
Tauchboote: Jagd nach Geheimnissen der Tiefsee
Chinas Tiefsee-Tauchboot "Seedrache" soll im Meer nach Rohstoffen fahnden
China weitet seine Forschungsprojekte rasant aus - und nach dem Weltraum ist nun die Tiefsee an der Reihe. Derzeit lässt Peking im Nordwesten des Pazifiks ein hochmodernes Tauchboot testen, die "Jiaolong" - übersetzt bedeutet der Name Seedrache. Noch in dieser Woche soll es mit einer dreiköpfigen Besatzung an Bord in eine Tiefe von 5000 Metern vorstoßen. Läuft alles nach Plan, wird die "Jiaolong" im kommenden Jahr sogar auf 7000 Meter abtauchen - tiefer als jedes andere aktive Tauchboot der Welt.
Die "Jiaolong" operiert von einem Mutterschiff aus, der "Xiangyanghong 9". Die vier geplanten Tauchgänge auf hoher See sind Teil einer chinesischen Strategie zur Erschließung von Rohstoffdepots am Boden der Ozeane. Es geht vor allem um sogenannte Manganknollen. Das sind Gesteinsbrocken in denen sich neben Mangan auch Kobalt, Kupfer, Nickel und Eisen finden. Auch wenn deren tatsächliche Förderung noch weit in der Zukunft liegt, ist die aktuelle Fahrt ein wichtiger Schritt dorthin. Die Regierung in Peking hat bei der Internationalen Meeresbodenbehörde in Jamaika die Erkundungsrechte für ein 75.000 Quadratkilometer großes Meeresgebiet im Pazifik gekauft.
Dort soll die "Jiaolong" nun zum Einsatz kommen. Wegen schlechten Wetters sei der erste geplante Tauchgang in dem Areal zwischen Hawaii und dem US-Festland allerdings verschoben worden, berichtete die Nachrichtenagentur Xinhua. Der Chef des Tests, Liu Feng, sagte bei einer Videokonferenz mit Vertretern der chinesischen Ozeanbehörde, man werde die Zeit für weitere Vorbereitungen nutzen.
Erste Versuche mit dem acht Meter langen Tauchboot hatte es bereits im vergangenen Sommer im südchinesischen Meer gegeben. Bei insgesamt 17 Tauchgängen stieß die "Jiaolong" dabei bis in 3759 Meter Tiefe vor. "Sie sind sehr vorsichtig", hatte US-Tauchbootpionier Don Walsh damals in der "New York Times" über die Chinesen gesagt. "Sie haben Respekt vor dem, was sie nicht wissen, und arbeiten hart daran, es zu lernen." Besonders stolz ist man in China darauf, dass das 22 Tonnen schwere Tauchboot zu wesentlichen Teilen in der Volksrepublik entwickelt und nicht einfach auf dem internationalen Markt eingekauft wurde.
Das Herzstück, die gut zwei Meter messende Druckhülle aus Titan, stammt allerdings ursprünglich aus Russland. Auch aus den USA besorgten sich die Chinesen Komponenten. Technologie-Import dieser Art ist im Grundsatz nichts Besonderes: So orderte die Sowjetunion einst ihre bis heute im Einsatz befindlichen "Mir"-Boote in Finnland. Und Tiefseepionier Auguste Piccard ließ die Druckkammer für seine "Trieste", mit der er im Januar 1960 eine Tauchtiefe von 10.910 Metern erreichte, aus Deutschland anliefern.
Autopilot für Reise am Ozeanboden entlang
Die "Trieste" ist längst Geschichte - und die "Jiaolong" gehört zu einer ebenso überschaubaren wie exklusiven Flotte von Tiefseefahrzeugen. Die USA verfügen nur noch über das Tauchboot "Alvin", das theoretisch 4500 Meter erreichen kann. Im Moment wird das 1964 gebaute Fahrzeug allerdings generalüberholt. Geht alles glatt, kann es in vier Jahren wieder tauchen. Ansonsten gibt es nur noch die beiden russischen "Mir"-Boote (Maximaltiefe 6000 Meter), die aktuell den Genfer See in der Schweiz erforschen, die französische "Nautile" (ebenfalls 6000 Meter) und das japanische Boot "Shinkai" (6500 Meter).
Die "Jiaolong" ist nach Angaben ihrer chinesischen Erbauer moderner als die Konkurrenz. So hat sie zum Beispiel eine Art Autopilot, mit dem sie ohne menschliche Hilfe in konstanter Entfernung zum Ozeanboden dahinschweben kann. Dort kann sie Videos und Fotos aufnehmen, aber auch Proben sammeln und zur Oberfläche bringen.
Das Tauchboot wird keine Rohstoffdepots anzapfen, sehr wohl aber an deren Erkundung mitarbeiten - deswegen ist es für die chinesische Forschung so wichtig. Die Mineralienförderung aus der Tiefsee, seit Jahrzehnten diskutiert, wird aktuell wieder zum spannenden Thema - wegen konstant steigender Preise auf den Weltmärkten. Auch Deutschland hält deswegen Erkundungsrechte an einem Gebiet im Pazifik. Statt mit einem Tauchboot wird das Areal allerdings mit Forschungsschiffen von der Oberfläche aus unter die Lupe genommen.
China hat sich in der Tiefsee besonders viel vorgenommen. Das neue Tauchboot ist ein entscheidender Baustein der Erkundungsstrategie, doch vielleicht noch wichtiger ist die Forschungsbasis im Hafen von Qingdao. Hier sollen Forschergruppen gezielt die Ausbeutung der unterseeischen Ressourcen vorbereiten. Und auch die "Jiaolong" und ihr Mutterschiff sollen von der neuen Basis aus zu ihren Reisen aufbrechen. In drei Jahren soll das Millionenprojekt fertiggestellt sein, das sich über 26 Hektar Baufläche erstrecken soll.
Mit gemischten Gefühlen betrachtet man diesen Vorstoß in den USA, die derzeit ganz ohne Tauchboot dastehen. Interessante Areale am Boden der Tiefsee kann sich Washington ebenfalls nicht sichern - weil es das dazu nötige Uno-Seerechtsübereinkommen bis heute nicht unterschrieben hat. Einst fürchtete die US-Regierung durch das Abkommen Nachteile für den Einsatz der Navy auf den Weltmeeren - und mittlerweile hat die von einem Rekorddefizit geplagte Administration offenbar schlicht andere Probleme. Stattdessen machen sich Chinas Forscher auf den Weg in die finsteren Tiefen. Prompt erinnert man sich in den USA daran, dass 2005 fünf chinesische Forscher bei der Woods Hole Oceanographic Institution Fahrten im "Alvin"-Tauchboot gebucht hatten.
Einer von ihnen war Ye Cong. Er sitzt mittlerweile am Steuerknüppel der "Jiaolong".