
Atomruine Fukushima: Kontaminierte Wassermassen
Fukushima Radioaktives Wasser soll ins Meer abgelassen werden
Wer sich eine Luftaufnahme der Atomruine Fukushima anschaut, könnte glauben, es handle sich um ein großes Tanklager für Erdöl. Doch in den Hunderten über das gesamte Kraftwerksgelände verteilten Behältern befindet sich kein Öl, sondern radioaktiv verseuchtes Wasser.
Mehr als 770.000 Tonnen sind es mittlerweile, teilte der Betreiber Tepco mit. Und die Wassermassen behindern den Rückbau des AKW, der noch Jahrzehnte dauern wird. Nun hat ein Tepco-Manager angekündigt, dass man kontaminiertes Wasser in den Pazifik ablassen wolle, um Platz zu schaffen auf dem Gelände. Der Plan sei mit der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA und der japanischen Atomaufsicht abgestimmt, sagte Takashi Kawamura. Er leitet die Arbeiten an den Havariemeilern.
Die vielen Wasserbehälter stellten auch ein Sicherheitsrisiko dar, weil sie bei einem schweren Erdbeben kaputtgehen könnten. Das Wasser enthalte nur noch radioaktives Tritium, ein Ablassen sei in kleinen Mengen ungefährlich. Auch von anderen AKW in Japan werde Tritium ins Meer abgelassen, sagte Kawamura. In kleinen Mengen passiert das auch bei Kraftwerken in Deutschland.

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"Es dürfte keine Auswirkungen haben, wenn Tritium-Wasser in den Ozean geleitet wird", betonte Tepco in einen Statement . Dies sei auch die Position der japanischen Atomaufsicht und entspreche dem Stand der Wissenschaft.
In der japanischen Bevölkerung gibt es Widerstand gegen die Pläne, vor allem von Fischern. Sie fürchten Geschäftseinbußen.
Das strahlende Wasser stammt aus den zerstörten Meilern des AKW Fukushima. Beim Super-GAU am 11. März 2011 war nach einem schweren Beben und folgenden Tsunami die Kühlung ausgefallen. Die folgende Überhitzung zerstörte die Meiler und die Kühlkreise.
Deshalb wurden jeden Tag Hunderte Tonnen Wasser in die zerstörten Reaktorgebäude geleitet. Das dann radioaktiv verseuchte Wasser musste anschließend herausgepumpt und gelagert werden. Zudem drang auch Grundwasser in die beschädigten Gebäude ein.

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Foto: DER SPIEGELAnfangs wurde das Wasser unbehandelt in Tanks gesammelt. Später begann Betreiber Tepco, besonders gefährliche Nuklide wie Cäsium und Strontium herauszufiltern. Doch Tritium, ein Wasserstoff-Isotop, befindet sich nach wie vor in dem Wasser. Tritium ist radioaktiv, die abgegebene Strahlung allerdings bei Weitem nicht so intensiv wie etwa bei Jod-131.
Die mit Tritium verseuchten Wassermassen auf dem Gelände stellen an sich keine Gefahr für die dort arbeitenden Menschen dar. "Es ist ein weicher Betastrahler und lässt sich leicht abschirmen. Schon die Haut schützt davor", erklärt Uwe Büttner, langjähriger Experte bei der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS).
Ursprünglich wollte Tepco auch eine Filteranlage für Tritium bauen lassen. Es gab Ausschreibungen für drei Pilotprojekte, wie GRS-Sprecher Sven Dokter berichtet. Doch offenbar ist Tepco damit nicht vorangekommen - nun plant das Unternehmen das Ablassen des noch belasteten Wassers ins Meer.

Atomruine Fukushima: Kontaminierte Wassermassen
Was das für den Pazifik und die darin lebenden Tiere und Pflanzen bedeutet, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt kaum sagen. Noch ist unklar, welche Mengen Radioaktivität letztlich im Meer landen werden und wo das Wasser wie abgelassen wird. "Nach unseren Information hat Tepco für Wasser, das abgeleitet werden soll, bislang einen Grenzwert von 60.000 Becquerel Tritium pro Liter angegeben", sagt GRS-Sprecher Dokter. Die WHO-Richtlinien für Trinkwasser lägen bei 10.000 Becquerel pro Liter.
Im Vergleich zu anderen Nukliden ist Tritium zumindest weniger gefährlich. "Jod und Technetium reichern sich in Blasentang an", berichtet Christian Küppers vom Öko-Institut in Darmstadt. Dies habe man in der irischen See beobachtet, nachdem radioaktives Wasser aus Wiederaufarbeitungsanlagen ins Meer abgelassen worden war. "In Muscheltieren hat man damals Strontium gefunden."

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Foto: SPIEGEL ONLINEBei Tritium hingegen habe man solche Anreicherungen in Pflanzen oder Tieren nicht festgestellt. "Der Tritium-Anteil im Organismus ist dann genauso hoch wie im Wasser der Umgebung." Um Gefahren abschätzen zu können, müsse man aber wissen, welche Menge des Isotops überhaupt freigesetzt werden soll. Und wie gut die gefährlicheren Nuklide aus dem Wasser herausgefiltert wurden.