Münchhausen-Check Wie streng ist das "strengste Fracking-Gesetz der Welt"?

"Wir werden die strengsten Regeln einführen, die es weltweit gibt", behauptet Bundesumweltministerin Hendricks. Die SPIEGEL-Dokumentation macht den Faktencheck: Unter welchen Umständen kann Fracking erlaubt werden?
Von Hauke Janssen
Fracking-Anlage im US-Bundesstaat Pennsylvania: Hohe Hürden in Deutschland

Fracking-Anlage im US-Bundesstaat Pennsylvania: Hohe Hürden in Deutschland

Foto: ? Stringer . / Reuters/ REUTERS

Hamburg - Barbara Hendricks (SPD) gehört zu den eher stillen Mitgliedern des Kabinetts. Das Resultat: Drei Vierteln der Deutschen ist der Name der SPD-Ministerin unbekannt. Das soll sich ändern.

Darauf deuten eine freche Onlinekampagne für mehr Klimaschutz und ein forsches Marketing zum Thema Hydraulic Fracturing, genannt Fracking, in denen Frau Minister ihrer eigenen Arbeit kräftig Vorschusslorbeeren verleiht. "Wir werden die strengsten Regeln einführen, die es weltweit für diese Gasfördertechnik gibt", sagt sie dann .

Beim Fracking wird tief unter der Erde Gestein mit hohem hydraulischen Druck aufgebrochen, in der Hoffnung, dort eingelagertes Gas zu finden. Dabei wird in der Regel ein flüssiges Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien in den Boden gepresst. Es entstehen Risse im Gestein, durch die das Gas entweichen und über Bohrrohre an die Oberfläche gelangen kann.

Umweltschützer fürchten unter anderem eine Verunreinigung des Trinkwassers durch die dabei benutzten Chemikalien. Nach einer Studie der Universität Manchester etwa sind einige der eingesetzten Chemikalien sogar krebserzeugend .

"Im Zweifel auf Nummer sicher"

Vor solchen Giften in unserem Trinkwasser und drohenden Erdbebengefahren will uns nun die stille, aber im Streit zuweilen etwas hitzige Umweltministerin bewahren. Das unkonventionelle, "riskante Fracking", so versprach sie, solle es zu wirtschaftlichen Zwecken in Deutschland auf absehbare Zeit nicht geben. Sie halte es mit dem Prinzip "im Zweifel auf Nummer sicher".

Das von ihr geplante Gesetz sollte nur Probebohrungen für die Forschung erlauben, und auch das nur ohne den Einsatz der Frac-Flüssigkeiten. Alle anderen Bohrungen oberhalb von 3000 Metern Tiefe würden strikt verboten .

Andere hatten andere Vorstellungen. Und so wurde im Bundeskabinett zwischen den Ressorts gerungen, bis Kanzleramtsminister Peter Altmaier mit den Ministerien für Wirtschaft und Umwelt einen Kompromiss ausgehandelt hatte . Der bedarf allerdings noch des Segens des Kabinetts.

Hohe Hürden

Das war Ende November, und die Ministerin erklärte noch einmal: "Wir legen die strengsten Regelungen im Bereich Fracking vor, die es jemals gab." Streng darf man auch diesen Entwurf nennen, wenn auch weniger streng als den vorangegangenen.

Denn nun kann prinzipiell auch kommerzielles Fracking bei einer geringeren Tiefe als 3000 Meter erlaubt werden - wenn auch nur in Einzelfällen und nach teuren Probebohrungen.

Die nächste Hürde ist das mehrheitliche Votum eines sechsköpfigen Expertengremiums. Dort sitzen Delegierte des Fracking-kritischen Umweltbundesamts, aber auch Wissenschaftler, die dem Fracking eher aufgeschlossen gegenüberstehen.

Stuft das Gremium die jeweilige geologische Formation als unbedenklich ein, müssen noch Berg- und Wasserämter und andere notorische Quertreiber in den betroffenen Bundesländern zustimmen. Zudem muss eine weitere Kommission beim Umweltbundesamt die Frac-Flüssigkeit als umweltverträglich einstufen.

Kompromiss gemacht

Dabei wird Fracking in Naturschutzgebieten und Gegenden, die zur Trinkwassergewinnung genutzt werden, ohnehin ausgeschlossen, betont das Umweltministerium. Auch in Ballungszentren wird es keine Genehmigungen geben. Das schränkt die mögliche Fracking-Landkarte stark ein.

Dennoch halten Umweltschützer den aktuellen Entwurf für zu lasch. "Entgegen aller Behauptungen ebnet Hendricks mit diesem Entwurf den Weg für kommerzielles Fracking", sagte die energiepolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Julia Verlinden. "Das ursprünglich angekündigte Fracking-Verbot ist damit endgültig vom Tisch, stattdessen kommt ein Fracking-Erlaubsnisgesetz" - die Bundesregierung beuge sich dem Druck der Erdgasindustrie.

Ist diese Äußerung auch zu negativ, die Tendenz der jüngsten Entwicklung ist richtig getroffen: Der Entwurf wurde aufgeweicht.

Entsprechend schöpft die Wirtschaft wieder Hoffnung. Man habe die Tür zum Fracking einen kleinen Schritt offen gehalten, heißt es beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Es werde zwar ellenlange Genehmigungsprozesse geben. Doch fänden sich zentrale Forderungen der Industrie im Gesetzentwurf erfüllt.

Fazit

Für den Bürger heißt es nun abwarten, bis das nicht mehr ganz so "strengste Fracking-Gesetz der Welt"  endlich in den Bundestag kommt. Ob es bis dahin weiter verwässert, das wissen wir nicht.

Wir wissen aber, dass andere Länder uns derzeit einen Schritt voraus sind. Denn in Bulgarien  und in Frankreich  ist Fracking seit Jahren verboten. Merke: Je länger die Diskussion, desto weniger streng die Regeln.

Wertung: Windstärke neun auf der zwölfstufigen Strengeskala ungemachter Gesetze

Mitarbeit: Almut Cieschinger, Mara Küpper
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