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CO2-Speicherung: Basaltgestein bindet Treibhausgas

Foto: Ralph Diermann

Pilotanlage auf Island Forscherteam macht Kohlendioxid zu Stein

Um das Klima zu schützen, soll Kohlendioxid künftig aufgefangen und unter der Erde gespeichert werden. Doch das Verfahren birgt Risiken. Bei einer Pilotanlage in Island gehen Forscher einen neuen Weg.

Achtzehn Metallboxen, zusammen so groß wie drei Schiffscontainer, thronen auf dem Dach einer Müllverbrennungsanlage bei Zürich. Mächtige Ventilatoren saugen mit sanftem Brummen Luft ins Innere. Wenn sie die Boxen wieder verlässt, fehlt etwas: Kohlendioxid. Die Anlage filtert einen großen Teil des Klimakillers aus der Luft.

Die Schweizer Firma Climeworks, Entwickler dieses CO2-Keschers, verkauft das Gas an einen benachbarten Gemüsebauern, der es als Dünger in seinen Treibhäusern verwendet. Zudem kooperiert Climeworks mit dem Dresdener Unternehmen Sunfire. Es fertigt Anlagen, mit denen synthetische Kraftstoffe produziert werden - dafür benötigt man CO2.

Das eigentliche Potenzial der Technologie liegt jedoch ganz woanders: Sie könnte helfen, den Klimawandel einzudämmen, indem sie Treibhausgas-Emissionen tilgt. Wird das Kohlendioxid dauerhaft in großen Mengen aus der Umwelt entfernt, wäre es sogar möglich, den CO2-Gehalt der Atmosphäre zu reduzieren.

Innerhalb von zwei Jahren versteinert

Doch wohin mit dem Kohlendioxid aus der Luft? Immerhin muss das flüchtige Gas so entsorgt werden, dass es für alle Zeiten von der Umwelt abgeschlossen bleibt. Ein internationales Forscherteam unter Beteiligung von Climeworks, des isländischen Energieversorgers Reykjavík Energy, des französischen Forschungsinstituts CNRS und weiterer Partner ist überzeugt, dafür jetzt eine Lösung gefunden zu haben.

Die Experten haben kürzlich im Südwesten Islands damit begonnen, Wasser mit Kohlendioxid zu versetzen und 700 Meter in die Tiefe zu pumpen. Der Untergrund besteht aus porösem Basaltgestein, das große Mengen an Magnesium, Kalzium und Eisen enthält.

In Kontakt mit den Mineralien beginnt das Kohlendioxid, aus dem im Wasser Kohlensäure entstanden ist, quasi zu versteinern. Es entstehen sogenannte Karbonate. "Der Prozess ist innerhalb von maximal zwei Jahren abgeschlossen", sagt der Geowissenschaftler Martin Stute von der Columbia University in New York, der seit vielen Jahren zu diesem Thema forscht.

Einmal zu Stein geworden, bleibt der Klimakiller auf ewig in diesem Zustand. "Unter natürlichen Bedingungen ist es praktisch ausgeschlossen, dass sich das Kohlendioxid jemals wieder löst. Daher ist das Konzept sehr sicher", erklärt der Wissenschaftler.

Täglich etwa 135 Kilogramm CO2 sollen bei dem Pilotprojekt namens CarbFix2 entsorgt werden. Das Kohlendioxid stammt aus einer kleinen Climeworks-Anlage, die auf dem Testfeld installiert wurde. Deren Herzstück ist eine Gitterstruktur aus einem zelluloseartigen Material, an das sich das CO2 aus der durchströmenden Luft anlagert. Wenn das Material gesättigt ist, wird es erwärmt, sodass das Gas abgeschöpft werden kann. Die Wärme liefert ein benachbartes Geothermie-Kraftwerk.

"Das Potenzial ist gigantisch"

Basalt ist erkaltete Lava - ein Allerweltsgestein, das sich überall auf der Erde findet. Weite Teile des Meeresgrundes bestehen aus Basalt, sagt Stute. Auch auf den Kontinenten gebe es riesige Vorkommen. "Das Potenzial für das Verfahren ist deshalb gigantisch", sagt der Geowissenschaftler.

Allein in Island lassen sich mehr als 400 Gigatonnen Kohlendioxid im Basaltgestein endlagern, schätzen die CarbFix2-Forscher. Das ist etwa zehnmal so viel CO2, wie die gesamte Menschheit derzeit pro Jahr emittiert.

In der Praxis kommt allerdings längst nicht jeder Standort infrage. So funktioniert das Verfahren nur in wasserreichen Regionen, da es etwa 25 Kubikmeter Flüssigkeit pro Tonne Kohlendioxid benötigt. Zudem muss eine Wärmequelle vorhanden sein, um das Treibhausgas aus dem Climeworks-Filter zu lösen - etwa eine Solarthermieanlage oder ein Industriebetrieb, der Abwärme liefert.

Deutlich teurer als CO2-Emissionszertifikate

Ohne das Herausfiltern von Kohlendioxid aus der Atmosphäre, auch negative Emissionen genannt, werden sich die Klimaziele nicht einhalten lassen, meinen viele Experten. "Wenn die globale Mitteltemperatur bis 2100 um nicht mehr als zwei Grad Celsius ansteigen soll, müssen wir schon in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts beginnen, der Atmosphäre umfassend Kohlendioxid zu entziehen", sagt etwa Sabine Fuss vom Berliner Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change.

Bleibt allerdings die Frage, wie die dauerhafte Entfernung des Kohlendioxids aus der Atmosphäre finanziert werden könnte. Das Verfahren ist teuer: Allein die CO2-Abscheidung kostet mehrere Hundert Euro pro Tonne, wie Erfahrungen mit der Anlage in der Schweiz zeigen.

Zwar erwartet Climeworks, dass die Kosten mit der Weiterentwicklung der Technologie und einer Skalierung der Anlagenfertigung auf etwa hundert Euro pro Tonne fallen werden. Doch das sind immer noch 15 Mal mehr als CO2-Emissionszertifikate derzeit kosten.

Climeworks setzt deshalb auf freiwilliges Engagement. "Wir planen, gespeichertes CO2 an Individuen, Organisationen oder Regierungen zu verkaufen, die damit unvermeidbare Emissionen abdecken möchten", sagt Valentin Gutknecht von Climeworks. Gerade Unternehmen, die CO2-neutral werden wollen, fehlten oft die letzten 10 bis 15 Prozent auf ihrem Weg, etwa wegen der Emissionen durch Flüge des Managements. "Genau solchen Unternehmen - die bereits ein großes Umweltbewusstsein an den Tag legen - bieten wir in absehbarer Zukunft gespeichertes Kohlendioxid an", sagt Gutknecht.

In eine Vitrine können sich die Käufer das Kohlendioxid dann allerdings nicht stellen - das versteinerte Treibhausgas bleibt im Untergrund.

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