Legendäres Wrack im Südpolarmeer Expedition findet das 1915 gesunkene Shackleton-Schiff »Endurance«
Vor rund einhundert Jahren versank die »Endurance« im Südpolarmeer, während im Rest der Welt ein Krieg tobte. Nun wurde das Wrack von einer Expedition aufgespürt, mithilfe eines alten Logbuchs kombiniert mit Satellitenbildern, einem Tauchroboter und einer großen Portion Hartnäckigkeit.

Das Wrack der »Endurance« am Meeresgrund des Weddellmeeres, aufgenommen mit einem Tauchroboter.
Foto: Falklands Maritime Heritage Trust / National GeographicEs galt als ein fast unmögliches Unterfangen: das Auffinden der »Endurance«, des Segelschiffs der Antarktisexpedition des britischen Abenteurers Ernest Shackleton. Der beschrieb die weiße Wüste aus Meereis und gefährlichen Strömungen als »den schlimmsten Teil im schlimmsten Meer der Welt«. Die »Endurance« (zu Deutsch: »Ausdauer«) wurde 1915 zwischen Eisschollen des Weddellmeeres zerdrückt und verschwand am Grund des Südpolarmeeres. Die 28-köpfige Besatzung rettete sich damals mit Rettungsbooten, Hartnäckigkeit und Teamgeist, eine Meisterleistung, die bis heute in Managementseminaren gelehrt wird.

Eines der letzten Fotos der »Endurance« vor dem Versinken im Meer, 1915.
Foto: Frank Hurley / Royal Geographical Society / Getty ImagesGut einhundert Jahre nach dem Untergang vermeldet nun die Expedition namens »Endurance 22« einen Triumph. Es ist gelungen, die »Endurance« aufzuspüren, in einer Tiefe von 3008 Metern, und ungefähr vier Meilen südlich der letzten Position, die der Kapitän damals im Logbuch festgehalten hatte. Fotos und Videos belegen: Das Wrack befindet sich in hervorragendem Zustand.

»Dies ist bei Weitem das beste hölzerne Wrack, das ich je gesehen habe«, sagt der Forschungsdirektor der Expedition
Foto: Falklands Maritime Heritage Trust / National Geographic»Wir sind überwältigt von unserem Glück«, sagt Mensun Bound, der Forschungsdirektor der Expedition: »Dies ist bei Weitem das beste hölzerne Wrack, das ich je gesehen habe. Es steht aufrecht, es erhebt sich über dem Meeresboden, es ist gut erhalten, es ist hervorragend erhalten.« Sogar der Name des Schiffes prangt klar lesbar auf dem Heck.
Labyrinth aus schmalen Wasserrinnen und malmenden Eisflächen
Gelungen sind die Aufnahmen mithilfe eines ferngesteuerten Tauchroboters (AUV) namens »Sabertooth«, hergestellt von der schwedischen Firma Saab. »Dies war das komplexeste Unterwasserprojekt aller Zeiten, wir haben dabei diverse Weltrekorde gebrochen«, sagt Nico Vincent, der Projektmanager für die Unterwassersuche.

Das Expeditionsschiff »SA Agulhas II« bei der Suche nach dem Wrack der »Endurance«.
Foto: Nick Birtwistle / Falklands Maritime Heritage TrustAuch Forschende aus Deutschland halfen beim Aufspüren des Wracks. »Wir haben bei der Navigation geholfen«, sagt Stefanie Arndt, Spezialistin für Meereis am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven. Geleitet wurde das wissenschaftliche Team an Bord von Lasse Rabenstein von der Firma Drift&Noise aus Bremen. In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) war das Wissenschaftsteam an Bord damit betraut, die Meereisdrift durch eine Kombination von Beobachtungen vor Ort sowie Satelliten- und Modelldaten vorherzusagen und so die günstigste Route für das südafrikanische Forschungsschiff »SA Agulhas II« zu bestimmen – ein kompliziertes Hindurchwinden durch ein Labyrinth aus schmalen Wasserrinnen und malmenden Eisflächen. Mit Erfolg.

Meereisforscherin Stefanie Arndt, mit gelbem Parka in der Mitte, bei der Arbeit.
Foto: Esther Horvath»Es war eine Suche nach der Nadel im Heuhaufen«, sagte Arndt in einem Gespräch mit dem SPIEGEL von ihrer Kajüte an Bord des Expeditionsschiffes aus, das sich mittlerweile auf der Rückreise befindet. »Normalerweise findet man hier eine geschlossene Meereisdecke vor, aber dieses Jahr hatten wir im Südsommer ein Meereisminimum – das hat uns geholfen.« Neben der Hilfe bei der Navigation hat Arndts Team etliche Eisproben nehmen können.
Das Wrack soll nicht gehoben werden, denn nach dem Antarktisvertrag gilt es als Kulturgut der Menschheit, das unter strengem Schutz steht. Die Expedition bringt als Souvenir lediglich Fotos, Videos und 3D-Daten mit zurück nach Kapstadt. Und ein weiteres Kapitel zu einer ohnehin schon legendären Abenteuergeschichte.