Energieerzeugung Gaswerke unter Tage bringen mehr ein

Werk zur Kohlevergasung im tschechischen Vresova: Tiefe Kohlevorkommen erschließen
Foto: PETR JOSEK/ REUTERS
Grafiken: Prinzip der Untertagevergasung
Als Menschen um das Jahr 1300 begannen, südlich der Ruhr Steinkohle abzubauen, hatten sie es noch einfach: Die Kohleflöze traten dort offen zutage. Spätere Generationen mussten immer tiefer graben, denn die Flöze entfernen sich Richtung Norden von der Oberfläche. Am Nordrand des Ruhrgebiets liegen sie schon mehr als tausend Meter tief - an der Grenze dessen, was sich mit normalem Untertagebergbau wirtschaftlich fördern lässt.
Doch selbst 5000 Meter tiefe Kohle lässt sich wirtschaftlich nutzen, behauptet das Forschungskonsortium CO2Sinus. Der Verbund aus RWTH Aachen, Geoforschungszentrum Potsdam und der Ingenieurgesellschaft DMT will die Kohle gar nicht erst zutage fördern, sondern sie gleich vor Ort vergasen. Zunächst werden dazu mehrere Dutzend "Injektionsbohrungen" im Abstand von 20 bis 30 Metern in ein Kohleflöz getrieben. In diese Bohrlöcher wird Sauerstoff und Wasserdampf mit bis zu 80 Bar Druck gepresst. Die dadurch entstehende Hitze entzündet die Kohle. Da aber der Sauerstoff nur in einer niedrigen Dosis verabreicht wird, verbrennt die Kohle nicht, sondern wird in einem komplizierten Prozess in Wasserstoff, Methan, Kohlendioxid und Kohlenmonoxid umgewandelt. Diese Gase gelangen durch die "Produktionsbohrung" zutage und können dort in einem normalen Gas-Dampf-Kraftwerk Strom erzeugen.
Bald sollen die ersten Anlagen in den Regelbetrieb gehen
Die Idee der Untertagevergasung ist nicht neu. Schon seit den 1930er-Jahren wird immer wieder mit diesem Verfahren experimentiert. Doch solange andere Energiequellen preiswerter waren, rentierten sich die Bohrungen nicht. Erst in den vergangenen Jahren steigt mit den Ölpreisen auch wieder das Interesse an der Untertagevergasung: In Südafrika läuft bereits ein 200-Megawatt-Kraftwerk, in den USA und Australien sollen bald die ersten Anlagen in den Regelbetrieb gehen.
Diese Gas-Bergwerke schürfen allerdings nur wenige hundert Meter unter der Erde. CO2Sinus will tiefer als tausend Meter hinab. Da aber die Kohle dort unten wegen des hohen Drucks nicht mehr so gasdurchlässig ist, kann sie sich auch nicht mehr, wie bei herkömmlichen Projekten, den Weg zwischen Injektions- und Produktionsbohrung selbst freibrennen. Deshalb setzen die Forscher auf ein der Ölbohrung entlehntes Verfahren: Die Injektionsbohrungen biegen, wenn sie die Kohleflöze erreicht haben, gewissermaßen um die Ecke und folgen dem Flöz horizontal bis direkt vor die Produktionsbohrung. So zumindest die Theorie. Die Praxis muss sich erst in einem Pilotprojekt auf europäischem Boden beweisen. "Es gibt in Europa mehrere potentielle Standorte", sagt Thomas Kempka vom Deutschen Geoforschungszentrum, entschieden sei aber noch nichts.
Und wie sieht es mit der Umwelt aus?
Schon konkreter sind da die Eckdaten eines vergleichbaren kanadischen Projekts: Bei Swan Hills im Bundesstaat Alberta soll ab 2015 eine 1400 Meter tiefe Bohrung zur Kohlevergasung in Betrieb gehen und ein 300-Megawatt-Kraftwerk versorgen. Das bei der Verbrennung abgeschiedene CO2 wollen die Betreiber an Ölgesellschaften verkaufen, die damit Öl aus ihren Feldern herauspressen. Die deutschen Forscher haben sich eine andere Lösung für das anfallende Kohlendioxid ein fallen lassen: Sie wollen es gleich vor Ort wieder in die ausgebrannten Kohleflöze pumpen und dort endlagern.
Was das Verfahren kosten würde, haben die Forscher für ein 2000 Meter tiefes Flöz vorgerechnet: Ohne CO2-Speicherung kommen sie auf 2,9 Cent und 614 Gramm Kohlendioxid pro Kilowattstunde Strom. Mit Speicherung sind es 4 Cent und 86 Gramm - weniger als bei einem Erdgas-Kraftwerk.
Und wie sieht es mit der Umwelt aus? Eine Gefährdung des Trinkwassers erwarten die Forscher nicht - schließlich liegen mehrere hundert Meter Deckgebirge zwischen den Kohleflözen und trinkwasserführenden Schichten. Auch dass sich die Verschwelung unkontrolliert fortsetzt, wie es bei Kohlehalden und oberflächennahen Flözen überall auf der Welt zum Teil seit einigen Jahrzehnten der Fall ist, halten die Forscher für unwahrscheinlich. "Es ist schon schwierig genug, den Prozess überhaupt am Laufen zu halten", sagt Kempka. Um die Vergasung zu beenden, werde einfach Stickstoff in die Injektionsbohrung eingeblasen. Und Bergschäden durch einstürzende Kohlekammern sollen sich dadurch vermeiden lassen, dass Inseln im Flöz als eine Art natürlicher Stützpfeiler stehengelassen werden.
© Technology Review , Heise Zeitschriften Verlag, Hannover