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Stromerzeugung: Kicken auf dem Kraftwerk

Foto: Georg Ismar/ dpa

Stromerzeugender Fußballplatz Das Kicker-Kraftwerk von Rio

Jeder Schuss bringt ein paar Milliwatt: Mit speziellen Bodenplatten wird in Rio de Janeiro das Flutlicht für einen Fußballplatz erzeugt. Eine zukunftsweisende Technik?

Es ist ein bemerkenswerter Fußballplatz, den die Bewohner von Morro da Mineira neuerdings bespielen dürfen. Der grell beleuchtete Kunstrasen liegt umgeben von übereinander gebauten Häuschen mitten in der Armensiedlung von Rio de Janeiro. Sechs Flutlichtmasten sorgen dafür, dass die Kinder des Viertels nahe dem Sambódromo auch nach Einbruch der Dunkelheit in ihren Flip-Flops spielen können - sogar eine Steintribüne gibt es.

Besonders ist der Platz deshalb, weil der Strom für die Beleuchtung durch das Kicken selbst erzeugt wird - jeder Schuss bringt ein paar Milliwatt. Unter dem Grün sind 200 Kinetik-Platten verbaut worden, die laut dem britischen Hersteller Pavegen jeweils bis zu sieben Watt Strom erzeugen können, wenn die Spieler darüber laufen. Die Platten werden aus recyceltem Kunststoff hergestellt. Werden sie durch einen Schritt eines Fußballers einige Millimeter eingedrückt, entsteht durch einen piezoelektrischen Effekt Strom - die genaue Technik will Pavegen nicht verraten.

Die so produzierte Energie wird in einem Speicher am Rande des Fußballplatzes gesammelt. "Wenn wir nicht spielen, geht das Licht irgendwann aus", sagt Platzwart Jackson Peçanha.

Backup auf dem Tribünendach

In der Stadt, wo im August die Olympischen Spiele eröffnet werden und wo für viel Geld neue Stadien gebaut worden sind, ist das eine simple Lösung eines Energieproblems, wie es gerade in den Armenvierteln verbreitet ist, wo fehlende Energie oder Stromausfälle zur Tagesordnung gehören.

Die gespeicherte Energie reiche meist für zwei Stunden. Die Kinder machen Purzelbäume, selbst das erzeugt Strom. Immer abends - von 20 Uhr an - wird der Platz bevölkert und die Fußballer vergessen irgendwann, dass sie hier ein laufendes Kraftwerk sind. Als Backup sind noch Solarpanels auf dem Tribünendach. Immer sonntags gibt es ein Turnier.

Nenel Silva (38) ist Präsident der Mannschaft "Tirol" - benannt nach einem Viertel in der Nähe. Er koordiniert den Spielbetrieb, vor allem die Turniere. Abends trommelt er oft spontan seine Leute zum Kicken zusammen. "Wir waren die Ersten, jetzt gibt es so einen Platz auch in Nigeria", sagt Silva. "Das ist revolutionär. Unser Platz ist nun sehr bekannt, alle wollen hier spielen."

Keine Angaben über die Kosten

Zur Eröffnung 2014 kam Brasiliens Fußballlegende Pelé - nach Angaben der Kicker funktioniert die Technik ohne Probleme. Ein Öl-Multi finanzierte die Energie-von-morgen-Idee. Über die Kosten schweigt man sich aus - massenkompatibel scheint die Lauf-Energie bisher noch nicht zu sein - sonst gäbe es wohl mehr dieser Projekte.

Nachfrage bei Pavegen, dessen Gründer Laurence Kemball-Cook mit der Platten-Idee die Energieversorgung revolutionieren will. "Sobald die Technologie einem Preis von Standardplatten entspricht, können wir einen wesentlichen Beitrag zur Energieerzeugung liefern", sagt Sprecherin Sanaa Siddiqui in London. "Das Potenzial für die kinetische Energie im städtischen Umfeld, wo es jede Woche Millionen von Schritten gibt, ist riesig."

Rund hundert Projekte hat man realisiert, neben dem weiteren Fußballplatz in Lagos auch am Flughafen London Heathrow, wo das Licht in einem Terminalteil durch Schritte der Passagiere erzeugt wird. Wenn die Technologie sich durchsetzt, würde sie auch enorme Datenmengen liefern können; wo sich wann wie viele Menschen bewegen. Datenschützer dürften das allerdings kritisch sehen.

Die Verbindung von Sport und Stromerzeugung im Boden wie in Rio könnte eine Zukunftsoption sein: In den Niederlanden gibt es auf einem Radweg in Krommenie einen 70 Meter langen Abschnitt mit Solarzellen unter Glasplatten. Er produziert genug Energie, um drei Haushalte mit Strom zu versorgen.

Von Georg Ismar, dpa/joe
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