
Pannenflieger: Batterie-Misere an Bord des Dreamliners
Brennende Dreamliner-Batterien Boeings Leichtsinn traf auf schlampige Behörde
Der 7. Januar 2013 war der Auftakt zu einem Jahr des Schreckens für die Konstrukteure der Boeing 787. Der Dreamliner sollte der Hoffnungsträger für den US-Luftfahrkonzern sein - doch dann brannten die Batterien in einer Maschine auf dem Flughafen von Boston. Die Feuerwehrleute konnten den Brand nicht einmal mit einem Speziallöscher unter Kontrolle bekommen. Schließlich gelang es, die brennenden Energiespeicher auszubauen.
Es war Glück im Unglück: Nur wenige Minuten, bevor der Brand gemeldet wurde, waren die letzten Passagiere von Bord gegangen. Doch das Feuer war kein Einzelfall: Nur neun Tage später brannten erneut die Batterien an Bord einer Boeing 787, diesmal während des Fluges. Die Crew der japanischen Airline ANA musste notlanden, die Luftfahrtbehörden verhängten ein weltweites Startverbot für den Dreamliner.
Jetzt hat das National Transportation Safety Board (NTSB) der USA seinen lange erwarteten Abschlussbericht über den ersten Vorfall in Boston vorgelegt. Konstruktionsfehler und unzureichende Tests waren die Ursachen für die Batterieprobleme, erklärte die Verkehrssicherheitsbehörde. Ein Kurzschluss in einem der acht Lithium-Ionen-Akkus des Flugzeugs führte demnach zu einer Überhitzung und zum Brand, der dann auf die übrigen Batterien übergriff. Die Folge waren starke Rauchentwicklung, der Ausstoß brennbarer Stoffe aus den Batterien und ein Feuer.
Kritik an Boeing, der FAA und Batteriehersteller GS Yuasa
Die NTSB übt scharfe Kritik nicht nur an Boeing, sondern auch an der Flugsicherheitsbehörde FAA, die für die Zulassung des Dreamliners verantwortlich war. Die Ermittlungen hätten "Mängel bei Entwicklung und Zertifizierung" aufgedeckt, die einen Unfall wie den in Boston eigentlich hätten ausschließen sollen, sagte NTSB-Chef Christopher Hart. "Zum Glück hat sich dieser Vorfall ereignet, als das Flugzeug am Boden stand und Feuerwehrleute sofort verfügbar waren."
Beim Bordaggregat und den Lithium-Ionen-Batterien der Boeing 787 habe es sich um neue Technologie gehandelt, die "von den existierenden Bestimmungen nicht ausreichend abgedeckt wurde", heißt es in einer NTSB-Mitteilung. Deshalb habe die FAA von Boeing verlangt, spezielle Anforderungen zu erfüllen, um zu beweisen, dass die Batterien sicher sind.
Obwohl Boeing die Möglichkeit in Betracht gezogen habe, dass eine Batteriezelle überhitzen und benachbarte Zellen in Brand setzen könnte, habe der Flugzeughersteller dieses Szenario ausgeschlossen. Doch eine technische Begründung für diese Einschätzung habe Boeing nicht geliefert. Deshalb sei die Möglichkeit des überspringenden Brandes in den Batterien "von den Boeing- und FAA-Ingenieuren unzureichend geprüft worden", so das NTSB. "Auf diese Weise konnte diese Sicherheitslücke im Zertifizierungsprozess unerkannt bleiben."
CT-Bilder von Batterien zu niedrig aufgelöst
Harsche Kritik muss sich auch der Batteriehersteller GS Yuasa gefallen lassen. Man habe "eine Reihe von Konstruktions- und Herstellungsmängeln" entdeckt, die zu Kurzschlüssen in den Batterien hätten führen können, so das NTSB. Unter anderem seien Produktionsprozesse nicht den in der Industrie üblichen Praktiken gefolgt. Auch in der Qualitätskontrolle des Batterieherstellers hat das NTSB Lücken entdeckt: Zwar habe GS Yuasa die Akkus vor der Auslieferung mit einem Computertomografen durchleuchtet, doch die Bilder seien so gering aufgelöst gewesen, dass NTSB-Experten bei einem Besuch viele Details im Inneren der Batterien nicht hätten erkennen können.
Die Behörde hat nun 15 Sicherheitsempfehlungen an Boeing, die FAA und den Batteriehersteller GS Yuasa ausgesprochen. Unter anderem empfiehlt sie der FAA, ihre eigenen Ingenieure und die der Flugzeughersteller besser anzuleiten und auszubilden, damit sie potentielle Sicherheitsprobleme bei neuen Technologien künftig besser identifizieren können.
Die Batterien spielen eine zentrale Rolle im Dreamliner; kein anderes Verkehrsflugzeug trägt so viele davon wie er. Boeing wählte besonders leistungsfähige Akkus mit hoher Energiedichte. Der Nachteil: Solche Batterien gelten auch als besonders feuergefährlich. Nach den Bränden musste Boeing dem Dreamliner ein neues Batteriesystem spendieren; im April 2013 bekam das Flugzeug wieder Starterlaubnis.
Doch die anfänglichen Probleme mit dem Dreamliner waren damit keineswegs vorbei. Im August 2013 wurde bekannt, dass bei drei 787-Maschinen die Feuerlöschanlagen der Triebwerke falsch verkabelt waren. Im Oktober musste eine 787 wegen einer defekten Toilette umkehren, wenige Tage später landete ein Dreamliner in Indien mit einem Loch im Rumpf. Im November 2013 warnte die FAA davor, dass Eiskristalle in den Triebwerken zu Notlandungen führen könnten.