
Diskussion über Gewässerschutz Weggespült


Medikamente in Toilette
Foto: Getty Images/iStockphotoSo eine Toilette ist ein praktischer Apparat: Man kann damit unschöne Dinge einfach runterspülen. Nur die wenigsten wissen, was nach der Betätigung der Spültaste mit unserem Urin und Kot - um die Dinge einmal beim Namen zu nennen - passiert.
Das ist in Ordnung. Man muss schließlich auch nicht bis ins letzte Detail begriffen haben, wie Strom erzeugt wird, um eine andere Annehmlichkeit unserer modernen Lebensweise nutzen zu dürfen. Hauptsache, man zahlt seine Stromrechnung. Diesen pragmatischen Ansatz pflegen die meisten Nutzer auch beim Abwasser. Man kann sehr gut damit leben, nicht zu wissen, wie viel Technik und Know-how es auf einer Kläranlage braucht, um eine tägliche Selbstverständlichkeit anwenden zu können.
Doch wo gedankenloser Umgang mit Elektrizität schon zu Problemen führt (Stichwort Klimawandel), schafft der unsachgemäße Gebrauch des Örtchens ernsthafte Schwierigkeiten: Mangelnde Kenntnis über das, was nach dem Wuuuusch passiert, führt bei vielen dazu, dass sie Toiletten als Mülleimer verwenden.

Klärtechnik: So funktioniert die vierte Reinigungsstufe
Wenn es gut läuft, führt das nur zu einer Verstopfung. Der Ärger bleibt dann zumindest direkt beim Nutzer, und vielleicht merkt der dann, dass da etwas falsch gelaufen ist. Wenn es schlecht läuft, entstehen die Probleme erst anderswo.
Wussten Sie etwa, dass:
- Feucht- und Abschminktücher, die sich nicht so leicht zersetzen wie Klopapier, auf Kläranlagen die Mechanik von Pumpen lahmlegen können?
- heißes Fett und Öl beim Abkühlen klumpen und deshalb Rohre verstopfen?
- Lebensmittelreste Ratten in die Kanalisation locken - und diese manchmal den Rohren bis zur Quelle folgen?
Mit dem Abzug an der Toilette meinen die meisten, auch ihre Verantwortung runterzuspülen. Ein wenig mehr Wissen würde helfen. Niemand muss lernen, was auf einer Kläranlage chemisch und biologisch passiert. Aber dass es unerfreuliche Folgen hat, wenn man Medikamente im Klo entsorgt, sollte zur Allgemeinbildung gehören. Das hilft sicher mehr, als die nächste Meldung über schlechte Gewässerzustände in sozialen Netzwerken zu teilen.
Dass bei den Verbrauchern noch Aufklärungsbedarf besteht, zeigt sich auch in Umfragen. Laut dem Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) wussten knapp die Hälfte der 2000 befragten Deutschen nicht, dass allein schon durch die Einnahme von Medikamenten Spurenstoffe in den Wasserkreislauf gelangen. 47 Prozent der Bundesbürger entsorgen laut dieser Umfrage flüssige Medikamentenreste über Spüle oder Toilette.
Dabei gehören sie in den Restmüll. Ausnahmen sind Krebsmedikamente (Zytostatika) sowie bestimmte Hormonpräparate und Virustatika (virushemmende Medikamente), die auch dort nichts verloren haben. Es lohnt sich ein Blick auf den Beipackzettel, der Hinweise gibt, oder eine Nachfrage beim Apotheker. Diese sind nicht mehr zur Rücknahme verpflichtet. In einigen Städten gibt es Schadstoffsammelstellen, die Altmedikamente annehmen.
Natürlich lässt sich nicht vermeiden, dass Arzneimittel, die wir dringend einnehmen müssen, mit dem Urin wieder in den Wasserkreislauf gelangen. Aber auch hier wäre es sinnvoll, zu überlegen, wo man reduzieren könnte. Ist es wirklich notwendig, sich vor dem Sport mit Schmerzgel einzureiben?
Abwasser - eine gesellschaftliche Frage
Eine neue Technik auf Kläranlagen könnte den Eintrag von Spurenstoffen in Gewässer reduzieren - die ersten Anlagen laufen bereits. Aber das Verfahren ist mit höheren Gebühren für die Verbraucher verbunden. Auch das ist ein Grund, warum der Einsatz unter Experten kontrovers diskutiert wird.
Doch egal, wie man die Technik beurteilt. Am Ende wird sie allein nicht ausreichen - wir alle müssen unser Verhalten ändern. Gewässerschutz ist nicht allein Aufgabe der Kläranlagen.
Spurenstoffe: Gefahr für die Ökosysteme
Er fängt bei uns allen an, im Badezimmer, in der Küche, beim Putzen, beim Duschen, jeden Tag. Dasselbe gilt im Supermarkt und in der Drogerie, beim Kauf von Haushalts- oder Pflegeartikeln - auch Kosmetika oder Putzmittel enthalten Chemikalien, die im Wasser landen.
Wenn die Bevölkerung ein höheres Bewusstsein für das eigene Verhalten entwickelt, wird den Skeptikern für den Ausbau der Kläranlagen ein wichtiges Argument geraubt: Dass sich die Verbraucher bei einer weiteren Reinigungsstufe nun noch weniger Gedanken machen und die Toilette erst recht als Mülleimer missbrauchen würden.
Politiker scheuen sich gerne mal vor unpopulären Entscheidungen zu höheren Gebühren, wie sie bei einer Einführung der neuen Klärtechnik notwendig wäre. Aber der Umgang mit Abwasser ist am Ende auch eine soziale Frage - Kläranlagen haben einen öffentlichen Auftrag zur Abwasserreinigung.
Ob wir dabei auf neue, teurere Technik setzen wollen und wie wir deren Preis-Leistungsverhältnis beurteilen, muss die Gesellschaft entscheiden. Und damit auch die Frage, was uns sauberere Gewässer wert sind.