

Luftfilter, Ventilation, Desinfektion Auch Architekten müssen Viren bekämpfen

Liebe Leserin, lieber Leser,
von Infektionskrankheiten haben die Menschen auf schmerzliche Weise auf ganz verschiedenen Gebieten viel gelernt. Corona darf und wird da keine Ausnahme sein.
Die Hamburger wissen zum Beispiel spätestens seit der Cholera-Epidemie von 1892, wie wichtig die hygienisch einwandfreie städtische Wasserversorgung und Kanalisation sind. Ausbrüche von Salmonellen, Listerien und Noroviren führen uns immer wieder vor, dass Kühlketten Leben retten können. Nicht immer wird die Botschaft gleich verstanden: Als der Arzt Ignaz Semmelweis um 1850 behauptete, er könne das Leben von Wöchnerinnen durch die Desinfektion seiner Hände retten, wurde er von seinen Kollegen ausgelacht und angefeindet; der arme Mann starb im Irrenhaus.
Auch die Coronapandemie hält Lektionen parat. Im Wissenschaftsmagazin »Science« fordern nun 39 Aerosolforscher und Ingenieure einen »Paradigmenwechsel«: Bisher sei die Qualität der Luft in Innenräumen vernachlässigt worden – weil die Bedeutung der in der Atemluft schwebenden infektiösen Partikel über Jahrzehnte unterschätzt worden sei. Damit müsse nach Corona Schluss sein. Architekten und Bauingenieure, so fordern die Autoren, müssen künftig schon bei der Gebäudeplanung an Pathogene und deren Ausbreitung denken. Themen wie Belüftung, Luftfiltration und -desinfektion müsse fortan die gleiche Bedeutung zukommen wie der Energiebilanz eines Gebäudes. Bislang werde solcherlei höchstens beim Neubau von Krankenhäusern berücksichtigt.
Wo sich viele Menschen lange aufhielten, da brauche es künftig konsequente Maßnahmen der Lufthygiene. Die Staaten müssten neue Standards für mikrobiologisch unbedenkliche Luft festlegen und diese auch durchsetzen. Im öffentlichen Raum, etwa in Restaurants, Bars, auch in Bus und Bahn, müsse es zumindest Anzeigen geben, die jeden Anwesenden darüber informieren, wie es um die Qualität seiner Atemluft steht. Bessere Sensoren sollten solche Anzeigen in Zukunft sehr viel leistungsfähiger machen. An die Luft, so empfehlen die Forscher, sollten Menschen künftig die gleichen Ansprüche stellen wie an die Sauberkeit ihres Trinkwassers. All dies werde nicht nur helfen, Leben zu schützen, auch der Krankenstand wegen Grippe und Erkältung werde massiv sinken, womit der Wirtschaft Milliardenschäden erspart blieben.
Ich denke, dies könnte nur eine von vielen Lehren sein, die wir nach Corona ziehen werden. Die Welt, in der wir künftig leben, wird in vielen Bereichen besser sein (müssen) als jene vor dem Januar 2020. Und davon werden wir profitieren in der nächsten Pandemie, wann immer sie kommt.
Herzlich
Ihr Marco Evers
Abstract
Meine Leseempfehlungen dieser Woche:
Die Babys von heute sollen in einer klimaneutralen Welt leben, noch bevor sie ihren 30. Geburtstag feiern. Kann das klappen? Die Internationale Energieagentur IEA hat dazu einen Stufenplan veröffentlicht – und meine Kollegin Viola Kiel hat diesen auf seine Realisierbarkeit abgeklopft, zusammen mit dem Physiker und Politologen Christoph Bertram vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Fazit: Ja, das 1,5-Grad-Ziel ist noch erreichbar. Leicht wird es natürlich keineswegs, und wir müssen uns sofort ins Zeug legen, nicht irgendwann.
Für die klimaneutrale Welt braucht es vor allem eines: Einen enormen Ausbau der erneuerbaren Energien. Und dieser findet tatsächlich schon statt. In einem weiteren Bericht beschreibt die IEA den gegenwärtigen Super-Boom, vor allem bei der Windkraft. Die weltweit installierte Leistung von grüner Energie nimmt derzeit um 280 Gigawatt pro Jahr zu – was einem Zuwachs um mehr als 45 Prozent gegenüber den Jahren unmittelbar vor Corona entspricht.
Schicksal Kleinhirn: Beim Altern schrumpft das Gehirn des Menschen, und gar nichts kann diesen Niedergang aufhalten, nicht einmal Bildung. Das hatten Forscher unter anderem von der Max-Planck-Gesellschaft vielleicht auch im eigenen Interesse gehofft – doch Pusteblume .
Raucher erkrankten seltener an Corona, das stellte eine Studie fest, die letztes Jahr im »European Respiratory Journal« erschienen war. Das Ergebnis stand im krassen Gegensatz zu den Erkenntnissen vieler Intensivmediziner. Jetzt hat die Fachzeitschrift die Arbeit zurückgezogen. Warum? Der verantwortliche Forscher habe seine Kontakte zur Tabakindustrie verschwiegen .
Am Flughafen von Helsinki haben Spürhunde mit ihrer feinen Nase Fluggäste erkannt, die mit Corona infiziert waren. In Schnellkursen bildet jetzt ein niederländisches Start-up ganz andere Tiere zu Diagnostikern aus, die für das Virus und weitere Infektionen sogar einen noch besseren Riecher haben: Honigbienen .
Quiz*
Wie hoch ist der Anteil des Klimagases Kohlendioxid an der Erdatmosphäre?
A = 0,04 Prozent
B= 4,04 Prozent
C = 15,04 Prozent
Welcher der folgenden Orte hat sich in den letzten 100 Jahren am stärksten aufgewärmt?
A = Kuwait-Stadt
B = Ougadougou, Burkina Faso
C = Longyearbyen, Spitzbergen (Norwegen)
Welcher Staat ist aktuell der größte Emittent von Kohlendioxid?
A = USA
B = China
C = Russland
*Die Antworten finden Sie ganz unten im Newsletter.
Bild der Woche

Vorbereitung auf den Ernstfall, mitten im Ernstfall. In Erwartung des Zyklons »Tauktae« bewachten Mitglieder des indischen Katastrophenschutzes in diesen Tagen einen Strandabschnitt ihres Bundesstaats Gujarat. »Tauktae« wütete dort inmitten der Pandemie als stärkster Sturm seit 1998. Bilanz einer tragischen Woche: Dutzende Sturmtote, Hunderte Virustote. Mehr als 200 000 Menschen waren evakuiert worden, die Impfkampagne musste eine wetterbedingte Pause einlegen.
Fußnote
816 Kilometer pro Tag legten Mauersegler zurück, die eine schwedische Forscherin über mehrere Jahre beobachtet hat. Die schnellsten Vögel hielten ihr Pensum auf den Wanderungen zwischen Nordeuropa und dem tropischen Afrika sogar neun Tage am Stück durch. Bislang hatten Biologen den Ausdauerkünstlern »nur« Tagesstrecken von 500 Kilometern zugetraut. Mauersegler fliegen fast immer, auch im Schlaf, auch während der Kopulation, nur zum Brüten bleiben sie am Boden.
Empfehlungen aus der Wissenschaft
*Quizantworten
1) A.
2) C. Die Welt insgesamt ist 1,2 Grad Celsius wärmer als in vorindustrieller Zeit. Am Flughafen von Longyearbyen auf Spitzbergen beträgt die Erwärmung seit 1961 aber bereits 5,6 Grad. Die Arktis hat sich schneller aufgeheizt als jede andere Region.
3) B.