Testanlage für E-Fuel So entsteht Treibstoff aus CO2 und Ökostrom

CO2 im Tank: Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) wird ein Verfahren getestet, das klimafreundliche Kraftstoffe herstellt. Noch produziert das E-Fuel-System aber nur ein paar Liter täglich.
Inbetriebnahme der Forschungsanlage auf dem Campus Nord des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT)

Inbetriebnahme der Forschungsanlage auf dem Campus Nord des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT)

Foto: Marijan Murat/ DPA

Die Energiewende in Deutschland geht voran - allerdings gibt es beim Verzicht auf Kohle- und Atomstrom noch ungelöste Probleme. Wie kompensiert man bei der Stromerzeugung mit Wind- und Sonnenenergie beispielsweise Produktionsspitzen und -täler? Schließlich scheint die Sonne nicht dauerhaft und auch der Wind treibt die Rotorblätter von Windenergieanlagen nicht konstant an, wenn er zum Beispiel besonders stark weht, kommt es zu regionalen Überschüssen.

Für beide Fälle, also Über- und Unterproduktion von Strom, braucht es effektive Speichertechnik. Doch daran mangelt es bisher. Und auch im Verkehrssektor stockt die Energierevolution: Bis der letzte Verbrennungsmotor seinen Betrieb einstellt, wird es noch dauern, befürchten Fachleute. (Mehr dazu lesen Sie hier.)

Ein Ansatz, um solche Probleme anzugehen, ist die Entwicklung von klimaneutralen Treibstoffen. Im Idealfall nutzen die Herstellungsverfahren überschüssigen Strom und produzieren daraus synthetische Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels. Am Rand von Karlsruhe ist nun weltweit die erste Versuchsanlage gestartet worden, die alle notwendigen Schritte vereint, um Treibstoff aus Strom und Luft herzustellen.

Davon profitiert sogar der Klimaschutz. Denn der CO2-neutrale Kraftstoff wird in vier Schritten hergestellt: Zunächst filtert die Anlage Kohlendioxid (CO2) aus der Luft. Dann werden CO2 und Wasserdampf in Wasserstoff und Kohlenmonoxid gespalten. In der dritten Phase entstehen daraus lange Kohlenwasserstoffketten. Diese werden im vierten Schritt so aufgespalten, dass Benzin, Diesel oder Kerosin hergestellt werden kann. Das Verfahren könnte theoretisch einen Wirkungsgrad von rund 60 Prozent erreichen. Das bedeutet, dass 60 Prozent des eingesetzten Ökostroms als chemische Energie im Kraftstoff gespeichert werden.

Mitentwickelt wurde das Verfahren am Karlsruher Institut für Technologie (KIT).  Thomas Hirth sprach bei der offiziellen Inbetriebnahme der Anlage in Größe eines Schiffscontainers von der "Veredelung erneuerbarer Energie".

Die kleine Versuchsanlage hat während der ersten Erprobungen zwar schon ein Fass mit E-Fuel gefüllt, mehr als zehn Liter am Tag kommen aber nicht zusammen. In der nächsten Stufe soll sie täglich 200 Liter produzieren. Die Herstellung auf Industrieniveau wird innerhalb von zehn Jahren angestrebt.

Ein großer Vorteil der verwendeten Technologie ist, dass sie klimaschädliches CO2 aus der Luft zieht. Da dieses überall auf der Welt gleich in der Luft verteilt ist, können "die Anlagen überall auf der Welt stehen", sagte Roland Dittmeyer vom KIT. So könnte auch abseits der herkömmlichen Versorgungsinfrastruktur mithilfe von Solaranlagen oder Windkrafträdern Treibstoff erzeugt werden, der Autos, Lastwagen, Schiffe und Flugzeuge antreibt.

Über die zu erwartenden Kosten pro Liter E-Fuel wollen die Projektpartner mit Verweis auf den Beginn der Technologie noch nicht sprechen. Der wichtigste Faktor sei der Strompreis. Peter Müller-Baum vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau sprach von einer industriepolitischen Chance. Es sei wichtig, nicht nur technologisch Weltmarktführer zu sein. Solche Anlagen müssten in Deutschland auch gebaut und betrieben werden.

Nicht nur in Karlsruhe wird an Brennstoffen auf Strombasis gearbeitet. Am Freitag eröffnet in Cottbus ein neues Kompetenzzentrum. Es wird sich im Auftrag des Bundesumweltministeriums mit dem Klimaschutz in energieintensiven Industrien beschäftigen. Die Denkfabrik soll Lösungen für die Umstellung der Energiewirtschaft in Richtung eines niedrigeren Umsatzes von Kohlenstoff entwickeln und voranbringen, etwa in der Stahl- und Zementbranche oder in der chemischen Industrie. Das ist eine Voraussetzung dafür, wenn Deutschland seine gesteckten Klimaziele erreichen will.

joe/dpa
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