Fukushima-Katastrophe Atomaufseher wollen weltweit AKW stresstesten

Die Internationale Atomenergiebehörde will AKW-Staaten nach dem Fukushima-Desaster in die Pflicht nehmen: Schärfere Kontrollen und Stresstests für Meiler sollen die Sicherheit der Atomkraftwerke erhöhen. Doch ausgerechnet Japan wehrt sich gegen Eingriffe.
Anti-Atomdemonstration in Japan: "Ernsthafte Verpflichtung der Mitgliedstaaten"

Anti-Atomdemonstration in Japan: "Ernsthafte Verpflichtung der Mitgliedstaaten"

Foto: AP/ Kyodo News

Wien - Es ist ein Treffen, an das hohe Erwartungen geknüpft werden: Am Montag haben sich die Energie- und Wirtschaftsminister zahlreicher Länder in der österreichischen Hauptstadt Wien getroffen, um die richtigen Lehren aus der atomaren Katastrophe von Fukushima zu ziehen. Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde ( IAEA) hat gleich zum Auftakt der fünftägigen Konferenz vorgelegt: "Business as usual ist keine Option", sagte Yukiya Amano. Konkret bedeutet das für den IAEA-Chef eine "ernsthafte Verpflichtung der Mitgliedstaaten", sich auf höhere AKW-Standards zu einigen - und diese auch durchzusetzen.

Damit einher geht die Forderung des IAEA-Chefs, seiner Organisation mehr Kompetenzen bei der Überwachung von Atomkraftwerken zuzusprechen. Der Atomunfall in Fukushima habe das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Kernenergie stark erschüttert, sagte Amano zu Beginn der IAEA-Ministerkonferenz zu nuklearer Sicherheit. Den Delegierten der 151 Mitgliedstaaten der IAEA präsentierte der Atomchef einen Fünf-Punkte-Programm, um die Sicherheit von Atomkraftwerken zu erhöhen.

AKW-Inspektionen nach Zufallsprinzip

Dafür seien strengere international geltende Sicherheitsstandards notwendig, sagte er. Diese jedoch müssten, anders als bisher, auch verbindlich von den Betreibern einzufordern sein. Bisher gibt es international keine verpflichtenden Sicherheitsstandards oder -kontrollen, Atomsicherheit ist Sache des einzelnen Staats.

Neben strengeren Kontrollen innerhalb der Mitgliedstaaten schlug Amano vor, IAEA-Expertenteams nach dem Zufallsprinzip zu Inspektionen in die Atomkraftwerke zu schicken. Dabei vermied es der Atomchef, von "Inspektoren" zu sprechen, was eher an Atomwaffenkontrollen erinnert - und nannte die Experten stattdessen "peer review teams." Wie verbindlich deren Schlussfolgerungen sein sollen, ist noch unklar. "Die Details müssen noch ausgearbeitet werden", sagte Amano. Auch forderte der IAEA-Chef weltweite Stresstests, mit denen alle Nuklearanlagen unter anderem auf ihre Erdbeben- und Tsunami-Sicherheit kontrolliert werden sollen. "Wir müssen die IAEA-Sicherheitsstandards stärken und sicherstellen, dass alle sie anwenden", sagte Amano - und hatte dabei wohl auch seine Landsleute im Blick.

In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass Japan sich nicht an alle Empfehlungen der Atombehörde gehalten hatte. "Selbst die besten Standards sind nutzlos, wenn sie nicht umgesetzt werden", so Amano. Er nannte den Unfall von Fukushima eine der schwersten und schwierigsten Katastrophen, mit der Menschen je umgehen mussten.

Japan fürchtet schwere wirtschaftliche Schäden

Doch ausgerechnet jenes Land, in dem durch das atomare Desaster die Atomdebatte in zahlreichen Staaten neu entfacht wurde, wehrt sich gegen den Vorstoß der IAEA: Japan will sich nicht für weltweit bindende AKW-Sicherheitsstandards einsetzen.

Zu dieser Frage gebe es in der Internationalen Gemeinschaft viele verschiedene Ansichten, diese sollten respektiert werden, sagte der japanische Wirtschaftsminister Banri Kaeida bei der Fukushima-Sonderkonferenz. Er verteidigte das Festhalten seines Landes an der Atomenergie, anderenfalls würde die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt schwere Schäden davontragen. Erst vor kurzem hatte die Regierung bekanntgegeben, dass heruntergefahrene AKW wieder in Betrieb genommen werden sollten, um Stromengpässe zu vermeiden. Japan werde aber sicherstellen, so Kaeida, dass Lehren aus der Atomkatastrophe gezogen würden und die Sicherheit der Anlagen im Land erhöht werde.

Auch andere Mitglieder der Organisation stehen verschärften Sicherheitsmaßnahmen kritisch gegenüber. "Atomkraft wird für viele Länder bedeutend bleiben", sagte auch IAEA-Chef Amano. Doch gerade deshalb müsse es ein internationales Herangehen an die Frage geben, wie die Sicherheit von Atomkraftwerken gewährleistet werden könne.

Auf der anderen Seite wird die IAEA in ihrem Kurs unterstützt. So plant Deutschland als Konsequenz aus der Reaktorkatastrophe von Fukushima den Ausstieg aus der Atomenergie bis 2022. Russland möchte die IAEA-Kriterien, die bisher nur empfehlenden Charakter haben, rechtsverbindlich machen, stößt damit im eigenen Land aber auf Widerstand. Der Chef der russischen Atomenergiebehörde, Sergej Kirijenko, begrüßte deshalb Amanos Vorstoß. Und in Italien erneuerte die Bevölkerung in einem Referendum ihr Nein zur Atomkraft.

Bei dem Treffen will die IAEA auch einen Bericht zum Fukushima-Vorfall präsentieren. Darin wird Japans Reaktion nach dem Unfall in Folge des Erdbebens vom 11. März kritisiert. Das Land hätte nach dem schweren Erdbeben, dem Tsunami und dem anschließenden Unglück auf ein von der IAEA vorgesehenes Übereinkommen für Hilfsleistungen zurückgreifen müssen, heißt es in dem am Wochenende bekanntgewordenen Bericht der Behörde. Das Übereinkommen regelt im Fall eines Atomunfalls die Zusammenarbeit zwischen der IAEA und verschiedenen Ländern hinsichtlich Hilfsmaßnahmen, Sicherheit und Kommunikation.

cib/dpa/AFP/Reuters
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