
Energie: Wasser erhitzen per Windstrom
Heizen mit Strom Elektrokessel für die Energiewende
Heizen mit Strom? Was für eine Verschwendung! Mit diesem Argument ziehen Umweltschützer seit Jahrzehnten gegen Nachtspeicherheizungen zu Felde. Doch nun haben die Stadtwerke Flensburg sowie eine Handvoll weiterer kommunaler Versorger begonnen, mit Strom Fernwärme zu erzeugen - und berufen sich dabei ausgerechnet auf Klimaschutz und Energiewende.
Die Stadtwerke Flensburg haben im letzten Jahr einen Elektrodenheizkessel installiert, der wie ein XXL-Tauchsieder fast hundert Grad heißes Wasser für das Fernwärmenetz der Stadt produziert. Allerdings läuft die zwei Millionen Euro teure Anlage nicht im Dauerbetrieb. Der Versorger wirft seinen Kessel immer dann an, wenn das Stromnetz in Schieflage zu geraten droht - etwa wenn plötzlich ein starker Sturm aufzieht, der die Windräder auf Hochtouren bringt. Falls es dann nicht genug Abnehmer für den Strom gibt, kommt es im Netz zu Frequenzschwankungen, die im schlimmsten Fall einen Blackout verursachen.
Energiewende befeuert
In solchen Zeiten ist jeder zusätzliche Stromverbrauch ein Segen - je mehr, desto besser. Die Stadtwerke können mit ihrem Kessel immerhin so viel Strom verwerten wie rund fünfzehn große Windräder produzieren. So tragen sie dazu bei, Angebot und Nachfrage im Netz schnell wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Für diese Leistung erhalten sie von den Netzbetreibern eine attraktive Vergütung. "Power to Heat" nennen Experten das Konzept.
"Mit unserem Elektrokessel stärken wir die Versorgungssicherheit und leisten so einen wichtigen Beitrag zur Energiewende", ist Peer Holdensen von den Stadtwerken Flensburg überzeugt. Darüber hinaus tue sein Unternehmen etwas für den Klimaschutz: Das mit Kohle befeuerte Heizkraftwerk, das üblicherweise die Fernwärme für die Flensburger liefert, wird gedrosselt, wenn der Elektrodenheizkessel läuft.
Für Jochen Conrad von der Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE) in München ergänzen sich Elektrokessel und Windräder bestens. Nicht nur aus Gründen der Versorgungssicherheit: "Wenn die erneuerbaren Energien wie geplant stark ausgebaut werden, wird es künftig immer wieder zu großen Überschüssen an Windstrom kommen", erklärt der Experte.
Reicht die Kapazität der Stromleitungen nicht aus, um die Energie dorthin zu transportieren, wo sie gerade benötigt wird, müssen die Windräder kurzzeitig außer Betrieb gesetzt werden - obwohl die Wetterverhältnisse für die Anlagen gerade perfekt sind. "'Power to Heat' ist ein sehr guter Ansatz, einen Teil dieser Abregelung zu vermeiden", sagt Conrad.
Kein Abregeln der Windräder
Das bestätigt auch eine kürzlich veröffentlichte Studie des Berliner Thinktanks "Agora Energiewende". Vor allem in Schleswig-Holstein müssen Windräder schon heute immer wieder vom Netz genommen werden, um die lokalen Leitungen zu entlasten. Solche Situationen werden in den nächsten Jahren noch deutlich häufiger eintreten. Wird der überschüssige Strom zur Wärmeerzeugung genutzt, könne man in Schleswig-Holstein auf das Abregeln der Windräder weitgehend verzichten, so die Studie. Dafür müssten allerdings die rechtlichen Rahmenbedingungen angepasst werden.
Bei der Bundesregierung findet "Power to Heat" offene Ohren, das Konzept hat Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden. Was die Politik dafür konkret tun will, ist aber noch offen. Das Bundeswirtschaftsministerium erklärte auf Anfrage, das Thema werde jetzt zunächst einmal mit Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und anderen gesellschaftlichen Gruppen diskutiert.
Derweil wollen Energiekonzerne wie RWE das Konzept nutzen, um der Nachtspeicherheizung zu einem zweiten Frühling zu verhelfen. Ihre Idee: Die 1,5 Millionen in Deutschland installierten Heizkörper sollen nachts mit überschüssigem Ökostrom Heizwärme erzeugen. Die wird dann tagsüber wieder an die Haushalte abgegeben.
Comeback der Nachtspeicherheizung
Die vormalige schwarz-gelbe Koalition ließ sich von dieser Argumentation überzeugen; das ursprünglich vorgesehene Verbot der Geräte wurde im letzten Jahr gekippt. Umweltschützer hatten vehement gegen den Beschluss protestiert. Ihr Argument: Wenn es draußen richtig kalt ist, verbrauchen die Geräte auch tagsüber Strom. Das kommt den Kohlekraftwerken zugute und belastet die Netze.
Conrad dagegen hält es technisch durchaus für möglich, Nachtspeicherheizungen zur Stabilisierung der Stromversorgung einzusetzen. Er hat jedoch einen anderen Einwand: Die bestehende Regeltechnik der Nachtspeicherheizungen müsste ergänzt werden, um eine größtmögliche Flexibilität bei der Steuerung zu ermöglichen. "Für diesen Fall sind wenige zentrale Elektrodenheizkessel gegenüber vielen kleinen zu regelnden Anlagen derzeit wirtschaftlich im Vorteil", erklärt Conrad.