Energiewende Grünes Erdgas fürs Eigenheim

Power-to-Gas-Anlage in Alzey
Foto: ExytronWie über 19 Millionen andere Haushalte in Deutschland auch heizen die Bewohner einer neuen Reihenhaussiedlung im rheinland-pfälzischen Alzey künftig mit einem Erdgas. Doch ihr Brennstoff kommt nicht aus Russland oder Norwegen - sondern aus einem containergroßen Gebäude am Rande des Wohnviertels.
Dort wird im Herbst eine Anlage installiert, die aus Wasser, Strom und Kohlendioxid synthetisches Erdgas erzeugt. Power to Gas heißt dieses Konzept.
Entwickelt wurden Power-to-Gas-Anlagen ursprünglich als Energiespeicher: Wenn Windräder und Solaranlagen mehr Strom liefern als gerade benötigt wird, produzieren sie damit Wasserstoff oder Methan.
Die Brennstoffe werden ins öffentliche Gasnetz eingespeist, sodass Kraftwerke daraus später wieder Strom gewinnen können. Langfristig könnte die Technologie das konventionelle Erdgas in der Stromerzeugung sogar ganz ersetzen, meinen Wissenschaftler.
Doch noch steht dem Traum vom grünen Gas einiges im Weg - mehr erfahren Sie hier.
Gut zwei Dutzend solcher Anlagen gibt es in Deutschland bereits. Betrieben werden sie oft von Unternehmen wie E.on, RWE, Linde oder Audi. In Alzey wird die Technologie nun zum ersten Mal eingesetzt, um ein kleines Wohngebiet mit Wärme und Strom zu versorgen. Das funktioniert so: Im ersten Schritt spaltet die Anlage Wasser per Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff.

Katalysator für die Methanisierung (links) und Steuerungseinheit
Foto: ExytronDafür ist eine Menge Strom nötig. Vierzig Prozent liefert ein Solarsystem auf den Dächern der Reihenhäuser, der Rest kommt als Ökostrom aus dem Netz. "Wir wollen den Autarkiegrad aber später noch steigern, etwa mit zusätzlichen Fotovoltaikmodulen oder kleinen Windrädern", sagt Klaus Schirmer vom Rostocker Unternehmen Exytron, das die Anlage zusammen mit dem Leibniz-Institut für Katalyse entwickelt hat.
Anschließend wird der Wasserstoff mit Kohlendioxid zu Methan umgesetzt. Der Brennstoff, Hauptbestandteil von Erdgas, wird in einem unterirdischen Tank gespeichert. Ein kleines Blockheizkraftwerk (BHKW) erzeugt daraus schließlich Strom und Wärme für die Bewohner.
Auch die Abwärme aus den chemischen Prozessen fließt in das Heizungssystem. Das bei der Verbrennung im BHKW entstehende Kohlendioxid wird aufgefangen und für die Methanisierung genutzt. Das Energiekonzept ist damit klimaneutral.
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Mit synthetischem Erdgas heizen
Foto: ExytronEin sinnvoller Ansatz, meint Andreas Kuhlmann, Chef der Deutschen Energie-Agentur (dena). "Wir brauchen Power to Gas nicht nur langfristig als Speicher, sondern als Instrument, um die CO2-Emissionen auch in der Wärmeversorgung zu reduzieren", erklärt Kuhlmann.
Zudem könnten Power-to-Gas-Anlagen zur Wärme- und Stromversorgung von Gebäuden dazu beitragen, die erneuerbaren Energien besser in das Energiesystem zu integrieren. "Das gelingt, indem sie die Elektrolyse vor allem dann durchführen, wenn gerade viel Wind- oder Solarstrom verfügbar ist", sagt der dena-Geschäftsführer.
Allerdings hat das Alzeyer Energiekonzept seinen Preis. Zwar wird der Strom laut dem Betreiber der Anlage, dem lokalen Energieversorger E-RP, billiger sein als die marktüblichen Tarife. Umso teurer ist dafür die Wärme: Ungefähr zwölf Euro werden die Haushalte pro Quadratmeter und Jahr dafür bezahlen müssen - mit einem konventionellen Gaskessel fiele die Heizkostenrechnung um rund ein Drittel niedriger aus. Würde man die realen Kosten zugrunde legen, müsste die Energie sogar noch teurer sein. Da es sich hier aber um ein Pilotprojekt handelt, subventioniert E-RP den Tarif.

Anlagendetails
Foto: ExytronMichael Sterner von der ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg - einer der Erfinder von Power to Gas - hält deshalb nicht viel von diesem Modell. "Kleine, dezentrale Anlagen zur Versorgung von Gebäuden sind sehr teuer. Daher sehe ich in Deutschland dafür keinen nennenswerten Markt", sagt der Wissenschaftler. Allenfalls in Ländern mit sehr hohen Strom- und Gaspreisen oder nur wenig ausgebauten Energienetzen ließe sich das Konzept wirtschaftlich umsetzen.
Hindernis EEG-Umlage
Viel besser sei es, die Technologie zu nutzen, um den Verkehr klimafreundlicher zu machen. "Mit dem Verfahren ist es möglich, CO2-freie Kraftstoffe herzustellen. Die brauchen wir für die Langstrecken, für den Flug- und Schiffsverkehr", sagt Sterner.
Zudem plädiert er dafür, Power-to-Gas-Anlagen gezielt dort zu installieren, wo so viele Windräder stehen, dass das Stromnetz nicht immer die gesamte Energie aufnehmen kann. "Das reduziert die Entschädigungen, die die Netzbetreiber für das Abregeln der Windräder bezahlen müssen - und drückt damit die Stromrechnung der Verbraucher", erklärt Sterner. Die Bundesregierung will dies jetzt mit der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) möglich machen.
Power to Gas ist allerdings auch deshalb so teuer, weil die Anlagenbetreiber für den Elektrolysestrom, den sie aus dem Netz beziehen, diverse Aufschläge bezahlen müssen. "Die Kosten für synthetisches Erdgas wären nur halb so hoch, wenn Power to Gas nicht mit EEG-Umlage, Netzentgelten und anderen Abgaben belastet wäre", erläutert dena-Chef Kuhlmann. Viele Experten fordern daher, den für die Elektrolyse genutzten Netzstrom von diesen Beiträgen zu befreien. Hier ist also die Politik gefragt.