Tödliche autonome Waffen Diplomaten streiten über Ächtung von Killerrobotern

Kriegsmaschinen, die eigenständig Ziele wählen und töten - was nach Science-Fiction-Film klingt, ist vielerorts in der Entwicklung. In Genf wollen nun Vertreter aus mehr als 75 Ländern über ein Verbot diskutieren.
Ferngesteuertes System auf einer Waffenmesse (Archivbild)

Ferngesteuertes System auf einer Waffenmesse (Archivbild)

Foto: Pavel Golovkin/ dpa

Solche Waffen heißen "tödliche autonome Waffen", umgangssprachlich: Killerroboter. Das können schießende Roboter sein, tödliche Drohnen, unbemannte U-Boote. Sie werden im Kampfeinsatz nicht von Menschen dirigiert, sondern entscheiden autonom, was ein legitimes Ziel ist und feuern.

Muss das nicht verboten werden?

Darüber diskutieren vom 27. August an Vertreter aus mehr als 75 Ländern in Genf. "Man sollte die Sache nicht dramatisieren", wiegelte der Vorsitzende der Beratungen, der indische Botschafter Amandeep Gill, im Frühjahr ab. "Roboter werden nicht die Welt übernehmen."

Aber Kritiker sind alarmiert. "Waffen können nicht zwischen Freund und Feind unterscheiden und gehören auf den völkerrechtlichen Prüfstand", sagt Thomas Küchenmeister von der deutschen Organisation Facing Finance, Mitglied der internationalen Kampagne gegen Killerroboter ("Campaign to Stop Killer Robots"). Eine Entscheidung, Menschenleben auszulöschen, dürfe niemals einer Maschine überlassen werden.

Rasante Entwicklung künstlicher Intelligenz

Autonome Waffen werden durch die rasante Entwicklung künstlicher Intelligenz möglich. Computer lernen anhand von eingefütterten Daten, wie ein Ziel aussieht, wie es sich bewegt, wann es angegriffen werden soll und zünden, ohne dass ein Mensch an der Entscheidung noch beteiligt ist.

Zu unterscheiden ist das von automatischen Waffen, etwa Patriot-Raketen. Die schießen zwar automatisch, aber das Ziel muss vorher von Menschen genau einprogrammiert werden. Michael Biontino, bis vor Kurzem deutscher Abrüstungsbotschafter in Genf, erklärt: "Autonome Waffen machen die Zielerkennung selbst, sie haben keine Zielbibliothek gespeichert." Allerdings ist die Grenze zwischen automatischen und autonomen Systemen fließend.

Es besteht kaum Zweifel, dass die USA, Russland, China, Israel, Südkorea und Großbritannien an solchen Systemen arbeiten. Sie existierten schon, sagt Neil Davison vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK). Es wacht über die Einhaltung des humanitären Völkerrechts, die weltweit anerkannten Genfer Konventionen, und ist besorgt über die Entwicklung.

"Angriffe sind streng auf militärische Ziele zu beschränken", heißt es in den Konventionen etwa. Können Maschinen das entscheiden? "Menschen müssen genügend Kontrolle behalten, um legale Entscheidungen zu treffen", sagt Davison.

Die Waffen der neuen Art werfen etliche Fragen auf:

  • Können sie erkennen, ob ein Feind sich etwa gerade ergeben will oder verletzt ist?
  • Ob die erkannte Person zwar eine Waffe hat, aber nicht Soldat, sondern Jäger ist?
  • Ob der erkannte Soldat womöglich ein Kamerad der eigenen Seite ist?
  • Wer kann für Verbrechen mit Waffen, die kein Mensch mehr kontrolliert, zur Verantwortung gezogen werden?

"Die Entscheidung über Leben und Tod nicht einer Maschine übertragen"

"Die Linie der Bundesrepublik ist klar: Für uns kann die Entscheidung über Leben und Tod nicht einer Maschine übertragen werden", sagte Biontino im Frühjahr. Es steht sogar im Koalitionsvertrag: "Autonome Waffensysteme, die der Verfügung des Menschen entzogen sind, lehnen wir ab. Wir wollen sie weltweit ächten."

Gemeinsam mit Frankreich hat Deutschland einen Verhaltenskodex vorgeschlagen, wonach alle heutigen und künftigen Waffensysteme menschlicher Kontrolle unterliegen müssen. Das sei ein zahnloser Tiger, sagt aber Küchenmeister. "Ein Verhaltenskodex ist nicht völkerrechtlich verbindlich." Seine Organisation verlangt deshalb einen verbindlichen Vertrag. Aber viele Länder wollen sich in ihrer Waffenentwicklung nicht einschränken lassen. Sie legen bei den Verhandlungen keine Eile an den Tag. "Dieses Zeitspiel ist hochriskant, wenn man sieht, welcher Grad an Autonomie schon erreicht worden ist", sagt Küchenmeister.

Mehr als 2000 Wissenschaftler, die mit künstlicher Intelligenz arbeiten, haben solche Waffen verurteilt. "Es gibt eine moralische Komponente", schrieben sie in einem Appell. "Wir dürfen Maschinen keine Entscheidung über Leben und Tod überlassen, für die andere - oder niemand - strafbar gemacht werden." Sie versprechen , niemals an der Entwicklung oder Herstellung von solchen Waffen mitzuhelfen und fordern Technologiefirmen auf, es ihnen gleichzutun.

wbr/Christiane Oelrich, dpa

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