen Atomkraftwerken? Seit einem Jahr sucht eine Kommission im Auftrag von Bundestag und Bundesrat nach einem Endlager für hochradioaktiven Müll. Ende des Jahres will sie ihren ersten Bericht vorlegen. Doch ein Quertreiber droht den Plan im Anfangsstadium zu durchkreuzen.

Voraussetzung der beschlossenen Suche ist eine "weiße Landkarte" - die ganze Republik kommt also für ein Endlager infrage. Und alle Bundesländer, die Geologen für prinzipiell geeignet halten, zeigen sich weiterhin einverstanden, dass das Endlager schließlich auf ihrem Gebiet eingerichtet wird.

Alle Bundesländer - bis auf eines: Bayern ist nach Recherchen von SPIEGEL ONLINE das einzige Bundesland, das sich verweigert, obwohl es Wissenschaftlern zufolge auch dort zahlreiche endlagerfähige Landschaften gibt.

Proteste der anderen Länder

"Die Suche ist ergebnisoffen", erklärt das Bayerische Umweltministerium zwar auf Anfrage. "Nach vorliegenden Erkenntnissen des Bayerischen Landesamtes für Umwelt über den geologischen Untergrund sind Standorte in Bayern aber nicht geeignet für die Endlagerung", teilt das Ministerium mit.

Lange hatte sich Bayern gegen hochradioaktiven Atommüll gesperrt. Erst der vorige Umweltminister Bayerns Marcel Huber (CSU) hatte ein Endlager in Bayern für möglich erklärt. Doch nun macht seine Nachfolgerin Ulrike Scharf (CSU) den Rückzieher.

Bayerns Haltung stößt auf Unverständnis: "Nach Expertenmeinung gelten auch Standorte in Bayern für ein Endlager als möglicherweise geeignet", erklärt etwa das Umweltministerium des Saarlands. "Gesteine für die Endlagerung liegen auch in Bayern", sagt auch das Wirtschaftsministerium in Nordrhein-Westfalen. "Ich kenne keine wissenschaftliche Erklärung, warum Bayern ausscheiden sollte aus dem Prozess", bekräftigt ein Sprecher des Umweltministeriums in Baden-Württemberg.

"Bayern steht in der Verantwortung"

Tatsächlich hat die Bundesanstalt für Geowissenschaft und Rohstoffe BGR längst eine Karte vorgelegt, die Gesteinsformationen zeigen, in denen hochradioaktiver Müll verschlossen werden könnte. Salzstöcke, Tonschichten und Granitgebirge gelten als geeignet. Mit Ausnahme des Saarlands, Rheinland-Pfalz und den drei dicht besiedelten Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg kommen den Experten zufolge alle Länder infrage.

Bayern würde "Kernaussagen des BGR-Berichtes nicht korrekt wiedergeben", hatte das Bundesamt für Strahlenschutz bereits vor vier Jahren moniert. Die Weigerung Bayerns widerspricht der Haltung der anderen Länder: "Es gibt keine geografischen Vorfestlegungen - selbstverständlich gilt das auch für Baden-Württemberg", sagt etwa das Umweltministerium in Baden-Württemberg. Wolle man die Endlagersuche erfolgreich abschließen, müssten sich alle Beteiligten vor einseitigen Urteilen hüten.

"Bayern steht in der Verantwortung", erklärt das niedersächsische Umweltministerium. "Ob es dort geeignete Standorte gibt, kann nur auf Basis der Kriterien der Atommüllkommission beantwortet werden." Niedersachsen, das über Jahrzehnte mit dem Salzstock Gorleben im eigenen Land von der Endlagersuche geplagt wurde, kommt nach eigener Ansicht weiterhin infrage - "wie jedes andere Bundesland", sagt ein Sprecher.

"Bayern hat profitiert"

"Derzeit ist jegliche einseitige Festlegung auf geeignete und ungeeignete Regionen abwegig und unbegründet", betont das Wirtschaftsministerium in Nordrhein-Westfalen. Die Erdlagerkommission erarbeite die genauen Kriterien für die Endlagersuche gerade erst, gibt es zu bedenken.

Gerade wegen seiner wirtschaftlichen Historie stößt die Haltung Bayerns auf Unverständnis: "Die Kraftwerke Bayerns haben eine erhebliche Menge zur Produktion von hochradioaktiven Abfällen beigetragen", erklärt das Umweltministerium des Saarlands. "Deshalb kann sich Bayern nicht aus der Standortsuche auf seinem Territorium ausklinken."

Ähnlich sieht es auch der Verbraucherminister von Brandenburg, Helmuth Markov: "Ich hoffe, dass auch Länder, die stark vom Atomstrom profitiert haben, sich an der Lagersuche und der Standortprüfung in der eigenen Region beteiligen", sagt Markov.

Freude übers Endlager

Die meisten Bundesländer plädieren für einen strikten Zeitplan. Ursprünglich sollte das Endlager bis Mitte des Jahrhunderts in Betrieb gehen. Doch die Expertenkommission ist skeptisch: Der strahlende Müll könne womöglich erst in hundert Jahren verschlossen werden, hieß es im April.

"Wenn laufend andere Termine genannt werden, ist das nicht hilfreich", kritisiert nun das Energieministerium in Schleswig-Holstein. Eine Inbetriebnahme bis 2050 sei "zwingend erforderlich", meinen auch die Kollegen im Saarland.

Neben rechtlichen und technologischen Anstrengungen, drohen jedoch Bürgerproteste und Klagen die Einrichtung eines Endlagers zu verzögern. "Damit sich nicht ganze Regionen verweigern, müssen Anreize geschaffen werden", schlägt Schleswig-Holstein vor. In Spanien etwa reißen sich Gemeinden um Atomendlager - sie versprechen sich Arbeitsplätze und finanziellen Gewinn.

Der Autor auf Twitter:

http://axelbojanowski.de/

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